Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 09.03.1989 - 7 S 1484/88 = AgrarR 1990, 299

Aktenzeichen 7 S 1484/88 Entscheidung Urteil Datum 09.03.1989
Gericht Flurbereinigungsgericht Mannheim Veröffentlichungen AgrarR 1990, 299  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Unter den Teilnehmern eines Flurbereinigungsverfahrens besteht hinsichtlich der Vereinbarungen, die sie über Einlageflurstücke während des Verfahrens untereinander schließen, kein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis.
2. Der flurbereinigungsrechtliche Abfindungsanspruch ist beim Landabfindungsverzicht zugunsten Dritter ein eigentumsrechtliches Anwartschaftsrecht für den begünstigten Dritten.

Aus den Gründen

Der Kläger stützt den geltend gemachten Zahlungsanspruch auf private vermögensrechtliche Vereinbarungen der Beteiligten, die aus Anlaß eines behaupteten Verlöbnisses getroffen worden sein sollen und besser nicht im Flurbereinigungsverfahren, sondern notariell beurkundet worden wären. Unter den Teilnehmern eines Flurbereinigungsverfahrens besteht hinsichtlich der Vereinbarungen, die sie über Einlageflurstücke während des Verfahrens untereinander schließen (vgl. § 15 FlurbG), kein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch ist deshalb kein öffentlichrechtlicher Erstattungsanspruch, sondern ein privatrechtlicher Bereicherungsanspruch. Der Senat ist jedoch gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 41 Abs. 2 VwGO an die rechtskräftige Entscheidung des Landgerichts Ravensburg vom 29.12.1987 gebunden, daß der ordentliche Rechtsweg nicht gegeben ist.

Die Klage ist nur in Höhe von 8 505,-- DM begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte als Gesamtgutverwalter der mit seiner Ehefrau bestehenden Gütergemeinschaft in dieser Höhe einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB 2. Alternative (sog. "condictio causa data causa non secuta"). In der am 20.02.1978 von der Flurbereinigungsbehörde protokollierten Vereinbarung hat der Kläger der Beklagten einen flurbereinigungsrechtlichen Abfindungsanspruch abgetreten (§ 413 BGB), der ein eigentumsrechtliches Anwartschaftsrecht darstellt. Der dabei beiderseits vorausgesetzte Zweck einer Heirat der Kinder ist nicht eingetreten und dadurch hat die Beklagte zu Unrecht eine Bereicherung in der genannten Höhe erlangt.

Bei der zwischen den Beteiligten geschlossenen Vereinbarung vom 20.02.1978 handelt es sich nicht um einen Tauschvertrag i. S. v. § 515 BGB, denn trotz der dahingehenden Bezeichnung im Wunschterminsprotokoll zeigt die ausdrücklich ausgeschlossene Absicht einer notariellen Beurkundung, daß eine rechtsgeschäftliche Eigentumsübertragung der genannten Einlageflurstücke nicht gewollt war; gerade diese hätte gemäß §§ 873, 925 BGB der notariellen Form bedurft. Die Beteiligten wollten vielmehr unter Beurkundungskosten ersparender Ausnutzung der bevorstehenden flurbereinigungsrechtlichen Neugestaltung der Beklagten Eigentum an einem auf der Fläche des Einlageflurstücks 1399 zu bildenden Abfindungsflurstück (später Nr. 552) verschaffen und die Beklagte darüber hinaus auf Kosten des Klägers von dem wegen der zu erwartenden Mehrausweisung festzusetzenden Geldausgleich (§ 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG) freihalten. Zur Förderung dieser gemeinsamen Absicht hat die Beklagte im Termin nach § 57 FlurbG den Wunsch erklärt, in der Lage des Einlageflurstücks 1399 des Klägers abgefunden zu werden und der Kläger hat sich mit dieser Gestaltung ihrer Abfindung einverstanden erklärt, wodurch er mit einer späteren Gestaltungsrüge hinsichtlich seiner eigenen Abfindung insoweit ausgeschlossen werden sollte. Ebenso sollte der fingierte Tausch von Einlageflurstücken die abfindungsrechtliche Position der Beklagten verbessern, weil Abfindung im Einlagestand der Flurbereinigungsbehörde eine relativ unproblematische Ausübung des Gestaltungsermessens ermöglicht. Ob ein fingierter Tausch tatsächlich bei Ausübung des Gestaltungsermessens zu berücksichtigen ist, bedarf hier keiner Entscheidung, weil der Flurbereinigungsplan für die Beteiligten unanfechtbar ist.

Die Beteiligten haben außerdem vereinbart, daß der Wertunterschied der fiktiv getauschten Einlageflurstücke "nicht in Geld ausgeglichen werden soll". Damit sollte der Beklagten der reale Mehrwert des Einlageflurstücks 1399 - transformiert in einen dem Mehrwert entsprechenden flurbereinigungsrechtlichen Abfindungsanspruch - zugewendet werden mit der Folge, daß der Beklagten das neu zu bildende Flurstück 552 ohne Geldausgleich zugeteilt werden konnte.

Zwar ergab sich im Zeitpunkt der Vereinbarung vom 20.02.1978 scheinbar noch ein Minderwert von 1,37 WE auf seiten der Beklagten, da das Einlageflurstück 1399 noch mit 9,27 WE bewertet war, wohingegen der Kläger 10,64 WE erhielt. Jedoch war den Beteiligten die unmittelbar bevorstehende Neubewertung des Einlageflurstücks 1399, die am 20.04.1978 einen Verkehrswert von 22,46 WE ergab, bekannt und gerade dem sollte mit der Vereinbarung Rechnung getragen werden. Das folgt aus den überzeugenden Aussagen der im Hinblick auf den Ausgang des Rechtsstreits unbeteiligten Zeugen. Diese beiden Beamten des Flurbereinigungsamtes R. haben übereinstimmend bekundet, daß es sich bei dem Flurstück 1399 um gewerbliches Bauland gehandelt und der Kläger in der Vereinbarung einen Abfindungsverzicht zugunsten der Beklagten vorgenommen hat. Der Zeuge S. sagte weiterhin aus, daß am 20.02.1978 allen Beteiligten bekannt gewesen ist, daß alsbald eine Höherbewertung des Flurstücks 1399 erfolgen werde. Der Zusatz in der Vereinbarung, wonach der Kläger mit vorstehender Regelung unwiderruflich einverstanden ist, sei sogar gerade wegen dieses Wertunterschiedes aufgenommen worden. Die durch diese Vereinbarung vom 20.02.1978 einleuchtend erklärenden Aussagen gewonnene Überzeugung des Senats wird durch die Aussage des Zeugen M., Ehemann der Beklagten, nicht erschüttert. Seine Behauptung, "er habe kein gewinnbringendes Geschäft gemacht", ist mit den realen Wertverhältnissen, die zur Neubewertung des Einlageflurstücks 1399 geführt haben, unvereinbar und läßt sein Interesse am Ausgang des Rechtsstreits offenbar werden.

Rechtlich stellt sich die von den Beteiligten gewollte Vermögensverschiebung als Abtretung (§ 413 BGB) eines der Differenz von 22,46 WE - 10,64 WE = 11,82 WE entsprechenden flurbereinigungsrechtlichen Abfindungsanspruchs dar, was nach dem Abzug in Höhe von 4 v. H. für die gemeinschaftlichen Anlagen etc. (§ 47 FlurbG) 11,34 WE ergeben hat. Der Kläger hat in diesem Umfang also nicht nur zugunsten der Beklagten nach Maßgabe von § 52 FlurbG auf Landabfindung verzichtet, sondern der Beklagten darüber hinaus den Wert des aus dem Landabfindungsverzicht resultierenden Geldausgleichs zugewendet, was zusammen den Abfindungsanspruch ausmacht. Die Flurbereinigungsbehörde hat die unmittelbar zwischen dem Kläger und der Beklagten vereinbarte Abtretung als wirksam angesehen und hat demgemäß dem Flurbereinigungsplan einen um 11,34 WE geminderten Abfindungsanspruch des Klägers und einen um 11,34 WE erhöhten Anspruch der Beklagten zugrundegelegt.