Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 15.02.2000 - BVerwG 11 B 52.99 = = RdL 2000, 137
Aktenzeichen | BVerwG 11 B 52.99 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 15.02.2000 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = = RdL 2000, 137 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Ein Zusatz in der Rechtsmittelbelehrung eines Flurbereinigungsgerichts, der den Umkehrschluss zulässt, dass die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde noch nicht dem Anwaltszwang unterliegt, ist irreführend und damit im Sinne von § 58 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - unzutreffend. |
2. | Den Vorschriften der § 28 Satz 1 Nr. 2, § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, § 95 und § 104 Sachenrechtsbereinigungsgesetz - SachenRBerG - ist ein Vorrang des Bodenordnungsverfahrens nach § 64 Landwirtschaftsanpassungsgesetz - LwAnpG - vor der Sachenrechtsbereinigung zu entnehmen. |
Aus den Gründen
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
1. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht nicht entgegen, dass der Kläger sie zunächst ohne anwaltliche Vertretung beim Oberverwaltungsgericht eingelegt hat. Denn die Beschwerdeeinlegung ist sodann durch anwaltlichen Schriftsatz wiederholt worden, womit den Anforderungen des § 64§ 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 VwGO genügt worden ist.
Eine Fristversäumnis ist nicht aufgetreten, weil das angefochtene Urteil dem Kläger mit einer unrichtigen Rechtsmittelbelehrung zugestellt worden ist. Es liefen somit nicht die dort genannten Fristen, sondern die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO; diese ist eingehalten worden.
Die Rechtsmittelbelehrung enthielt den Zusatz:
Dieser Zusatz macht die Rechtsmittelbelehrung unzutreffend, weil er in Flurbereinigungssachen irreführend ist. Er lässt den Umkehrschluss zu, dass die Nichtzulassungsbeschwerde, die beim Flurbereinigungsgericht einzulegen ist, noch nicht dem Anwaltszwang unterliegt. In Wirklichkeit gilt aber bereits in diesem Verfahrensstadium der gesetzliche Anwaltszwang. Im einzelnen ist hierzu folgendes zu bemerken:
a) Durch Art. 4 des Sechsten Gesetzes zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze vom 1. November 1996 - BGBl I S. 1626 - (6. VwGOÄndG) ist mit Wirkung vom 1. Januar 1997 § 140 Satz 3 FlurbG eingefügt worden. Diese hier sinngemäß anwendbare (vgl. § 60 LwAnpG) Vorschrift besagt, dass der - gleichzeitig neu gefasste - § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verfahren von den Flurbereinigungsgerichten keine Anwendung findet. Sinn der Regelung ist es, diese Verfahren, die bei den Fachsenaten der Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe (§ 184 VwGO) anhängig werden (vgl. § 138 Abs. 1 Satz 1 FlurbG), von dem Anwaltszwang auszunehmen, der mit der Neufassung des § 67 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf die Oberverwaltungsgerichte erstreckt worden ist (vgl. BTDrucks 13/3993, S. 14). Unberührt davon bleibt die Geltung des § 67 Abs. 1 Satz 2 VwGO, wonach u.a. bereits für die Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde Anwaltszwang besteht. Dieser gilt somit auch für Nichtzulassungsbeschwerden, die gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 133 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO zunächst das Abhilfeverfahren beim Flurbereinigungsgericht durchlaufen müssen. In einer Nichtzulassungsbeschwerde soll immer ein von einem Anwalt geprüfter und gesichteter Streitstoff vorgetragen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Dezember 1996 - BVerwG 4 B 218.96 - Buchholz 310 § 67 VwGO Nr. 87).
b) Die Frage, ob eine Rechtsmittelbelehrung nach § 58 Abs. 1 VwGO auf den Vertretungszwang hinweisen muss, ist zumindest für die Nichtzulassungsbeschwerde verneint worden (vgl. BVerwGE 98, 126 <127>; Beschluss vom 27. August 1997 - BVerwG 1 B 145.97 - Buchholz 310 § 58 VwGO Nr. 67). Wenn aber - wie hier - ein derartiger Hinweis erfolgt, darf er für den Betroffenen nicht irreführend sein. Die Aussage, dass sich jeder Beteiligte, soweit er einen Antrag stellt, vor dem Bundesverwaltungsgericht anwaltlich vertreten lassen muss, ist zwar an sich zutreffend. Sie ist aber in Flurbereinigungssachen unvollständig und wirkt deswegen irritierend; denn sie erweckt den Eindruck, dass der Anwaltszwang erst im Anschluss an den Nichtabhilfebeschluss einsetzt, wenn die Beschwerde an des Bundesverwaltungsgericht weitergeleitet wird. Vorher befindet der Beschwerdeführer sich nicht "vor dem Bundesverwaltungsgericht", sondern vor dem Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts/Verwaltungsgerichtshofs, für den im übrigen kein Anwaltzwang gilt.
3. Entgegen der Ansicht der Beschwerde kommt der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Von der Beschwerde wird die Frage,
"ob es bei der Anwendung des § 64 LwAnpG ausreicht, wenn Bruchteilseigentümer oder Gesamthandseigentümer einen Zusammenführungsantrag stellen, der andere Teil der Eigentümer sich aber nicht landwirtschaftlich betätigt",
im Hinblick darauf für klärungsbedürftig angesehen, dass "einerseits ein Verfahren nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz und andererseits ein Verfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz notwendig" sei und entschieden werden müsse, welchem Verfahren Vorrang zukomme. Die Beschwerde ist der Meinung, "dass sämtliche Gebäudeeigentümer sowohl den Antrag stellen ... als auch landwirtschaftlich tätig sein" müssten. Diese Fragestellung rechtfertigt die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO nicht, weil sich das Verhältnis des Bodenordnungsverfahrens nach § 64 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes (LwAnpG) i.d.F. der Bek. vom 3. Juli 1991 - BGBl I S. 1418 - zur Verwirklichung von Ansprüchen nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz (SachenRBerG) vom 21. September 1994 - BGBl I S. 2457 - unmittelbar aus dem Gesetz ergibt.
Die Sachenrechtsbereinigung ist ebenso wie das Bodenordnungsverfahren ein Regelungsinstrument zur Bereinigung der sachenrechtlichen Konflikte, die infolge der Trennung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum in der DDR aufgetreten sind (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SachenRBerG). Ein wesentlicher Unterschied zum Bodenordnungsverfahren besteht darin, dass die Sachenrechtsbereinigung nicht im Rahmen eines öffentlich-rechtlichen Zuweisungsverfahrens erfolgt. Statt dessen wird dem Nutzer (vgl. § 9 SachenRBerG) ein Wahlrecht auf Bestellung eines Erbbaurechts oder auf Ankauf des Grundstücks eingeräumt (vgl. § 15 Abs. 1 SachenRBerG). Die damit begründeten Ansprüche hat der Nutzer vorab in einem notariellen Vermittlungsverfahren (vgl. §§ 87 ff. SachenRBerG) zu verfolgen, das in ein Klageverfahren mündet, wenn die Vermittlung erfolglos bleibt (vgl. §§ 103 ff. SachenRBerG).
Das Verhältnis der Sachenrechtsbereinigung zum Bodenordnungsverfahren nach § 64 LwAnpG regeln § 28 Satz 1 Nr. 2, § 90 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4, § 95 und § 104 SachenRBerG. Den genannten Vorschriften ist ein Vorrang des Bodenordnungsverfahrens vor der Sachenrechtsbereinigung zu entnehmen. Dies gilt nicht erst ab dem Zeitpunkt, in dem ein Bodenordnungsverfahren angeordnet worden ist (vgl. § 28 Satz 1 Nr. 2 SachenRBerG). Vielmehr ist bereits der Antrag auf Zusammenführung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum nach § 64 LwAnpG ein Verfahrenshindernis für die weitere Verfolgung von Ansprüchen nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz. Er führt zur Einstellung des notariellen Vermittlungsverfahrens (vgl. § 95 SachenRBerG), was zur Folge hat, dass eine Sachurteilsvoraussetzung für die klageweise Geltendmachung der Ansprüche fehlt (vgl. § 104 SachenRBerG). Ein Erfordernis, dass der oder die Antragsteller landwirtschaftlich tätig sein müssen, kennt das Gesetz nicht. Die von § 64 LwAnpG ermöglichte Zusammenführung von Grundstücks- und Gebäudeeigentum ist weder auf landwirtschaftliche Flächen beschränkt noch ausschließlich auf eine Rückkehr zu landwirtschaftlicher Nutzung gerichtet (vgl. BVerwGE 105, 128 <133>; 107, 177 <181>).Anmerkung
Vorinstanz: Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 29.07.1999 - Nr. OVG 9K 13.98 = RdL 2000, 129.