Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 27.10.1976 - V B 80.74 = RdL 1977 S. 181

Aktenzeichen V B 80.74 Entscheidung Beschluss Datum 27.10.1976
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 1977 S. 181  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Mit § 144 FlurbG ist es vereinbar, wenn das Gericht hinsichtlich einzelner für erforderlich gehaltener Planänderungen selbst eine abschließende Entscheidung trifft und wegen weiterer hiervon unabhängiger Maßnahmen eine zweckmäßige Regelung zu treffen der oberen Flurbereinigungsbehörde aufgibt.

Aus den Gründen

Das Flurbereinigungsgericht hat die Frage, ob entsprechend dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag die Quellabläufe auf den ihm zugewiesenen Ersatzflurstücken durch wasserwirtschaftliche Maßnahmen geregelt werden müssen, im Zusammenhang mit einer Überprüfung der Wertgleichheit seiner Abfindung erörtert. Es hat ausgeführt, diese Flurstücke könnten der ihnen in dem Flurbereinigungsplan zugedachten Nutzung als Wiesen- und Weidegründe nur zugeführt werden, wenn der Bachablauf geregelt werde. Der Weidebetrieb mache eine Abgrenzung zum Gewässer erforderlich; es müsse ferner die Möglichkeit zur Überquerung des Gewässers durch das Weidevieh geschaffen werden.

In einem Streit, in dem es, wie hier, um die Wertgleichheit der Abfindung geht, hat das Flurbereinigungsgericht auch zu prüfen, ob die Abfindungsgrundstücke die Nutzungsmöglichkeiten, die ihnen der Flurbereinigungsplan beimißt und die sie den neuen Eigentümern bieten sollen, auch tatsächlich aufweisen. Ergibt die Nachprüfung, daß dies nicht der Fall ist, so kann das Flurbereinigungsgericht im Rahmen der ihm nach § 144 FlurbG zustehenden erweiterten Entscheidungsbefugnis, ohne an entsprechende Anträge gebunden zu sein, entweder die für notwendig gehaltenen Änderungen des Flurbereinigungsplans selbst vornehmen oder die Sache an die obere Spruchbehörde zurückweisen. Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Antrag, auch den Quellablauf auf den Flurstücken zu bereinigen, kommt sonach nur die Bedeutung einer Anregung im Rahmen seines Klagebegehrens auf Neugestaltung der Abfindung zu.

Mit den erhobenen Verfahrensrügen kann die Beklagte ebenfalls nicht die Zulassung der Revision erreichen. Es ist revisionsgerichtlich nicht zu beanstanden, daß das Flurbereinigungsgericht die Sache wegen der noch zu regelnden wasserrechtlichen Verhältnisse auf den Ersatzflurstücken zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an den Spruchausschuß zurückverwiesen hat. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar wiederholt entschieden, daß die beiden Alternativen, die § 144 FlurbG der richterlichen Entscheidungsbefugnis einräumt, sich gegenseitig ausschließen. Das Gericht kann entweder den Flurbereinigungsplan ändern, das bedeutet Aufhebung eines Teils der in ihm enthaltenen Entscheidung und Ersetzung durch eine andere, oder den Beschwerdebescheid ganz oder teilweise aufheben und die Streitsache an die obere Flurbereinigungsbehörde zurückverweisen. Es darf aber nicht beide Möglichkeiten miteinander vermischen, indem es einzelne Maßnahmen selbst vorschreibt und gleichzeitig zur Änderung des Plans zurückverweise (vgl. insbesondere Urteil vom 30.9.1958 - BVerwG I C 6.57 - (RdL 1959, 51); BVerwGE 8, 65; Urteil vom 5.10.1965 - BVerwG IV C 22.65 - (RdL 1966, 27)).

Mit dieser Rechtsprechung steht das angefochtene Urteil im Einklang. Die Zurückverweisung der Sache zum Zwecke zu regelnder wasserwirtschaftlicher Verhältnisse läßt den Flurbereinigungsplan in der ihm durch Nummer I des angefochtenen Urteils gegebenen Fassung unberührt. Dem Spruchausschuß wird lediglich aufgegeben, daneben die zur Herstellung der Wertgleichheit der Abfindung für erforderlich gehaltene Planergänzung in der Form wasserrechtlicher Maßnahmen vorzunehmen. Die durch das Gericht selbst angeordnete Planänderung soll mithin durch weitere, in die Wahl der Flurbereinigungsbehörde gestellte wasserrechtliche Maßnahmen ergänzt werden. Ein solcher Urteilsausspruch ist mit § 144 FlurbG vereinbar. Sinn und Zweck dieser Regelung verbieten es nur, der für die vorzunehmenden Änderungen zuständigen Behörde bestimmte Einzelmaßnahmen aufzuzwingen und damit ihrer Ermessensentscheidung vorzugreifen (Urteil vom 5.10.1965, a.a.O.). Hingegen ist es zulässig, daß das Gericht hinsichtlich einzelner für erforderlich gehaltener Planänderungen selbst eine abschließende Entscheidung trifft und wegen weiterer hiervon unabhängiger Maßnahmen eine zweckmäßige Regelung der Behörde aufgibt. Eine solche mit dem Gebot der beschleunigten Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens (vgl. hierzu insbesondere BVerwGE 2, 195; 4, 191 (194)) zu vereinbarende Verfahrensweise bietet sich insbesondere dort an, wo sich das Flurbereinigungsgericht, wie hier, aus Rechtsgründen gehindert sieht, insoweit selbst den Plan zu ändern. Voraussetzung ist nur, daß in bezug auf die der Behörde überlassene Regelung keine die Ermessensausübung vorwegnehmende Einzelanordnung ergeht. Das ist hier auch nicht geschehen. Das Flurbereinigungsgericht hat ausdrücklich darauf hingewiesen, daß zur Erreichung der Wertgleichheit bei der von ihm für notwendig gehaltenen Bachregulierung auf den Flurstücken sich verschiedene Maßnahmen anböten, und als technisch möglich eine Verrohrung wie auch einen Ausbau des Gewässers genannt. Die Befugnis des Spruchausschusses, die von ihm für zweckmäßig gehaltene Maßnahme anzuordnen, wird mithin nicht eingeschränkt.