Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 12.07.1962 - I C 89.61 = RdL 1962 S. 328
Aktenzeichen | I C 89.61 | Entscheidung | Urteil | Datum | 12.07.1962 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1962 S. 328 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Befugnis des Flurbereinigungsgerichts, eine Streitsache zurückzuverweisen. |
Aus den Gründen
Das Flurbereinigungsgericht geht davon aus, daß das Verfahren bei der Aufstellung des Flurbereinigungsplans wegen der Teilnahme des Beigeladenen an den Verhandlungen der Teilnehmergemeinschaft fehlerhaft gewesen und daher rechtswidrig sei. Es unterstellt hierbei, daß B. nicht durch spätere Zuwahl Mitglied des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft geworden und daß er auch nicht als Sachverständiger gehört worden ist. Bei diesem - von der Beklagten allerdings mit Verfahrensrügen angegriffenen - Sachverhalt ist dem Flurbereinigungsgericht zuzustimmen, daß der Beigeladene sich bei den Verhandlungen des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft hätte zurückhalten und der Einflußnahme auf die Abfindung der Klägerin hätte enthalten müssen. Bei der Aufstellung des Flurbereinigungsplans muß auch der Schein einer unsachlichen Beeinflussung vermieden werden. Ob aber B. die Abfindung der Klägerin tatsächlich nachteilig beeinflußt hat und ob sie in ihren Rechten verletzt worden ist, kann dahingestellt bleiben. Selbst wenn bei der Aufstellung des Neuverteilungsplans in dem vom Flurbereinigungsgericht festgestellten Sinne fehlerhaft verfahren worden wäre, kann die Zurückverweisung der Streitsache an den Spruchausschuß nicht als gerechtfertigt angesehen werden.
Nach § 144 Satz 1 des Flurbereinigungsgesetzes vom 14. Juli 1953 (BGBl. I S. 591) - FlurbG - kann das Flurbereinigungsgericht den angefochtenen Verwaltungsakt ändern oder den Beschwerdebescheid aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an die Beschwerdebehörde zurückverweisen, wenn es die Klage für begründet hält. Von welcher Möglichkeit das Flurbereinigungsgericht Gebrauch macht, steht in seinem Ermessen. Das Flurbereinigungsgericht verkennt aber die Grenzen dieses Ermessens, wenn es bei dem von ihm festgestellten Sachverhalt von der zweiten Entscheidungsmöglichkeit Gebrauch gemacht hat.
Nach dem Wortlaut des § 144 Satz 1 FlurbG scheinen die beiden Alternativen gleichrangig nebeneinander zu stehen. Eine Auslegung der Vorschrift in dieser Richtung würde aber dem Sinn der Vorschrift nicht gerecht. Es muß berücksichtigt werden, daß die Flurbereinigungsverfahren - vor allem wegen der damit verbundenen Belastung und Beschränkung der Eigentümer - beschleunigt durchgeführt werden müssen. Dem Gedanken der Beschleunigung, der in verschiedenen Vorschriften zum Ausdruck kommt, dient neben der abschnittweisen Durchführung des Verfahrens (Urteil vom 24. Februar 1959 - BVerwG I C 160.57 - RdL 1959 S. 221; Beschluß vom 10. August 1961 - BVerwG I CB 133.60 - RdL 1961 S. 324) vor allem das Gebot, daß die nach dem Stande des Verfahrens gerade tätige Behörde begründeten Beschwerden gegen die behördlichen Entscheidungen abhelfen muß (§ 60 Abs. 1 Satz 1, § 141 Abs. 2 Satz 1 FlurbG; Urteile des Senats vom 14. November 1961 - BVerwG I C 73.60 - RdL 1962 S. 83 und vom 25. Mai 1961 - BVerwG I C 102.58 - RdL 1961 S. 274). Die Beschwerdebehörde ist also grundsätzlich nicht berechtigt, eine für fehlerhaft erkannte Entscheidung oder Festsetzung der unteren Behörde lediglich aufzuheben und diese anzuweisen, eine Änderung vorzunehmen. Sie muß vielmehr im Interesse der Beschleunigung des Verfahrens selbst tätig werden. Der Beschleunigungsgedanke gilt aber nicht nur für das behördliche, sondern auch für das gerichtliche Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht (Urteil vom 25. Mai 1961 - BVerwG I C 102.58 - RdL 1961 S. 274). Er kommt u.a. darin zum Ausdruck, daß das Flurbereinigungsgericht - abweichend vom allgemeinen Verwaltungsprozeß - ermächtigt ist, gestaltend in den Flurbereinigungsplan einzugreifen und sachliche Ermessensentscheidungen wie die Behörde zu treffen (BVerwGE 3, 246). Hierdurch ist das Gericht in die Lage versetzt, bei ihm anhängig werdende Verfahren, ohne daß die Behörde erneut mit der Sache befaßt wird, beschleunigt zu einem Abschluß zu bringen. Demgegenüber führt die Zurückverweisung der Streitsache an die Beschwerdebehörde notwendig zu einer Verzögerung des Verfahrens. Der Beteiligte kann, wenn er mit der Entscheidung der Behörde nicht einverstanden ist, erneut das Flurbereinigungsgericht anrufen. Wird es notwendig, andere Beteiligte hinzuzuziehen, so besteht die Möglichkeit, daß auch diese das Flurbereinigungsgericht zusätzlich anrufen. Diese Schwierigkeiten oder möglichen Störungen des Verfahrensablaufs sollen aber nach den für das Flurbereinigungsrecht geltenden Verfahrens- und Rechtsschutzregeln möglichst vermieden werden (vgl. BVerwGE 4, 191 - 194 -, auch BVerwGE 9, 288 - 9, 293 -). Das Flurbereinigungsgericht ist zwar nicht - wie die Behörden nach § 60 Abs. 1 Satz 1, § 141 Abs. 2 Satz 1 FlurbG - in jedem Fall verpflichtet, begründeten Beschwerden gegen den Flurbereinigungsplan abzuhelfen; es muß aber bei der von ihm nach § 144 Satz 1 FlurbG zu treffenden Entscheidung berücksichtigen, daß jede nicht durch besondere Gesichtspunkte gerechtfertigte Verzögerung unterbleiben muß. Das Flurbereinigungsgericht muß, wenn eben möglich, den Rechtsstreit zu einem sachlichen Abschluß führen. Verfahrensmängel des Verwaltungsverfahrens können daher regelmäßig keinen Anlaß zur Zurückverweisung an die Beschwerdebehörde geben, wenn sie nicht derart schwerwiegend sind, daß sie den angefochtenen Verwaltungsakt als nichtig erscheinen lassen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Weiter bleibt zu berücksichtigen: Die Zurückverweisung an die Beschwerdebehörde hat den Sinn, der Behörde die Möglichkeit zu geben, die in der Klage vorgetragenen und vom Flurbereinigungsgericht für begründet erachteten Beschwerden auszuräumen. Das setzt voraus, daß es sich um Mängel handelt, die von der Beschwerdebehörde beseitigt werden können. Im vorliegenden Verfahren sieht das Flurbereinigungsgericht einen Verfahrensmangel darin, daß der Grundsatz der nichtöffentlichen Verhandlung im Verfahren des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft verletzt worden sei. Ein solcher Mangel könnte aber von der Spruchstelle nicht beseitigt werden, da der Vorstand der Teilnehmergemeinschaft nicht mehr mit der Sache befaßt wird. Nach der oben angegebenen Rechtsprechung des Senats ist der Spruchausschuß als Beschwerdeinstanz nicht berechtigt, die Sache dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft zur weiteren Behandlung zuzuleiten. Nur er könnte über die Abfindung der Klägerin neu beschließen. Da er aber im Beschwerdeverfahren die sachlichen Angriffe der Klägerin bereits gewürdigt hat, kann kaum damit gerechnet werden, daß der Spruchausschuß seine Auffassung ändert. Eine rechtliche Verpflichtung hierzu besteht nicht. Zwar hat das Flurbereinigungsgericht in seinem Urteil auch einige sachliche Hinweise für die weitere Behandlung der Streitsache gegeben. Hieran ist aber der Spruchausschuß nicht gebunden, da er nur die Gesichtspunkte, die zur Aufhebung des Planes geführt haben, seiner Entscheidung zugrunde legen muß (§ 144 Satz 2 FlurbG). Für die Aufhebung ist aber allein maßgeblich die nach Auffassung des Flurbereinigungsgerichts fehlerhafte Aufstellung des Flurbereinigungsplans durch den Vorstand der Teilnehmergemeinschaft.
Da die angefochtene Entscheidung somit nicht mit § 144 Satz 1 FlurbG in Einklang steht, mußte sie aufgehoben werden. Es bedurfte keiner Entscheidung, ob der Vorstandsbeschluß tatsächlich fehlerhaft war. Das Flurbereinigungsgericht muß prüfen, ob die sachlichen Angriffe der Klägerin gegen ihre Abfindung gerechtfertigt sind.