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von Anonymer Benutzer

RzF - 7 - zu § 141 Abs. 2 FlurbG

Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 22.03.1979 - 164 XIII 78 = RdL 1980 S. 175

Aktenzeichen 164 XIII 78 Entscheidung Urteil Datum 22.03.1979
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL 1980 S. 175  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Widerspruchsbehörde ist nicht befugt, ihren unanfechtbar gewordenen Widerspruchsbescheid in der Hauptsache aufzuheben oder abzuändern.

Aus den Gründen

Nachdem der Anhörungstermin zum Flurbereinigungsplan Teil I am 29.12.1977 stattgefunden hatte, wandte sich der Kläger mit einem Schreiben ohne Datum, das den Eingangsstempel der Flurbereinigungsdirektion M. vom 13.1.1978 trägt, an die Beklagte und stellte verschiedene, den Flurbereinigungsplan betreffende Anträge. Der Vorstand der Beklagten behandelte das Schreiben des Klägers als Widerspruch und beschloß in der Sitzung vom 25.1.1978, dem Widerspruch im wesentlichen nicht abzuhelfen. Aufgrund einer weiteren Behandlung des Widerspruchs in der Vorstandssitzung vom 2.5.1978 zog der Kläger einzelne Punkte seines Widerspruchs zurück.

Mit Bescheid vom 12.5.1978 verwarf der Vorsitzende des Spruchausschusses bei der Flurbereinigungsdirektion M. den Widerspruch als unzulässig, da die Frist zur Einlegung von Widersprüchen am 12.1.1978 abgelaufen sei. Die nachträgliche Zulassung des Widerspruchs scheide aus, da Anhaltspunkte für eine unverschuldete Versäumung der Frist nicht erkennbar seien und die Festsetzungen im Flurbereinigungsplan keine offensichtliche und unbillige Härte enthielten.

Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 14.7.1978 erneut an die Flurbereinigungsdirektion M. und wies unter Vorlage einer "Mitteilung des Nachforschungsergebnisses" des Postamtes L. vom 31.5.1978 darauf hin, daß sein Widerspruch rechtzeitig am 12.1.1978 bei der Flurbereinigungsdirektion eingegangen sei.

Der Spruchausschuß führte am 17.10.1978 eine Verhandlung über den Widerspruch durch und beschloß die Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 12.5.1978, da die rechtzeitige Einlegung des Widerspruchs nachgewiesen sei. Mit Bescheid vom selben Tage wies er den Widerspruch als unbegründet zurück.

Die gegen den Flurbereinigungsplan O. (Teil I) gerichtete Klage ist unzulässig, da die durch die Zustellung des Widerspruchsbescheides vom 12.5.1978 in Lauf gesetzte Frist des § 142 Absatz 1 des Flurbereinigungsgesetzes - FlurbG - versäumt wurde und der Flurbereinigungsplan Teil I für den Kläger daher unanfechtbar feststeht. Der vom Spruchausschuß bei der Flurbereinigungsdirektion München am 17.10.1978 erlassene zweite Widerspruchsbescheid hat den Klageweg nicht erneut eröffnet, weil der Spruchausschuß an seinen ersten Bescheid gebunden und zum Erlaß des Zweitbescheides nicht befugt war.

Der Grundsatz des § 94 Absatz 4 der Reichsabgabenordnung - RAO -, daß Rechtsmittelentscheidungen nicht zurückgenommen oder geändert werden können, ist ein allgemeiner Grundsatz des Verwaltungsrechts (vgl. Forsthoff, Lehrbuch des Verwaltungsrechts Band I, 10. Auflage, Seite 271). Wegen der Bedeutung des Widerspruchs als gesetzliche Klagevoraussetzung kann die Entscheidungsbefugnis der Widerspruchsbehörde nicht länger als bis zum Ergehen der Entscheidung ausgedehnt werden (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 9.3.1951, NJW 52, 1431). Die Widerspruchsbehörde ist daher grundsätzlich nicht befugt, ihre Entscheidung aufzuheben oder abzuändern (vgl. Haueisen, NJW 58, 443), jedenfalls nicht in der Hauptsache (vgl. OVG Koblenz, DÖV 1970, 352). Mit dem Erlaß des Widerspruchsbescheids ist das Widerspruchsverfahren abgeschlossen und die Widerspruchsbehörde - wie die Beteiligten und die Ausgangsbehörde - vorbehaltlich der gerichtlichen Nachprüfung an ihren Bescheid gebunden (vgl. Kopp, VwGO, Anmerkung zu § 73).

Ob dieser Grundsatz eine Ausnahme erfährt, das heißt die Widerspruchsbehörde zur Aufhebung des Widerspruchsbescheides befugt ist, solange der Bescheid noch nicht unanfechtbar geworden ist, kann dahingestellt bleiben, nachdem der Widerspruchsbescheid des Spruchausschusses vom 12.5.1978 überhaupt nicht angefochten wurde und die Klagefrist bereits am 2.6.1978 abgelaufen ist. Der Senat braucht daher auf die vom Vertreter des öffentlichen Interesses angeführten gerichtlichen Entscheidungen nicht einzugehen, weil diese Entscheidungen ausschließlich noch nicht unanfechtbare Beschwerdebescheide betrafen.

Eine Abänderungsbefugnis der Widerspruchsbehörde ergibt sich auch nicht daraus, daß diese nach Ablauf der Jahresfrist des § 76 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - alter Fassung über Widersprüche noch entscheiden durfte. Denn diese Bestimmung regelte nur, innerhalb welcher Frist das Gericht auch ohne Vorliegen eines Widerspruchsbescheids angerufen werden konnte, sie änderte aber nichts an der Berechtigung der Widerspruchsbehörde, auch nach Ablauf der Jahresfrist über den noch anhängigen Widerspruch zu befinden.

Es ist daher, nicht zuletzt im Interesse der Rechtssicherheit, davon auszugehen, daß jedenfalls eine unanfechtbar gewordene Widerspruchsentscheidung von der Widerspruchsbehörde nicht aufgehoben oder geändert werden kann. Das hat zur Folge, daß ein dennoch erlassener "Zweitwiderspruchsbescheid" nicht den Rechtsweg für eine gerichtliche Entscheidung in der Sache selbst eröffnet.