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von Anonymer Benutzer

RzF - 19 - zu § 140 FlurbG

Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 15.11.1976 - IX G 50/75

Aktenzeichen IX G 50/75 Entscheidung Urteil Datum 15.11.1976
Gericht Flurbereinigungsgericht Münster Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Flurbereinigungsbehörde kann sich einem Teilnehmer gegenüber vertraglich verpflichten, einen unanfechtbar gewordenen Flurbereinigungsplan zu ändern.

Aus den Gründen

Der Kläger macht bei verständiger Würdigung seines Vorbringens geltend, in der mündlichen Verhandlung vom 20.2.1975 sei ein Vertrag zustandegekommen, durch den das beklagte Amt in zweierlei Hinsicht Verpflichtungen übernommen habe. Einmal die Verpflichtung, durch Nachtrag zum Flurbereinigungsplan einen bis zum 30.6.1975 abschließend vorbereiteten Grundstücksaustausch zu vollziehen, der darin bestehen sollte, daß der Kläger das Abfindungsgrundstück mit dem in Rechnung gestellten Holzaufwuchs an einen anderen veräußerte, der den festgesetzten Holzausgleichsbetrag an die Teilnehmergemeinschaft zahlen sollte, und daß der Kläger für den Veräußerungserlös ein Grundstück ohne Holzaufwuchs von einem anderen erwarb. Zum anderen die Verpflichtung, an dem Zustandekommen des Grundstücksaustausches in der Weise mitzuwirken, daß das beklagte Amt dem Kläger eine zum Erwerb des Abfindungsgrundstücks und zur Zahlung des festgesetzten Holzausgleichs bereite Person nachzuweisen hatte. Nach dem Klagevorbringen sollte der Zweck dieses Vertrages darin bestehen, daß der Kläger und seine Schwester letztlich von der Zahlung des Holzausgleichs freigestellt wurden. Da diese Folge nach dem Inhalt des geltend gemachten Vertrages zur Voraussetzung hatte, daß bis zum 30.6.1975 ein Grundstücksaustausch abschließend vorbereitet war, an dessen Zustandekommen das beklagte Amt mitzuwirken hatte, diese Voraussetzung aber nicht mehr erfüllt werden kann, begehrt der Kläger mit der vorliegenden Klage sinngemäß, so gestellt zu werden, wie er hinsichtlich des Holzausgleichs gestanden hätte, wenn das beklagte Amt seiner Pflicht zur Mitwirkung an dem Zustandekommen des Grundstücksaustausches fristgerecht nachgekommen wäre. Er begehrt damit Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer vertraglich begründeten Mitwirkungspflicht; als Schadensersatz würde in Betracht kommen, daß das beklagte Amt den Holznachtrag insoweit aufhebt, als der Kläger und seine Schwester mit Zahlungspflichten belastet sind.

Das Flurbereinigungsgericht ist gemäß § 140 des Flurbereinigungsgesetzes vom 14.7.1953, BGBl I 591, seit dem 1.4.1976 in der Neufassung vom 16.3.1976, BGBl I 546, (FlurbG) zur Entscheidung über das Schadensersatzbegehren zuständig. Der geltend gemachte Vertrag hat eine Änderung des Flurbereinigungsplans zum Gegenstand und ist damit dem öffentlichen Recht zuzuordnen, so daß es um einen Schadensersatzanspruch aus einem öffentlich-rechtlichen Vertrag geht. Für diesen Streit liegen die Voraussetzungen des Zivilrechtswegs gemäß § 40 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) nicht vor. Vielmehr ist der Verwaltungsrechtsweg nach § 40 Abs. 1 VwGO gegeben. Schon nach dem bisherigen Recht kommt diese Vorschrift zur Anwendung, wenn Ansprüche aus öffentlich-rechtlichem Vertrag, auch wenn sie auf Schadensersatz gerichtet sind, geltend gemacht werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.5.1973 - VII C 2.72 -, Neue Juristische Wochenschrift 1973, 2172; OVG Lüneburg, Urteil vom 29.3.1968 - I A 54/66 -, Die Öffentliche Verwaltung 1968, 803, 805). Diese Rechtslage wird nunmehr klargestellt durch die am 1.1.1977 in Kraft tretende Vorschrift des § 97 Nr. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes vom 25.5.1976, BGBl I 1253, durch die § 40 Abs. 2 Satz 1 VwGO wie folgt neu gefaßt wird: "Für vermögensrechtliche Ansprüche aus Aufopferung für das gemeine Wohl und aus öffentlich-rechtlicher Verwaltung sowie für Schadensersatzansprüche aus der Verletzung öffentlich-rechtlicher Pflichten, die nicht auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben". Da Streitigkeiten über Schadensersatzansprüche aus öffentlich-rechtlichem Vertrag ausdrücklich von der Zuweisung an die Zivilgerichte ausgenommen werden, wird bestätigt, daß für sie die Rechtswegregelung des § 40 Abs. 1 VwGO gilt.

Der Klage steht nicht entgegen, daß der Kläger die seinerzeit gegen den Holznachtrag erhobene Klage - IX G 1/74 - am 20.2.1975 zurückgenommen hat und der Holznachtrag damit unanfechtbar geworden ist. Bei dieser Klage hat es sich um eine Anfechtungsklage gehandelt, mit der das Bestehen einer Erstattungspflicht aus § 50 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FlurbG bestritten wurde. Bei der vorliegenden Klage handelt es sich jedoch nicht um eine Anfechtungsklage, vielmehr um eine Verpflichtungsklage, die darauf gestützt wird, daß sich nachträglich ein Sachverhalt ergeben habe, aufgrund dessen das beklagte Amt zur Aufhebung des - unanfechtbar gewordenen - Holznachtrags verpflichtet sei.

Das nach § 141 Abs. 1 FlurbG erforderliche Vorverfahren liegt vor. Der Kläger hat mit Schreiben vom 3.9.1975 Ansprüche aus dem von ihm behaupteten Vertrag geltend gemacht. Mit Schreiben vom 12.9.1975 hat das beklagte Amt solche Ansprüche verneint. Das darauf vom Kläger eingereichte Schreiben vom 18.9.1975, das dem Beklagten Veranlassung gab, seinen Standpunkt zu überprüfen, und das zu dem den bisherigen Standpunkt bestätigenden Bescheid des Beklagten vom 31.10.1975 geführt hat, hatte den Charakter eines Widerspruchs. Dieser galt gemäß § 142 Abs. 3 FlurbG in der alten Fassung nach Ablauf einer Frist von 6 Monaten als abgelehnt.

Die Klage ist jedoch nicht begründet.

Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hat entweder der Zeuge G. oder der Zeuge B. im Laufe der mündlichen Verhandlung vom 20.2.1975 dem Kläger gegenüber eine Erklärung abgegeben, durch die das beklagte Amt verpflichtet werden sollte, einen bis zum 30.6.1975 abschließend vorbereiteten Grundstücksaustausch durch Nachtrag zum Flurbereinigungsplan zu vollziehen. Die Aussagen der Zeugen bestätigen übereinstimmend oder einander ergänzend die Abgabe einer Erklärung dieses Inhalts, vermitteln allerdings kein klares Bild darüber, wer von den beiden Zeugen die Erklärung abgegeben hat. Nach den gesamten Umständen, wie sie sich anhand der Zeugenaussagen ergeben, kam dieser Erklärung der Wert einer rechtsgeschäftlichen Erklärung des Inhalts zu, daß das beklagte Amt aufgrund rechtlicher Bindung einen vollziehenden Plannachtrag erlassen sollte, falls der in Erwägung gezogene Grundstücksaustausch bis zum 30.6.1975 abschließend vorbereitet war. Die Erklärung sollte Grundlage für Dispositionen sein, die der Kläger bis zum 30.6.1975 zu treffen hatte.

Dies konnte sie sinnvoller Weise nur sein, wenn der Kläger mit Bestimmtheit damit rechnen konnte, daß ein von ihm bis zum 30.6.1975 vorbereiteter Grundstücksaustausch tatsächlich auch durch Plannachtrag vollzogen würde. Diese notwendige Gewißheit hatte der Kläger jedoch nur, wenn die Erklärung, einen vollziehenden Nachtrag zu erlassen, auf rechtliche Bindung gerichtet war.

Die Beweisaufnahme bestätigt danach im wesentlichen die Tatsache, aus denen der Kläger die - mit Ablauf des 30.6.1975 gegenstandslos gewordene - Verpflichtung des beklagten Amtes ableitet, einen bis zum 30.6.1975 abschließend vorbereiteten Grundstücksaustausch durch Nachtrag zum Flurbereinigungsplan zu vollziehen. Anders verhält es sich jedoch hinsichtlich der geltend gemachten Pflicht des Beklagten zur Mitwirkung an dem Zustandekommen dieses Grundstücksaustausches, aus der der Kläger jetzt den begehrten Schadensersatz herleitet. Die Beweisaufnahme hat nicht ergeben, daß dem Kläger gegenüber eine auf die Begründung einer solchen Pflicht gerichtete Erklärung abgegeben worden ist. Nach den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen hat während der mündlichen Verhandlung der Zeuge G. eine Äußerung gemacht, die den Fragenkreis der Mitwirkung berührt. Der Zeuge G. hat bekundet, er habe, nachdem er den Kläger gefragt habe, ob er bereit sei, das Abfindungsgrundstück mit dem beanstandeten Holzaufwuchs zu verkaufen, erklärt, er "wüßte eventuell einen Interessenten, der grundsätzlich im E.-Raum Waldgrundstücke aufkaufe". Ähnlich lautet die Aussage des Zeugen N., nach welcher der Zeuge G. im Laufe der Verhandlung erklärt hat, "er könne jemanden nennen, der Waldgrundstücke aufkaufe und voraussichtlich zur Übernahme des Abfindungsgrundstücks mit dem Holzaufwuchs bereit sein würde". Der Zeuge Dr. D. weiß sich daran zu erinnern, daß der Zeuge G. "von einem Interessenten gesprochen" hat. Nach der Erinnerung des Zeugen B. hat der Zeuge G. "davon gesprochen, daß er einen Interessenten für das Abfindungsgrundstück des Klägers an der Hand hätte". Ein Erklärungswert des Inhalts, daß zu Lasten des beklagten Amtes eine Mitwirkungspflicht begründet werden sollte, läßt sich der Äußerung des Zeugen G. jedoch nicht entnehmen. Die Begründung von Rechtsfolgen setzt eine Willenserklärung voraus. Die von den Zeugen gebrauchten Wendungen, mit denen die Äußerung des Zeugen G. wiedergegeben werden, weisen jedoch keinerlei Sprachgebrauch auf, durch den eine auf den Eintritt von Rechtsfolgen gerichtete Willenserklärung üblicherweise verlautbart wird. Es handelt sich hier vielmehr um eine Willenserklärung, wobei das für einen Grundstücksaustausch relevante Wissen zudem in sehr behutsamer Form zur Kenntnis gebracht wird. Die Äußerung, wie sie von den Zeugen geschildert wird, läßt sich ausreichend dadurch erklären, daß die Beteiligten von einer alleinigen Verantwortung des Klägers für das Zustandekommen des Grundstücksaustausches ausgingen. Eine solche alleinige Verantwortung entsprach auch der Interessenlage. Die Behörde hatte ein Interesse daran, daß der Teilnehmergemeinschaft der festgesetzte Holzausgleich zufloß. Mit diesem Interesse war es vereinbar, wenn dem Kläger mit Rücksicht auf dessen Interessen, nicht mit dem Holzausgleich belastet zu bleiben, die Möglichkeit eines Grundstücksaustausches eingeräumt wurde, der zur Folge gehabt hätte, daß der Kläger von der Zahlung des Holzausgleichs freigestellt und der Holzausgleich durch einen Dritten an die Teilnehmergemeinschaft gezahlt worden wäre. Es sind jedoch keinerlei Anhaltspunkte für ein Interesse der Behörde erkennbar, hinsichtlich der Vorbereitung des Grundstücksaustausches irgendwelche Pflichten zu übernehmen, deren Nichterfüllung Ersatzansprüche zur Folge haben und damit das Interesse der Behörde an der Zahlung des Holzausgleichs gefährden konnte. Namentlich kann nicht von einem Interesse der Behörde an einer Verpflichtung, eine zum Erwerb des Abfindungsgrundstücks und zur Zahlung des Holzausgleichs bereite Person nachzuweisen, wie der Kläger sie jetzt geltend macht, ausgegangen werden. Die Erfüllbarkeit einer solchen hinsichtlich der Erwerbsbedingungen zudem nicht näher bestimmten Verpflichtung war weder von dem Zeugen G. noch von dem Zeugen B. auch nur annähernd abzuschätzen. Die geltend gemachte Nachweisungspflicht wäre damit praktisch einer Garantiepflicht gleichgekommen, die in hohem Maße zu einer Gefährdung der Zahlung des Holzausgleichs führen konnte und deshalb dem Interesse der Behörde geradezu entgegengesetzt war. Vielmehr ist davon auszugehen, daß der Kläger, wenn ihm schon in seinem Interesse die Möglichkeit eingeräumt wurde, durch einen Grundstücksaustausch eine eigene Zahlungspflicht letztlich abzuwenden, auch die alleinige Verantwortung für das Zustandekommen dieses Grundstücksaustausches haben sollte.