Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 12.01.1977 - 100 XIII 76

Aktenzeichen 100 XIII 76 Entscheidung Urteil Datum 12.01.1977
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Auch im Flurbereinigungsverfahren gilt der Grundsatz, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren im allgemeinen als zweckdienlich anzusehen ist.

Aus den Gründen

Der Beschwerdebescheid vom 30.9.1975 ist dahin zu ergänzen, daß die Zuziehung eines anwaltschaftlichen Bevollmächtigten im Beschwerdeverfahren notwendig war.

Die Verpflichtung der Kläger als Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens, der Körperschaft des öffentlichen Rechts, der sie selbst angehören, keine unnötigen Kosten zu verursachen, hindert sie nicht grundsätzlich daran, im Rechtsmittelverfahren die Hilfe eines Rechtsanwalts in Anspruch zu nehmen. Zwar ist mit dem Beklagten davon auszugehen, daß - wie im Verfahren vor einer Umlegungsbehörde (vgl. BGH, Urteil vom 19.9.1974, NJW 75, 52) - im Flurbereinigungsverfahren zunächst kein echter Interessengegensatz zwischen dem einzelnen Teilnehmer und der Teilnehmergemeinschaft besteht. Das Verfahren wird dem Zweck des § 1 FlurbG entsprechend im Interesse der Teilnehmer durchgeführt; diese sind über ihre Wünsche vor der Aufstellung des Flurbereinigungsplanes zu hören (§ 57 FlurbG). Ist jedoch der Flurbereinigungsplan erstellt und bekanntgemacht, ist es sehr wohl möglich, daß die Interessen des einzelnen Teilnehmers und seine Vorstellungen über die Gestaltung seiner Landabfindung oder sonstige Planfestsetzungen mit den Interessen der Teilnehmergemeinschaft, die ja zugleich Flurbereinigungsbehörde ist (vgl. Art. 3 Abs. 1 AGFlurbG), nicht mehr übereinstimmen. Im Rechtsmittelverfahren vor dem Spruchausschuß oder vor dem Gericht kann der Teilnehmer eine Änderung seiner Abfindung erreichen, wenn die Teilnehmergemeinschaft tatsächlich seine berechtigten Interessen verletzt hat, also ein echter Interessengegensatz bestand. In diesem Stadium des Flurbereinigungsverfahrens kann daher nicht davon ausgegangen werden, der Grundsatz, daß die Zuziehung eines Rechtsanwalts im Vorverfahren im allgemeinen als zweckdienlich anzusehen sei, gelte nicht uneingeschränkt.

Im vorliegenden Fall war es den Klägern nicht zuzumuten, das Beschwerdeverfahren vor dem Spruchausschuß ohne anwaltschaftliche Hilfe durchzuführen.

Für die nach Art. 16 Abs. 3 Satz 2 AGVwGO zu treffende Entscheidung gelten die Grundsätze, welche in der Rechtsprechung zu der gleichlautenden Vorschrift des § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO entwickelt worden sind. Hiernach ist darauf abzustellen, ob dem Widersprechenden nach seinen persönlichen Verhältnissen zugemutet werden konnte, das Vorverfahren allein zu betreiben; die Frage ist zu beurteilen vom Standpunkt einer verständigen Partei aus und nicht aus der Sicht einer rechtskundigen Person (vgl. Eyermann-Fröhler, VwGO, Rd. Nr. 12 zu § 162 VwGO).

Die Kläger hatten zwar in ihrem Schreiben vom 26.1.1975, auf das sie zur Begründung ihrer im Anhörungstermin vom 6.2.1975 vorgebrachten Beschwerde verwiesen, alle Punkte angesprochen, welche ihrer Meinung nach die Wertgleichheit ihrer Abfindung in Frage stellten. Nachdem der Vorstand der Beklagten der Beschwerde in der Sitzung vom 25.2.1975 in wesentlichen Punkten nicht abgeholfen hatte, und die Kläger insbesondere die Verkleinerung ihres Grundbesitzes nicht hinnehmen wollten, war es von ihrem Standpunkt aus jedoch verständlich, daß sie glaubten, zur Erreichung ihres Beschwerdezieles nunmehr anwaltschaftliche Hilfe in Anspruch nehmen zu müssen. Es war ihnen nicht zuzumuten, ihre Einwendungen gegen den ihnen unverständlich hoch erscheinenden Flächenverlust und die Gestaltung ihres um den Hof gelegenen Grundbesitzes nicht noch durch einen Rechtsanwalt klarstellen und begründen zu lassen.