Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.05.1973 - V C 24.72 = AgrarR 1974 S. 78
Aktenzeichen | V C 24.72 | Entscheidung | Urteil | Datum | 17.05.1973 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = AgrarR 1974 S. 78 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Vollstreckung einer Geldforderung der Teilnehmergemeinschaft nach der Schlußfeststellung. |
Aus den Gründen
Der Kläger war Teilnehmer am Umlegungsverfahren von R., das durch die rechtskräftig gewordene Schlußfeststellung vom 18.4.1962 beendet wurde. In der öffentlich bekanntgemachten Schlußfeststellung wird festgestellt, daß die Ausführung nach dem seit dem 15.8.1952 rechtskräftig feststehenden Umlegungsplan bewirkt ist und den Beteiligten keine Ansprüche mehr zustehen, die im Umlegungsverfahren hätten berücksichtigt werden müssen. Darin ist weiter angeordnet, daß die Teilnehmergemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts bestehen bleibt, solange über die Beendigung des Umlegungsverfahrens hinaus Verbindlichkeiten aus den Darlehensverträgen zu erfüllen sind. Ergänzend ist festgestellt, daß von der Rechtskraft der Schlußfeststellung an die Teilnehmergemeinschaft der Gemeindeaufsichtsbehörde untersteht.
Mit einer undatierten Rechnung, vom Rechnungsführer der Teilnehmergemeinschaft unterzeichnet, wurde der Kläger um Zahlung von 737,20 DM bis zum 1.5.1964 für nicht erbrachte Fuhrleistungen bei der Teilnehmergemeinschaft gebeten. Auf Antrag des Rechnungsführers der Beigeladenen vom 29.3.1965, in dem die Vollstreckbarkeit der Forderung bescheinigt wurde, pfändete die Kreiskasse des Beklagten als Vollstreckungsbehörde eine Forderung des Klägers auf Gasölbetriebsbeihilfe in Höhe der geltend gemachten Forderung nebst Kosten der Beitreibung und überwies sie der Beigeladenen zur Einziehung.
Die Revision ist begründet. Die Vollstreckungsmaßnahme des Beklagten ist unzulässig, weil es an einer vollstreckbaren öffentlich-rechtlichen Geldforderung mangelt.
Für das Ergebnis des vorliegenden Falles kann dahinstehen, ob die Streitigkeit dem landesrechtlich geregelten Verwaltungszwangsverfahren zuzuordnen ist oder eine flurbereinigungsrechtliche Streitigkeit zur Entscheidung steht.
In beiden Fällen hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden.
Neigt man der Auffassung zu, daß es sich um eine Streitigkeit aus dem Gebiet des Verwaltungsvollstreckungsrechts handelt, dann wäre zwar die Klage statt bei dem Flurbereinigungsgericht bei dem zuständigen Verwaltungsgericht I. Instanz zu erheben gewesen (§ 45 VwGO).
In diesem Falle müßte das angefochtene Urteil durch das Revisionsgericht wegen der sachlichen Unzuständigkeit des angerufenen Flurbereinigungsgerichts aufgehoben werden. Das Revisionsgericht hat dann aber in der Sache selbst zu entscheiden, wenn - was hier der Fall ist - die Voraussetzungen des § 565 Abs. 3 Nr. 2 und Abs. 4 ZPO vorliegen. Die nach § 173 VwGO entsprechende Anwendbarkeit der angezogenen zivilprozessualen Vorschriften hat der Senat unter eingehender Würdigung der im Schrifttum vertretenen Auffassungen bereits in seinem Urteil in BVerwGE 19, 204 (212, 213) bejaht.
Folgt man der Auffassung der Vorinstanz, daß die angegriffene Maßnahme als im Vollzug des Flurbereinigungsgesetzes ergangen ist, dann ist nach § 140 Satz 1 FlurbG die sachliche Zuständigkeit des angerufenen Flurbereinigungsgerichts gegeben. In Betracht käme die erste Alternative dieser Zuständigkeitsregelung (Beschluß vom 17.1.1956 - BVerwG I C 195.55 - und Urteile vom 20.2.1959 - BVerwG VII C 50.57 -, vom 21.10.1960 - BVerwG VII C 249.59 - (KomStZ 1961, 54), vom 18.11.1960 - BVerwG VII C 184.57 - (NJW 1961, 332 = DVBl. 1961, 134)). Ist aber die Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts gegeben, hat der erkennende Senat auf die Revision zur Sache zu entscheiden.
Hier ist von Folgendem auszugehen: Die Zuständigkeit der Flurbereinigungsbehörde als Vollstreckungsbehörde ist mit der rechtskräftigen Schlußfeststellung des durchgeführten Umlegungsverfahrens von R. weggefallen. Nach Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens gehen die Befugnisse der Flurbereinigungsbehörde auf die Gemeindeaufsichtsbehörde über (§ 151 Satz 3 FlurbG). Das ist nach der auf Landesrecht beruhenden Feststellung des Flurbereinigungsgerichts der Beklagte, der damit als Vollstreckungsbehörde an die Stelle der Flurbereinigungsbehörde getreten ist. Hat die Gemeindeaufsichtsbehörde als zuständige Vollstreckungsbehörde die angegriffene Vollstreckungsmaßnahme erlassen, dann ist sie auch der richtige Beklagte für das geltend gemachte Begehren.
Voraussetzung für die Rechtsmäßigkeit der angegriffenen Vollstreckungsmaßnahme des Beklagten ist die Vollstreckbarkeit der von der Beigeladenen beanspruchten Geldforderung. Eine Geldforderung ist nach den anzuwendenden landesrechtlichen Vorschriften im Verwaltungszwangsverfahren dann vollstreckbar, wenn es sich um eine öffentlich-rechtliche Geldforderung handelt, die vom Pfändungsgläubiger rechtswirksam durch Verwaltungsakt gegen den Schuldner festgesetzt worden ist. Entgegen der Auffassung des Flurbereinigungsgerichts fehlt es hier jedoch an einer von der Beigeladenen rechtswirksam durch Verwaltungsakt gegen den Kläger festgesetzten öffentlich-rechtlichen Geldforderung.
Nach § 19 Abs. 1 Satz 1 FlurbG kann eine Teilnehmergemeinschaft die Teilnehmer zu Beiträgen in Geld oder in Sachen, Werten, Diensten oder in anderen Leistungen (Sachbeiträge) heranziehen. Die Beiträge werden durch Heranziehungsbescheide festgesetzt, durch die die Beitragspflicht der Teilnehmer konkretisiert wird. Das Vorliegen eines dahin gehenden, an den Kläger gerichteten und diesen verpflichtenden Heranziehungsbescheides der Teilnehmergemeinschaft konnte weder im Vorverfahren noch im gerichtlichen Verfahren nachgewiesen werden. Vielmehr hat das Flurbereinigungsgericht die vom Rechnungsführer ausgestellte Rechnung als Heranziehungsbescheid angesehen und als verpflichtenden Verwaltungsakt qualifiziert. Dieser Auffassung kann nicht beigetreten werden, weil darin die an einen Verwaltungsakt zu stellenden Anforderungen verkannt werden. Als Prozeßrechtsbegriff der VwGO, die über § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG hier Anwendung findet, gehört der Verwaltungsakt auch dem Prozeßrecht an und unterliegt deshalb der revisionsgerichtlichen Prüfung (vgl. BVerwGE 1, 39; 2, 40; 3, 258 und 265; 4, 68 und 6, 149). Die Rechnung des Rechnungsführers der Beigeladenen, der nicht Mitglied des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft ist, enthält keine hoheitlich verbindliche Regelung eines Einzelfalles. Daß der behauptete Zahlungsanspruch dem öffentlichen Recht zugeordnet werden könnte, reicht hierfür nicht aus. Nach dem in der Rechnung erklärten Willen, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte, sollte darin keine verbindliche Regelung dergestalt getroffen werden, daß nach Unanfechtbarwerden des in Rechnung gestellten Betrages die Leistungspflicht des Klägers grundsätzlich nicht mehr in Frage gestellt, sondern notfalls mit Verwaltungsmitteln durchgesetzt werden dürfte. Vielmehr handelt es sich hier lediglich um eine Zahlungsaufforderung, wie sie einer Zahlungsklage vorauszugehen pflegt (zur Abgrenzung einer Zahlungsaufforderung gegenüber einem Leistungsbescheid im Beamtenrecht vgl. Urteil vom 26.4.1968 - BVerwG VI C 113.67 - (BVerwGE 29, 310/312) und einer Rechnung - Zahlungsaufforderung - gegenüber einem Abgabenbescheid vgl. Urteil vom 12.1.1973 - BVerwG VII C 3.71 - (KomStZ 1973, 122)). Die Anführung eines (angeblichen) Beschlusses (der Teilnehmergemeinschaft) über die Zustellung der Rechnung ersetzt keinen Verbindlichkeitsausspruch, sondern setzt einen solchen voraus. Gegenüber dem Kläger konnte weder ein Heranziehungsbescheid festgestellt noch ein die Verpflichtung des Klägers mitumfassender Beschluß der Teilnehmergemeinschaft nachgewiesen werden.
Fehlt es an einem für die Vollstreckbarkeit der Geldforderung erforderlichen (rechtswirksamen unanfechtbaren) Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger, dann ist nach landesrechtlichem Verwaltungsvollstreckungsgesetz die vom Beklagten durchgeführte Vollstreckungsmaßnahme mangels der erforderlichen Voraussetzung unzulässig. Zur Feststellung dieser Rechtsfolge bedarf es keiner Zurückverweisung an das Flurbereinigungsgericht.
Die Unzulässigkeit der angegriffenen Vollstreckungsmaßnahmen würde auch dann gegeben sein, wenn der angeführten Rechnung eine verbindliche Zahlungsaufforderung hinsichtlich einer im öffentlichen Recht wurzelnden Forderung entnommen werden könnte. Der regelnde Verpflichtungsausspruch würde danach vom Rechnungsführer unmittelbar herrühren. Dessen Willensäußerung könnte jedoch dem hier in Betracht kommenden Träger hoheitlicher Gewalt, für den sie bekundet werden sollte, deswegen nicht zugerechnet werden, weil der Rechnungsführer nicht als Organ der Teilnehmergemeinschaft bestellt ist. Die Rechnung konnte danach nicht als Verwaltungsakt angesehen werden.
Da nicht erheblich werden kann, inwieweit materielle Einwendungen gegen die der Vollstreckung zugrunde liegende Forderung die Rechtmäßigkeit der Vollstreckungsmaßnahme beeinträchtigen könnte, kann auch dahinstehen, daß die Teilnehmergemeinschaft im vorliegenden Fall eine Heranziehung zu Beiträgen der in der Rechnung vorgesehenen Art schon deswegen nicht mehr hätte veranlassen können, weil in der rechtskräftigen Schlußfeststellung ein Fortbestehen der Teilnehmergemeinschaft ausdrücklich nur noch zum Zwecke der Erfüllung der aus Darlehensverträgen sich ergebenden Verbindlichkeiten festgelegt ist. Denn zur Ausführung nach dem Plan gemäß § 149 Abs. 1 Satz 1 FlurbG (§ 145 Abs. 1 RUO) gehört auch, daß die Teilnehmer ihre Leistungspflichten gegenüber der Teilnehmergemeinschaft erfüllt, insbesondere alle Zahlungen geleistet haben, bevor das Verfahren durch die Schlußfeststellung abgeschlossen werden darf.