Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 10.09.2019 - 23 C 2649/16 = Mevert, F. H., Mitteilungen der DVW-Landesvereine Hessen e.V. und Thüringen e.V 2019, S. 20-27 FORMTEXT (Lieferung 2021)
Aktenzeichen | 23 C 2649/16 | Entscheidung | Urteil | Datum | 10.09.2019 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | = Mevert, F. H., Mitteilungen der DVW-Landesvereine Hessen e.V. und Thüringen e.V 2019, S. 20-27 FORMTEXT | Lieferung | 2021 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Ist die Dreimonatsfrist des § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG zur Klageerhebung ohne Durchführung des Vorverfahrens verstrichen, so steht die Ausschlussfrist nach dem Grundsatz von Treu und Glauben der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen, wenn das Verhalten der Behörde den Beteiligten von einer fristgerechten Klageerhebung abgehalten hat. (Amtlicher Leitsatz) |
2. | Zum Eigentum an Gewässerbetten 3. Ordnung, die grundbuchrechtlich nicht erfasst sind. (Amtlicher Leitsatz) |
3. | Die Aufnahme in das (einen Teil des Plans nach § 41 FlurbG bildende) nachrichtliche Verzeichnis über vorhandene Anlagen, die in öffentliches Eigentum überführt werden, hat keine konstitutive Wirkung, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung, da das Gewässerbett als Gewässer 3. Ordnung gemäß § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Nr. 3 Hessisches Wassergesetz - HWG - kraft Gesetzes bereits im Eigentum der Gemeinde stand. (Redaktioneller Leitsatz) |
4. | Nach § 3 Abs. 2 Grundbuchordnung - GBO - handelt es sich bei dem Gewässerbett um ein so genanntes buchungsfreies Grundstück. Die in § 3 Abs. 2 GBO genannten Grundstücke - also auch die dort genannten Wasserläufe - erhalten ein Grundbuchblatt nur auf Antrag des Eigentümers oder eines sonstigen Berechtigten. (Redaktioneller Leitsatz) |
Aus den Gründen
Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke Gemarkung H., Flur A..., Flurstücke .../B und .../C mit Grundstücksflächen von 485 m2 und 1790 m2. Zwischen diesen Grundstücksflächen verläuft das Gewässer Hornbach.
Mit Flurbereinigungsbeschluss vom 7. Dezember 1967 hat die obere Flurbereinigungsbehörde (das damalige Landeskulturamt Hessen) die Flurbereinigung für die gesamte Gemarkung Hornbach einschließlich der Ortslage und des Waldes mit einer Größe von insgesamt 250,67 ha angeordnet. ...
Mit dem 1. Änderungsbeschluss vom 25. Juli 1990 wurden weitere Grundstücke in das Flurbereinigungsverfahren einbezogen und andere aus dem Verfahren ausgeschlossen. ...
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass neben der Verbesserung des Wege- und Gewässernetzes sowohl durch Neugestaltung und Ausbau, als auch durch die Regelung der rechtlichen Verhältnisse, Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege gefördert, Maßnahmen im Eigeninteresse der Betriebe durchgeführt und sonstige gemeinschaftliche und öffentliche Anlage gefördert werden sollten, die geeignet seien, die Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft und die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe zu verbessern.
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Nach dem am 28. Oktober 2004 gemäß § 41 Abs. 4 FlurbG genehmigten Wege- und Gewässerplan mit landschaftspflegerischem Begleitplan sind die Hauptgewässer zu parzellieren und einschließlich von Uferrandstreifen in das Eigentum der Gemeinde zu überführen (Nummer 3.1.2.2 des Wege- und Gewässerplans - Gewässer -). Im Zuge des Verfahrens sollte nach Nummer 3.3.1.1 des Wege- und Gewässerplans der Hornbach (Nr. 400) neu vermessen und erstmalig parzelliert werden. Diese Zielsetzung wurde mit der 1. Änderung zum Wege- und Gewässerplan vom 28. Juni 2012 aufgegeben. Zur Begründung wird ausgeführt, dass seitens der Gemeinde XXX, der Bewirtschafter und der Eigentümer an den Gewässern keine Notwendigkeit gesehen werde, die Gewässer neu zu parzellieren und dabei Uferstreifen bzw. Uferrandstreifen in das Eigentum der Gemeinde zu überführen. Die Regelungen der Fachgesetze würden als ausreichend betrachtet. Daher werde die im Plan nach § 41 FlurbG ursprünglich formulierte Zielsetzung der Parzellierung der Gewässer aufgegeben, und soweit es sinnvoll sei, würden die Hauptgewässer als Nutzungsart im Kataster nachgewiesen. Da die Parzellierung der Gewässer im Verzeichnis der Festsetzungen nicht enthalten sei, erübrige sich eine Aufhebung. Im nachrichtlichen Verzeichnis der 1. Änderung zum Wege- und Gewässerplan ist der Hornbach (Nr. 400) gleichwohl handschriftlich unter Nummer 2 - vorhandene Anlagen, die in öffentliches Eigentum überführt werden - gelistet.
Im Zuge des Flurbereinigungsverfahrens wurde der Hornbach vermessen, wobei das neu parzellierte Grundstück zwischen den Flurstücken 67/17 und 67/13 eine Größe von insgesamt 108 m2 aufweist. Die neu geschaffene Parzelle wurde der Gemeinde zugewiesen, während die beide Grundstücke mit den Flurstücks-Nrn. 111 und 115 (neu) wieder den Klägern mit kleineren Grenzkorrekturen in alter Lage zugeteilt wurden. Mit Schreiben vom 16. November 2010 wurde den Klägern mitgeteilt, dass für Mehr- und Minderausweisungen im Rahmen der Landabfindung von Amts wegen ein Geldausgleich erfolgen solle, der saldiert 30,- EUR betrage, nachdem die Kläger sich mit den Veränderungen an ihren Grundstücken nicht einverstanden erklärt hätten.
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Im Anhörungstermin zur Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans (§ 59 FlurbG) am 26. März 2015 ... haben die Kläger Widerspruch gegen den Plan erhoben. ...
Zu dem Termin über die Verhandlung zur Überprüfung und Entscheidung zum Widerspruch vor der Spruchstelle für Flurbereinigung beim Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation am 29. Oktober 2015 wurde allein der Kläger zu 1. am 13. Oktober 2015 mit dem Hinweis geladen, dass für die Ehefrau und Miteigentümerin der Grundstücke keine Vollmacht vorliege. Mit gemeinsamen Schreiben der Eheleute vom 19. Oktober 2015 - bei der Spruchstelle am 22. Oktober 2015 eingegangen - haben diese darauf hingewiesen, dass der Widerspruch in beider Namen erhoben worden sei und deshalb darum gebeten, in der Widerspruchsakte den Widerspruch beider Grundstückseigentümer zu vermerken.
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Unabhängig von der Frage, ob in Fällen, in denen Ehepartner in einem Flurbereinigungsverfahren als Miteigentümer auftreten, davon auszugehen ist, dass ein Ehegatte auch ohne ausdrückliche Erklärung als Vertreter für den anderen gehandelt hat (vgl. Bayerischer VGH, Urteil vom 22. Oktober 2014 - 13 A 13.1853 -, RdL 2015, 133 = Juris <= RzF - 65 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>), sind auch die Voraussetzungen des Vollmachtsnachweises nach § 123 Abs. 1 FlurbG erfüllt. Denn auf den Hinweis der Spruchstelle für Flurbereinigung beim Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation vom 9. Oktober 2015 haben die Kläger mit Schreiben vom 19. Oktober 2015 - bei der Behörde am 22. Oktober 2015 eingegangen - schriftliche Vollmacht eingereicht.
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Der Unzulässigkeit der Klage steht jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn ein Beteiligter durch das Verhalten der Behörde davon abgehalten wird, fristgerecht zu klagen, wenn etwa die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde den Eindruck erweckt, der Erlass eines Änderungs- oder Widerspruchsbescheids stehe noch aus (Wingerter/Mayr, a.a.O., § 142 Rn. 16a mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Erstmalig mit der Zustellung der Ladung zum Erörterungstermin vor der Spruchstelle für Flurbereinigung - dem Hessischen Landesamt für Bodenmanagement und Geoinformation - am 13. Oktober 2015 erhielten die Widerspruchsführer die Information, dass die Widerspruchsbehörde davon ausgeht, die Klägerin zu 2. habe keinen Widerspruch erhoben. Bis zu diesem Zeitpunkt konnten die Kläger davon ausgehen, dass der Flurbereinigungsbehörde Widersprüche beider Miteigentümer der verfahrensgegenständlichen Grundstücke vorlagen.
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Denn die Aufnahme des Hornbachs in das nachrichtliche Verzeichnis über vorhandene Anlagen, die in öffentliches Eigentum überführt werden, hat keine konstitutive Wirkung, sondern lediglich deklaratorische Bedeutung, da - worauf später näher einzugehen ist - das Gewässerbett des Hornbachs als Gewässer 3. Ordnung gemäß § 3 Abs. 2 in Verbindung mit § 2 Nr. 3 Hessisches Wassergesetz - HWG - kraft Gesetzes bereits im Eigentum der Gemeinde stand.
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