Oberlandesgericht Nürnberg, Urteil vom 12.06.1963 - 4 U 4/62 = RdL 1963 S. 324

Aktenzeichen 4 U 4/62 Entscheidung Urteil Datum 12.06.1963
Gericht Oberlandesgericht Nürnberg Veröffentlichungen RdL 1963 S. 324  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Haftung der Teilnehmergemeinschaft für die Beschädigung eines Fernkabels, die bei den von der Teilnehmergemeinschaft in eigener Regie durchgeführten Dränagearbeiten durch einen Bagger verursacht ist.

Aus den Gründen

Wie das LG zutreffend ausgeführt hat, haftet die Beklagte für die Beschädigung des der Klägerin gehörenden Fernmeldekabels nach § 823 I BGB.

Die Beklagte führte die Dränagearbeiten nach ihrem eigenen Vortrag in eigener Regie durch. Sie ließ durch die Firma R. die Dränagegräben ausheben und sie hatte durch Beschluß ihres Vorstandes vom 5.2.1957 den Landwirt Sch., ein Mitglied der Teilnehmergemeinschaft, zum Vertreter des Vorstandsmitglieds St. als Wegebaumeister bestellt und mit der Leitung der Arbeiten betraut. Bei diesen Aushubarbeiten auf dem Grundstück des Zeugen V. und zwar auf dem Flurstück Nr. 644 innerhalb der Schutzzone beschädigte ein Baggerführer der Firma R. mit dem Löffelbagger das Fernmeldekabel der Klägerin. Die Beschädigung war ein widerrechtlicher Eingriff in das Eigentum der Klägerin; denn sie war durch kein Recht gerechtfertigt. Sie wäre bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt durch die Beteiligten vermieden worden.

Unstreitig wußte sowohl der Baggerführer als auch der Wegebaumeister Sch., daß die Ferngasleitung mit dem Fernmeldekabel der Klägerin in dem 10 m breiten Schutzstreifen auf dem Grundstück des Zeugen V. verlief. Das war auch einem größeren Personenkreis bekannt, wie sich aus den Aussagen der Zeugen entnehmen läßt. Da die Gasleitung erst im Jahre zuvor verlegt worden war und die Verhandlungen darüber in Versammlungen der beteiligten Grundstückseigentümer geführt worden waren, kann davon ausgegangen werden, daß auch die Mitglieder des Vorstandes der Teilnehmergemeinschaft davon Kenntnis erhalten haben, da sie mindestens zum Teil auch von der Leitung betroffen waren. Niemand wußte aber genau, in welcher Tiefe die Leitung und das Kabel verlegt waren. Die Behauptung der Beklagten, daß die Vertreter der Klägerin dem Zeugen V. zugesichert hätten, die Leitung werde in 2 m Tiefe verlegt werden, ist durch die Beweisaufnahme nicht bestätigt worden.

Vor Beginn jeder Aushubarbeit in dem Schutzstreifen hätte deshalb die genaue Tiefe der Leitung festgestellt werden müssen. Man durfte sich nicht darauf verlassen, daß die Leitung nicht berührt werden würde. Man durfte auch nicht damit rechnen, daß sie überall gleich tief liegen würde; daß man auch bei weiteren Überquerungen keinen Schaden anrichten würde.

Die Pflicht, die hiernach erforderlichen Feststellungen zu treffen, oblag dem Vorstand der Beklagten als Bauherrn. Er hatte die ausführenden Personen, den Wegebaumeister Sch. und den Baggerführer, mit den erforderlichen Weisungen zu versehen. In welcher Weise er die Feststellungen traf, war seinem Ermessen überlassen. Er konnte die Tiefe der Leitung an den Überquerungsstellen durch vorsichtiges Aufgraben oder auf andere Weise feststellen lassen oder bei einer Stelle, die darüber zuverlässig Auskunft geben konnte, Erkundigungen einziehen. Eine Anfrage bei der Klägerin war zweifellos die zuverlässigste Quelle; denn die Klägerin als Eigentümerin der Gasleitung und des Kabels hatte die Pläne mit den erforderlichen Tiefenangaben zur Verfügung. Die Annahme der Beklagten, daß auch die Klägerin über die verschieden tiefe Verlegung der Leitung nicht unterrichtet gewesen wäre, weil darin eine unsaubere und unfachgemäße Verlegung zu erblicken wäre, ist nicht stichhaltig. Die Klägerin hat, wie bereits erwähnt, selbst vorgetragen, daß die Anlage der Leitung und die Beschaffenheit des Bodens mitunter eine verschieden tiefe Verlegung erfordern, daß sie aber darüber unterrichtet sei. Hätte die Beklagte von der Klägerin eine unrichtige Auskunft bekommen und wäre dann ein Schaden eingetreten, so hätte die Klägerin von der Beklagten keinen Schadensersatz verlangen können. Wenn die Beklagte aber jede Erkundigung darüber, wie tief die Rohre und das Kabel verlegt seien, unterließ, so handelte sie fahrlässig (§ 276 BGB).

Diese Unterlassung war für den Eintritt des Schadens ursächlich; denn bei genügender Erkundigung oder anderweitiger Feststellung wäre die Arbeit an der betreffenden Stelle unter Beachtung der erforderlichen Vorsichtsmaßregeln ausgeführt und die Beschädigung des Kabels vermieden worden.

Für das Verschulden ihres Vorstandes haftet die Beklagte nach den §§ 31, 89 BGB.

Die Voraussetzungen des § 823 I BGB sind daher erfüllt.

Die Beklagte haftet aber auch noch aus einem anderen Rechtsgrunde für die Beschädigung des Kabels.

Sie hatte den Zeugen Sch. zum stellvertretenden Wegebaumeister bestellt und mit der örtlichen Leitung der Arbeiten beauftragt. In dieser Eigenschaft war Sch. verpflichtet, alles zu tun, um Beschädigungen des Kabels und der Gasleitung, deren Vorhandensein ihm bekannt war, zu vermeiden. Er hätte den Baggerführer innerhalb des Schutzstreifens nicht mit dem Bagger arbeiten lassen dürfen, solange er nicht genau wußte, wo die Leitung und das Kabel verliefen. Er hätte deshalb die oben erwähnten Maßnahmen zur Feststellung des Verlaufs und der Tiefe dieser Einrichtungen treffen müssen. Da er das nicht getan hat, hat er fahrlässig gehandelt und die Ursache für die Beschädigung des Kabels gesetzt.

Es kann dahingestellt bleiben, ob er bei der Leitung der Dränagearbeiten hoheitliche Aufgaben des Vorstandes ausgeübt hat, wie die Beklagte meint oder ob er nur auf privatrechtlichem Gebiet tätig geworden ist. Im ersten Falle hat er fahrlässig eine Amtspflicht verletzt, die ihm der Klägerin gegenüber oblag, weil sie als dinglich Berechtigte zu den Nebenbeteiligten des Flurbereinigungsverfahrens im Sinne des § 10 Ziff. 2 FlurbG gehörte. Dafür würde er der Klägerin nach § 839 BGB haften. An seiner Stelle würde die Haftung aber nach Art. 34 GG die Beklagte treffen, in deren Dienst er stand. Im zweiten Falle würde er - ohne daß es auf sein Verschulden ankäme - die widerrechtliche Beschädigung des Eigentums der Klägerin verursacht haben und für die Unterlassung ihres Verrichtungsgehilfen müßte die Beklagte nach § 831 Abs.1 S. 1 BGB eintreten.

Die Beklagte kann sich auch nicht darauf berufen, daß sie die Bauleitung und Bauaufsicht dem Wasserwirtschaftsamt übertragen habe. Ihr eigener Vortrag ist insofern widerspruchsvoll, als sie in ihrem Schriftsatz vom 3.2.1962 vorgetragen hat, sie habe als Körperschaft des öffentlichen Rechts die erforderlichen Dränagearbeiten in eigener Regie durchgeführt, während sie im nächsten Satz ausgeführt hat, sie habe die Bauleitung und Bauaufsicht dem Wasserwirtschaftsamt übertragen. Bei diesem Widerspruch muß sie sich an dem Vortrag, daß sie in eigener Regie gehandelt habe, festhalten lassen. Aber selbst wenn sie das Wasserwirtschaftsamt beauftragt hätte, wäre auch dieses nur ihr Verrichtungsgehilfe und da auch dieses die erforderlichen Erkundigungen unterlassen hat, müßte die Beklagte auch für dessen Unterlassung haften (§ 831 Abs. 1 S. 1 BGB).

Der Entlassungsbeweis für den Zeugen Sch. oder für das Wasserwirtschaftsamt steht der Beklagten nicht zu, weil sie selbst ihre Sorgfaltspflicht bei der Leitung der Arbeiten außer acht gelassen hat (§ 831 Abs. 1 S. 2 BGB).

Die Beklagte muß daher den der Klägerin entstandenen Schaden in jedem Falle ersetzen.