Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat, Beschluss vom 18.05.2016 - OVG 11 L 23.14 = juris (Lieferung 2017)

Aktenzeichen OVG 11 L 23.14 Entscheidung Beschluss Datum 18.05.2016
Gericht Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 11. Senat Veröffentlichungen = juris  Lieferung 2017

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Ein gegen einen Beliehenen geltend gemachter Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung von aus dem (Rahmen-)Werkvertrag und den nachfolgenden Teilleistungsverträgen resultierenden Pflichten durch den Beklagten stellt eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. d. § 40 VwGO dar, für die mangels ausdrücklich abdrängender Sonderzuweisung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.

Aus den Gründen

Die nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 146 Abs. 1, § 147 VwGO zulässigen Beschwerden beider Beteiligter haben Erfolg. Der Verweisungsbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 4. März 2014 ist aufzuheben, denn das Verwaltungsgericht hat zu Unrecht angenommen, dass der Verwaltungsrechtsweg gemäß § 40 Abs. 1 VwGO für den vorliegenden Rechtsstreit nicht eröffnet ist.


Dabei kann dahinstehen, ob dies - wie der Kläger meint - schon deshalb gilt, weil das Verwaltungsgericht auch hinsichtlich dieses Begehrens, das einen weiteren Anspruch aus demselben, vom Oberlandesgericht bereits als öffentlich-rechtlich qualifizierten Vertrag zum Gegenstand hat, noch gem. § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG an den die Verweisung des ursprünglich nur verfolgten Auskunfts- und Herausgabebegehrens an das Verwaltungsgericht gebunden war. Denn die Verweisung ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil der vom Kläger geltend gemachte Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung von aus dem (Rahmen-)Werkvertrag und den nachfolgenden Teilleistungsverträgen resultierenden Pflichten durch den Beklagten eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit i. S. d. § 40 VwGO darstellt, für die mangels ausdrücklich abdrängender Sonderzuweisung der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist.


Insoweit kann zunächst auf die ausführlichen und überzeugenden Gründe des den Beteiligten bekannten und von diesen selbst in Bezug genommenen Beschlusses des Oberlandesgerichts Brandenburg vom 3. Juli 2007 (11 W 18/07) verwiesen werden, die der Senat sich in vollem Umfang zu eigen macht. Soweit das Verwaltungsgericht demgegenüber meint, dass die Aufgabenerfüllung hinsichtlich der Erlangung, Durchführung und Vergütung eines Auftrags eines öffentlich bestellten Vermessungsingenieurs privatrechtlich sei und der Beklagte sich auch mit dem hier abgeschlossenen Werkvertrag lediglich verpflichtet habe, vertraglich vereinbarte Arbeiten im Rahmen des Bodenordnungsverfahrens N. für den Kläger durchzuführen, verkennt es den wesentlichen Gegenstand des zwischen den Beteiligten geschlossenen Werkvertrages. Denn das Werk, das der Beklagte nach diesem Vertrag zu erstellen hatte, war gem. § 1 des Vertrages ein nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften, insbes. der §§ 53 ff. LwAnpG, zu erarbeitender "unanfechtbarer Bodenordnungsplan", und die gem. § 2 des Vertrages zu dessen Erstellung abzuarbeitenden Aufgaben beschränkten sich keineswegs auf bloße Vermessungs- und sonstige unselbständige Unterstützungsleistungen in einem in der Verantwortung der Behörde verbleibenden und von dieser mit hoheitlichen Mitteln bearbeiteten Bodenordnungsverfahren, sondern setzten nach Auffassung beider Vertragspartner eine Beleihung des Beklagten mit hoheitlichen Befugnissen voraus (vgl. § 8 Satz 2 des Vertrages) und gingen weit über das hinaus, was der Beklagte im Rahmen seiner freiberuflichen Tätigkeit als Vermessungsingenieur an Leistungen hätte erbringen können. Dieser hat in seiner Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss nochmals bestätigt, dass die Aufgaben zur Bewirkung der Flurneuordnung auch aus seiner Sicht nur auf Grundlage einer entsprechenden Beleihung überhaupt erfüllbar gewesen seien, weil das Bodenordnungsverfahren und die zu seiner Durchführung erforderlichen Arbeitsschritte von einem nur auf privatrechtlicher Grundlage tätig werdenden Vermessungsingenieur nicht hätten erfüllt werden können.


Auch eine abdrängende Sonderzuweisung, durch die die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit begründet würde, fehlt. Zwar dürfte gem. § 60 LwAnpG i. V. m. § 140 Satz 1 FlurbG die Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts für den vorliegenden Streit begründet sein. Denn gem. § 140 Satz 1 FlurbG entscheidet das Flurbereinigungsgericht (u.a.) "über alle Streitigkeiten, die durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufen werden und vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Schlussfeststellung anhängig geworden sind, soweit hierfür der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist". Um eine solche Streitigkeit dürfte es sich hier handeln. Denn der zwischen den Beteiligten geschlossene (Rahmen-)Werkvertrag samt nachfolgender Ergänzungs- und Teilleistungsverträge war veranlasst durch das nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz eingeleitete und durchzuführende Bodenordnungsverfahrens N. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass in § 1 des Vertrages die Erstellung eines unanfechtbaren Bodenordnungsplans gem. §§ 53 ff. LwAnpG i. V. m dem Flurbereinigungsgesetz als das geschuldete Werk vereinbart wurde und die zur Erarbeitung dieses Werks im Zuge der "Durchführung des Bodenordnungsverfahrens" vom Beklagten wahrzunehmenden Aufgaben ungeachtet der im Vertrag selbst enthaltenen Beschreibung maßgeblich durch die verfahrensrechtlichen und materiellen Vorschriften des Landwirtschaftsanpassungs- und des Flurbereinigungsgesetzes bestimmt waren, die der Beklagte als Auftragnehmer bei der Durchführung des Verfahrens zur Erarbeitung eines solchen Plans zu beachten hatte. Hinzu kommt, dass die zur ordnungsgemäßen Abarbeitung verschiedener Arbeits- und Verfahrensschritte erforderliche Beleihung des Beklagten mit hoheitlichen Befugnissen - ebenso wie die ausdrückliche Ermächtigung der zuständigen Behörde zum Abschluss eines derartigen Vertrages - ihre Rechtsgrundlage in § 53 Abs. 4 LwAnpG findet. Davon ausgehend sind aber auch Streitigkeiten über Ersatzansprüche wegen Nicht- oder Schlechterfüllung dieses Vertrages Streitigkeiten, die im Sinne des § 140 FlurbG durch ein Flurbereinigungsverfahren - bzw. hier gem. § 60 LwAnpG i. V. m. § 140 FlurbG: durch ein Bodenordnungsverfahren - hervorgerufen worden sind. Da das Flurbereinigungsgericht indes kein Verwaltungssondergericht und auch kein anderes Gericht i.S. von § 40 Abs. 1 VwGO, sondern gem. § 138 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ein Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts ist, dessen sachliche Zuständigkeit für ein bestimmtes Sachgebiet durch § 140 FlurbG abstrakt und generell geregelt ist (st. Rspr. des BVerwG, z.B. Urteil v. 24. April 1970 - IV C 18.68 -, zit. nach juris; Beschluss v. 22. Juli 1988 - 5 B 115.88 -, zit. nach juris), begründet seine sachliche Zuständigkeit keinen besonderen Rechtsweg, auf den im Ergebnis des hiesigen Verfahrens verwiesen werden könnte.


Da Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG nur die vom Verwaltungsgericht getroffene Entscheidung über die Unzulässigkeit des Verwaltungsrechtswegs gem. § 17a Abs. 2 GVG ist, kann auch der Senat als für die Entscheidung über diese Rechtswegbeschwerde zuständiges Gericht nur hierüber entscheiden (i. d. S. BayVGH, Beschluss v. 5. Mai 2014 - 4 C 14.449 -, zit. nach juris Rn 17). Die hiervon zu unterscheidende Verweisung an ein anderes Gericht desselben Rechtsweges ist im Verfahren über eine Beschwerde gegen einen Verweisungsbeschluss gem. § 17a GVG nicht möglich. Die Prüfung und - gem. § 83 Satz 2 VwGO als solche unanfechtbare - Entscheidung über die sachliche (Un)-Zuständigkeit muss auch in einem solchen Fall der ersten Instanz vorbehalten bleiben.

Anmerkung


vorgehend VG Potsdam, Beschluss vom 04.03.2014, Az. 7 K 1735.11