Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 02.11.1988 - 5 CB 7.85 = AgrarR 1989 S. 160= RdL 1989 S. 45

Aktenzeichen 5 CB 7.85 Entscheidung Beschluss Datum 02.11.1988
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen AgrarR 1989 S. 160 = RdL 1989 S. 45  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die theoretische Möglichkeit, daß ein nur auf Zeit ernannter ehrenamtlicher Richter des Flurbereinigungsgerichts nach Beendigung seiner richterlichen Tätigkeit wieder als Beamter der Flurbereinigungsverwaltung verwendet wird, schließt dessen Mitwirkung als technischer Fachbeisitzer nicht aus.

Aus den Gründen

Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Besetzung des Flurbereinigungsgerichts mit dem ehrenamtlichen Richter, Baudirektor X., bestehen nicht. Entgegen der Annahme des Klägers zu 2 war das Flurbereinigungsgericht nicht schon deswegen vorschriftswidrig besetzt, weil dieser ehrenamtliche Richter an der Verhandlung und Entscheidung der vorliegenden Streitsache mitgewirkt hat (§ 139 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz, Abs. 2 Satz 2 erster Halbsatz FlurbG).

Dieser ehrenamtliche Richter ist nicht Mitglied des Vorstandes der beklagten Teilnehmergemeinschaft, er ist auch nicht Beamter der Flurbereinigungsbehörde, deren Aufsicht die Beklagte untersteht (§ 17 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Er steht seit seiner Versetzung an den Bayer. Verwaltungsgerichtshof auch nicht mehr im Dienste der Bayer. Flurbereinigungsverwaltung, wie die als Vertreterin des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligte Landesanwaltschaft Bayern unter Bezugnahme auf die Auskunft des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mitgeteilt hat. Wie dem Schriftsatz vom 23.08.1985 entnommen werden kann, wird dies vom Kläger zu 2 jetzt nicht mehr bestritten, der allerdings wegen der Möglichkeit einer nicht auszuschließenden Wiederverwendung des benannten Fachbeisitzers in der Bayer. Flurbereinigungsverwaltung trotz erfolgter Wiederbestellung zum ehrenamtlichen Richter im Hinblick auf die zeitlich begrenzte Richterfunktion auf eine einer institutionalisierten Befangenheit vergleichbare verbleibende psychologische Zwangssituation hinweist. Da der ehrenamtliche Richter unbestritten nicht mehr aktiver Beamter der Bayer. Landeskulturverwaltung ist, liegt der von der Rechtsprechung hervorgehobene, einer flurbereinigungsrichterlichen Mitwirkung entgegenstehende Hinderungsgrund des aktiven Beamtenstatus hier nicht vor (BVerwGE 4, 191 ff.; 44, 96 <99 f.>; vgl. hierzu auch BVerfGE 4, 331 <346 f.>). Damit wird der durch Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG geforderten Trennung zwischen vollziehender Gewalt und Rechtsprechung Rechnung getragen (vgl. BVerfGE 27, 312 <321>), die nicht mehr eingehalten wäre, wenn ein Beamter in Fällen gleicher Art, in denen er weisungsgebunden im Rahmen der Verwaltung beschäftigt ist, als Richter eingesetzt würde, um in Prozessen, die gegen seine eigene Verwaltung gerichtet sind, an der Verhandlung und Entscheidung mitzuwirken und damit Recht zu sprechen (BVerwGE 4, 191 <192>; BVerfGE 4, 331 <346 f.>).

Wenn unter dem Gesichtspunkt des verfassungsrechtlichen Gebots der Gewaltenteilung zu fordern ist, daß die richterliche Neutralität nicht durch eine mit Art. 20 Abs. 2 Satz 2 und Art. 92 GG unvereinbare persönliche Verbindung zwischen Ämtern der Rechtspflege und Verwaltung in Frage gestellt wird (BVerfGE 18, 241 <254>; 26, 186 <197>; 54, 159 <166>), so ist dies danach vorliegend nicht der Fall. Aus der Aufgabe der sachgerechten Wahrnehmung richterlicher Aufgaben läßt sich im übrigen auch die Notwendigkeit ableiten, auf bestimmten Sachgebieten Personen an der Rechtsprechung zu beteiligen, die - wie der vorangeführte ehrenamtliche Richter als technischer Beisitzer - über einschlägige Fachkenntnisse verfügen und deshalb zu einer lebensnahen und sachlich zutreffenden Urteilsfindung beitragen können, ohne daß sich allein hieraus eine generelle Inkompatibilität zwischen richterlicher Tätigkeit und Verwaltungstätigkeit herleiten ließe (BVerfGE 54, 159 <166 f.>). Entgegen der Auffassung des Klägers zu 2 besteht schon mangels einer Ämterverbindung zwischen (früherer) Verwaltungstätigkeit und (derzeitiger) ehrenamtlicher Richtertätigkeit weder die Gefahr eines generellen Pflichtenwiderstreits noch einer generellen Sachbefangenheit. Die richterliche Neutralität schließt (statusrechtliche) Beamte nicht schlechthin von jeglicher richterlicher Tätigkeit aus (BVerwGE 44, 96 <100>). Aus diesem Grunde hat das Bundesverwaltungsgericht auch die Mitwirkung aktiver Beamter der Flurbereinigungsverwaltung eines Bundeslandes an flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren eines anderen Bundeslandes als verfassungsrechtlich unbedenklich angesehen (Beschluß vom 22.07.1988 - BVerwG 5 B 115.88, Beschlußabdruck S. 5 m. w. N.).

Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb geboten, weil der in Satz 2 des § 139 Abs. 2 FlurbG genannte ehrenamtliche Richter nach Satz 3 dieser Vorschrift nur auf Zeit, nämlich auf die Dauer von fünf Jahren, ernannt wird (vgl. BVerwGE 44, 96 <101>; BVerfGE 18, 241 <255>). Auch wenn dies entgegen der bisherigen Praxis des Freistaates Bayern dazu führen würde, daß der ehrenamtliche Richter nach Beendigung seiner richterlichen Tätigkeit wieder als Beamter der Bayer. Flurbereinigungsverwaltung verwendet würde, könnten daraus durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken nicht hergeleitet werden. Zwar gehört es zum Wesen der richterlichen Tätigkeit, daß sie von einem nicht beteiligten Dritten in sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird (BVerfGE 26, 186 <198>; 42, 206 <209>). Deshalb gebietet die durch Art. 97 Abs. 1 GG sowohl den Berufs- als auch den Laienrichtern garantierte sachliche Unabhängigkeit, daß der Beamte, soweit er richterliche Tätigkeit ausübt, frei von Weisungen bleibt und nur an das Gesetz gebunden ist (BVerfGE 27, 312 <322>; BVerwGE 44, 96 <100>). Dies ist indessen auch bei Beamten als Fachbeisitzern i. S. d. § 139 Abs. 2 Satz 2 FlurbG durch § 45 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 25 DRiG gewährleistet.

Daß sie im Anschluß an ihre richterliche Tätigkeit theoretisch als Beamte reaktiviert werden könnten, ändert daran nichts.