Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 10.07.1973 - 167 VII 64 = AgrarR 1973 S. 399
Aktenzeichen | 167 VII 64 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 10.07.1973 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | = AgrarR 1973 S. 399 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Einschränkung des § 147 Abs. 4 FlurbG, nach der die Gebühren eines Rechtsanwalts nur insoweit erstattungsfähig sind, als sie für die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung vor dem Flurbereinigungsgericht zu zahlen sind, hat gebührenrechtlichen Bezug. |
2. | Die Frage der Erstattungsfähigkeit der Beweisgebühr ergibt sich aus der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte. |
Aus den Gründen
Auf Anordnung des Vorsitzenden des Flurbereinigungsgerichts gemäß § 143 FlurbG wurde am 8.4.1965 eine Ortsbesichtigung durchgeführt, an welcher Rechtsanwalt Dr. Dr. W. als Bevollmächtigter der Kläger teilnahm; die mündliche Verhandlung fand am 9.4.1965 statt. Im Urteil vom 14.7.1965 wurden der Beklagten drei Viertel der Kosten auferlegt.
Der Urkundsbeamte des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs lehnte mit Kostenfestsetzungsbeschluß vom 3.1.1968 den Antrag der Bevollmächtigten der Kläger auf Festsetzung einer Beweisgebühr sowie der durch die Wahrnehmung des Augenscheintermins verursachten anwaltschaftlichen Auslagen unter Bezug auf § 147 Abs. 4 FlurbG ab. Die klägerischen Bevollmächtigten beantragten daraufhin rechtzeitig gemäß § 165 VwGO die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts; sie vertreten die Ansicht, daß bei der gebotenen weiten Auslegung des § 147 Abs. 4 FlurbG die Beweisgebühr erstattungsfähig sei. Die Beklagte wandte sich gegen eine so weitgehende Auslegung.
Der VII. Senat des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs erließ am 5.1.1970 einen Vorlagebeschluß, in dem die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber erholt werden sollte, ob die Bestimmung des § 147 Abs. 4 FlurbG mit Art. 3 des Grundgesetzes vereinbar ist.
Der Vorlagebeschluß vom 5.1.1970 ist aufzuheben und der Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluß des Urkundsbeamten des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs vom 3.1.1968 stattzugeben.
1. Das Gericht ist nach erneuter Prüfung der Rechtslage zum Ergebnis gekommen, daß die Frage der Erstattungsfähigkeit der Beweisgebühr sich aus der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte - BRAGebO - vom 26.7.1957 (BGBl. I S. 907) beantwortet und im gegebenen Fall nicht durch § 147 Abs. 4 FlurbG eingeschränkt ist. Darauf, ob diese Vorschrift verfassungskonform ist, kommt es demnach für die Entscheidung nicht an (Art. 100 GG, § 80 BVerfGG).
Die Einschränkung des § 147 Abs. 4 FlurbG, nach der die Gebühren eines Rechtsanwalts nur insoweit erstattungsfähig sind, als sie für die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung vor dem Flurbereinigungsgericht zu zahlen sind, hat gebührenrechtlichen Bezug. Welche Gebühren des Rechtsanwalts für die Wahrnehmung der mündlichen Verhandlung anfallen, regelt § 53 BRAGebO. In dieser Vorschrift, die nach § 114 Abs. 1 BRAGebO sinngemäß für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten gilt, sind die gebührenrechtlichen Ansprüche des Rechtsanwalts genannt, dem die Partei nur für die mündliche Verhandlung die Vertretung oder die Ausführung der Parteirechte übertragen hat. § 147 Abs. 4 FlurbG stellt ersichtlich auf diese Bestimmung ab; hierin besteht und erschöpft sich seine einschränkende Wirkung. Dabei ist das zeitlich spätere Inkrafttreten der BRAGebO ohne Belang, weil bereits bei Erlaß des Flurbereinigungsgesetzes die inhaltsgleiche Regelung des § 43 der Reichsgebührenordnung für Rechtsanwälte vom 7.7.1879 gebührenrechtlich in fast allen Bundesländern galt. Zudem hat die Auslegung der gebührenrechtlichen Vorschriften der fortschreitenden Rechtsentwicklung zu folgen.
Nach § 53 BRAGebO erhält der Rechtsanwalt eine Beweisgebühr, wenn sich seine Vertretung auf eine mit der mündlichen Verhandlung verbundene Beweisaufnahme erstreckt. § 147 Abs. 4 FlurbG kann demnach für die Zuerkennung der Beweisgebühr nur dann hindernde Wirkung haben, wenn die Beweisaufnahme außerhalb der mündlichen Verhandlung stattfindet. Abweichend von der Auffassung des vorlegenden Senats hält der nunmehr zuständige Spruchkörper die nach § 53 BRAGebO gebotene Verbindung des am 8.5.1965 durchgeführten Augenscheins zur mündlichen Verhandlung für gegeben.
2. Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung (§ 96 Abs. 1 VwGO). Das bedeutet, daß die Verhandlung wie die Beweiserhebung unmittelbar gegenüber und vor dem erkennenden Gericht zu erfolgen haben (Eyermann-Fröhler, 5. Auflage, Rd. Nr. 1 zu § 96 VwGO). Die Verfahrensbestimmungen legen zudem fest, daß kraft Gesetzes eine Beweisaufnahme vor dem Prozeßgericht zugleich zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung bestimmt ist (§ 98 VwGO, § 370 Abs. 1 ZPO). Dies gilt ebenso für den Augenschein (Wieczorek, Abschnitt A I zu § 370 ZPO, Baumbach-Lauterbach, Anm. 1 zu § 370 ZPO), der auch außerhalb der Gerichtsstelle eingenommen werden kann (Wieczorek a.a.O., Eyermann-Fröhler, Rd. Nr. 6 bei § 96 VwGO). Diese gesetzliche Verbindung von Beweisaufnahme und Verhandlung ist bei der Auslegung des § 53 BRAGebO zu beachten. Nur wenn ein ersuchter oder beauftragter Richter diese Beweisaufnahme durchführt (§ 96 Abs. 2 VwGO), oder sie der Vorsitzende zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung anordnet und ausführt (§ 87 Satz 2 VwGO, § 272 b Abs. 2 Nr. 5 ZPO), geschieht dies außerhalb der mündlichen Verhandlung (vgl. Schunck-De Clerck zu § 96 VwGO). Diese Ausnahmefälle liegen hier nicht vor. Die Beweisaufnahme durch das vollbesetzte Gericht sowie die gleichzeitige Anordnung und die enge zeitliche Verbindung zeigen, daß dem Grundsatz, den Augenschein mit der mündlichen Verhandlung zu verbinden (§ 87 VwGO, § 272 b Abs. 3 ZPO), entsprochen ist. Die in § 53 BRAGebO genannten Voraussetzungen liegen vor. Da die Beweisgebühr nach § 53 BRAGebO für die Teilnahme an der Beweisaufnahme und nicht für die Vertretung im Beweisaufnahmeverfahren verdient wird (Lauterbach, Kostengesetz, Anm. 2 C zu § 53 BRAGebO), bestehen keine Bedenken, sie auch zuzuerkennen. Daß der Augenschein vom 8.4.1965 als Beweiserhebung im Sinne des § 31 BRAGebO zu bewerten ist, hat bereits der vorlegende Senat erkannt. Davon abzugehen besteht kein Anlaß.Anmerkung
Durch Urteil vom 16.8.1973 - 206 VII 68 = RdL 1974 S. 83 hat sich der XIII. Senat des BayVGH München ebenfalls zur Erstattungsfähigkeit der Beweisgebühr bekannt.