Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 11.11.1971 - VII 241/71
Aktenzeichen | VII 241/71 | Entscheidung | Urteil | Datum | 11.11.1971 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Anwendung des § 144 Satz 1 FlurbG, hier zur rechtlichen Bedeutung einerseits einer "Änderung" und andererseits einer "Aufhebung und Zurückverweisung" im Sinne der Vorschrift. |
Aus den Gründen
Der angefochtene Beschwerdebescheid vom 26.5.1971 verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten, soweit er vom Senat bestätigt worden ist. Insoweit hat die sachlich zuständige obere Flurbereinigungsbehörde (§ 141 Abs. 2 FlurbG) zu Lasten der Kläger weder die Bindungswirkung (§ 144 Satz 2 FlurbG) des Ersturteils vom 8.4.1970 verkannt, noch ihre Entscheidungsbefugnis (§ 141 Abs. 2 FlurbG) überschritten, noch gegen allgemeine Zuteilungsgrundsätze (vgl. § 44 FlurbG) verstoßen.
Nach § 144 Satz 2 FlurbG hat die obere Flurbereinigungsbehörde ihrer nach Aufhebung ihres Beschwerdebescheids und Zurückverweisung der Streitsache erforderlichen erneuten Entscheidung die Beurteilung des Senats zugrundezulegen, die der Aufhebung zugrundegelegt ist. Das bedeutet, daß die obere Flurbereinigungsbehörde den Mangel der Abfindung, der zur Aufhebung ihres Beschwerdebescheids führte, zu beheben hat.
Bei dieser Behebung ist der oberen Flurbereinigungsbehörde zunächst der Fehler unterlaufen, daß sie im Beschwerdebescheid vom 26.5.1971 die Zuteilung der Flurstücke 1590, 2255 an die Kläger Ziff. 1 und des Flurstücks 1596 an den Kläger Ziff. 2 aufgehoben hat, obwohl die Zuteilung dieser Flurstücke von ihr bereits mit dem Beschwerdebescheid vom 15.8.1968 beseitigt worden ist. Wenn die obere Flurbereinigungsbehörde bei dieser "Aufhebung" offenbar davon ausgegangen ist, daß mit der im Ersturteil des Senats erfolgten rechtskräftigen Aufhebung des Beschwerdebescheids vom 15.8.1968 unter Zurückverweisung der Streitsache zur erneuten Verhandlung und Bescheidung nunmehr die mit dem Beschwerdebescheid vom 15.8.1968 - anstelle der aufgehobenen Flurstücke 1590, 2255 und 1596 - erfolgte Zuteilung der Flurstücke 1439 und 1582 an die Kläger Ziff. 1 und der Flurstücke 1581 und 2255 an den Kläger Ziff. 2 beseitigt und damit zugleich der vor Erlaß des erwähnten Beschwerdebescheids den Klägern im Plannachtrag I vom 20.10.1966 des Zusammenlegungsplans ausgewiesene Besitzstand wieder hergestellt sei, so liegt hierin ein Rechtsirrtum. Wenn nach dem Wortlaut des § 144 FlurbG das Flurbereinigungsgericht entweder den angefochtenen Verwaltungsakt ändern oder den Beschwerdebescheid ganz oder teilweise aufheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an die obere Flurbereinigungsbehörde zurückverweisen kann, so bedeutet dies, daß hier der richterlichen Entscheidungsbefugnis 2 Alternativen eingeräumt sind, die sich gegenseitig ausschließen (BVerwG, Urt. vom 5.10.1965 - IV C 22.65 - = RdL 1966, 27). Die in der ursprünglichen Fassung des Gesetzesentwurfs (vgl. Drucksache Nr. 3385 des Deutschen Bundestages, 1. Wahlperiode 1949, S. 30) vorgesehene Befugnis, den Flurbereinigungsplan ganz oder teilweise aufzuheben, ist dem Flurbereinigungsgericht nach der geltenden Fassung des § 144 FlurbG nicht eingeräumt. Änderung des Flurbereinigungsplans in diesem Sinne bedeutet: Aufhebung eines Teil der im Flurbereinigungsplan enthaltenen Entscheidung und Ersetzung durch eine andere Entscheidung, also eine abschließende Regelung (BVerwG, Urt. vom 30.9.1958 - I C 6.57 - = RdL 1959, 59). Das Flurbereinigungsgericht kann aber auch von einer selbständigen Änderung absehen und nur den Beschwerdebescheid ganz oder teilweise aufheben. In diesem Fall muß es die Streitsache an die obere Flurbereinigungsbehörde zurückverweisen, die den Plan nach Maßgabe der gerichtlichen Beurteilung zu ändern hat (BVerwG aaO). Im vorliegenden Fall hat der Senat in seinem Ersturteil unmißverständlich von der zuletzt erwähnten Alternative Gebrauch gemacht. Er hat also in keiner Weise den Zusammenlegungsplan in seiner damaligen Fassung geändert, sondern die Sache nur zur erneuten Verhandlung und Bescheidung zurückverwiesen. Das heißt, daß die obere Flurbereinigungsbehörde bei ihrer erneuten, am 26.5.1971 getroffenen Sachentscheidung von dem Stand des Zusammenlegungsplans i.d.F. des Nachtrags I vom 20.10.1966 und des Beschwerdebescheids vom 15.8.1968 auszugehen hatte. Da nach diesem Stand die Zuteilung der o.a. Flurstücke 1590 und 2255 an die Kläger Ziff. 1 und des Flurstücks 1596 an den Kläger Ziff. 2 aber bereits aufgehoben war, geht die nochmalige Aufhebung im Beschwerdebescheid vom 26.5.1971 ins Leere. Wenn auch die Kläger hierdurch nicht beschwert sein können, so war dieser Teil des Beschwerdebescheids jedoch aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit in dem aus dem Urteilstenor ersichtlichen Umfang aufzuheben.
In Verfolg ihrer Ansicht hat es die obere Flurbereinigungsbehörde ferner unterlassen, zugleich mit der im Beschwerdebescheid vom 26.5.1971 erfolgten Neuzuteilung der Flurstücke 915 und 2190 an die Kläger Ziff. 1 und des Flurstücks 910 an den Kläger Ziff. 2 die entsprechende Aufhebung anderer (zugeteilter) Flächen in entsprechendem Wert zu verfügen. Die dem erwähnten Beschwerdebescheid zugrunde liegende Annahme, das Ersturteil des Senats habe die Rechtswirkung, daß der vor Erlaß des Beschwerdebescheids vom 15.8.1968 den Klägern im Plannachtrag I vom 20.10.1966 ausgewiesene Besitzstand wieder hergestellt sei, ist irrig. Die obere Flurbereinigungsbehörde war also zu Unrecht der Meinung, daß die mit dem erwähnten Beschwerdebescheid den Klägern Ziff. 1 zugeteilten Flurstücken 1439 und 1582 sowie die dem Kläger Ziff. 2 zugeteilten Flurstücke 1581 und 2255 im Besitzstand der Kläger überhaupt nicht mehr vorhanden seien. Das ergibt sich ganz eindeutig daraus, daß der Tenor des Beschwerdebescheids vom 26.5.1971 die - für den Wertausgleich erforderliche - Aufhebung dieser Flurstücke nicht enthält und daß in den Gründen des Beschwerdebescheids unmißverständlich zum Ausdruck gebracht ist, die von den Klägern im Ersturteilsverfahren insbesondere gerügten Flurstücke 1581 und 1582 sowie das Flurstück 2255 seien inzwischen einem anderen Teilnehmer zugeteilt worden. Der Hinweis auf diese Zuteilung in der Begründung des Beschwerdebescheids bewirkt gegenüber den Klägern jedoch keineswegs die Aufhebung der erwähnten und mit dem Beschwerdebescheid vom 15.8.1968 zugeteilten Flurstücke. Denn hierzu wäre zumindest ein den Klägern erkennbar gewordener Wille der Behörde, diese den Klägern zugeteilten Flurstücke aus dem Besitzstand der Kläger auszuscheiden, erforderlich gewesen. Da sie diesen Willen aber nicht gehabt hat, vielmehr der Meinung war, die Flurstücke seien nicht mehr im Besitzstand der Kläger, kann bei Berücksichtigung der rechtsverkehrsmäßigen Bedeutung der sowohl im Tenor als auch in der Begründung des Beschwerdebescheids vom 26.5.1971 zum Ausdruck gekommenen behördlichen Willenserklärung, nicht bejaht werden, daß die erwähnten Flurstücke durch einen den Klägern erteilten Verwaltungsakt aus dem Besitzstand der Kläger ausgeschieden sind. Diese Ausscheidung ist freilich erforderlich, weil - wie noch darzulegen ist - die Kläger bereits mit der Zuteilung der Flurstücke 915, 1426, 2185, 2190, 2517 (Kläger Ziff. 1), 910 (Kläger Ziff. 2) und 1429 (Kläger Ziff. 3) wertgleich abgefunden sind. Fehlt es aber an der erforderlichen Ausscheidung, hier also an der Aufhebung der erwähnten Flurstücke, so ist der Beschwerdebescheid unvollständig und insoweit fehlerhaft. Die Unvollständigkeit bewirkt jedoch nicht, daß der übrige fehlerfreie Teil des Beschwerdebescheids, hier also insbesondere die Zuteilung der Flurstücke 910, 915 und 2190 ebenfalls fehlerhaft ist. Da ein Verwaltungsakt die Vermutung der Rechtsbeständigkeit in sich trägt, ist der Grundgedanke des § 139 BGB im Verwaltungsrecht grundsätzlich nur in seiner Umkehr anwendbar. Ist ein Teil des Verwaltungsakts also fehlerhaft, ist der Restakt gültig (Eyermann-Fröhler, VwGO, 5. Aufl., 1971, § 42 Anm. 14). Die Unvollständigkeit hat hier daher nur zur Folge, daß der angefochtene Verwaltungsakt insoweit er fehlerhaft ist, durch den Senat selbst in dem aus dem Urteil ersichtlichen Umfange zu ändern war.