Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 24.04.1980 - F 165/77
Aktenzeichen | F 165/77 | Entscheidung | Urteil | Datum | 24.04.1980 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Frage einer partiellen Geschäfts- und Prozeßunfähigkeit der Kläger. |
Aus den Gründen
Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum kann nach § 104 Nummer 2 BGB in dem Verhalten der Kläger eine partielle Geschäftsunfähigkeit und damit gemäß § 62 Absatz 1 Nummer 1 VwGO auch eine partielle Prozeßunfähigkeit gegeben sein. Die Frage, ob sich eine Partei in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, läßt sich zwar in der Regel nur mit Hilfe medizinischer Gutachten beantworten. Ohne die Mitwirkung medizinischer Sachverständiger kann vom Gericht eine partielle Prozeßunfähigkeit angenommen werden, wenn die maßgeblichen Umstände auch einem medizinisch nicht vorgebildeten Laien den eindeutigen Schluß auf diese Eigenschaft gestatten (vergleiche BVerwG, Urteil vom 25.01.1973 - V C E 119/69; Hess. VGH, Urteil vom 01.06.1967 in DÖV 1967, Seite 757; Urteil vom 18.10.1978 - I OE 69/75; Eyermann - Fröhler, 7. Auflage, 1977, Randnummer 10 a, § 62 VwGO; Kopp, 4. Auflage, 1979 Anmerkung 2 zu § 62 VwGO). Ein solcher Fall ist hier gegeben. Die Kläger rufen ständig in sich steigerndem Maße das Gericht mit völlig unverständlichen Schriftsätzen und Eingaben an. Nicht nur der Inhalt ihrer Eingaben und Schriftsätze einschließlich der fast regelmäßig mit völlig unverständlichen Bemerkungen versehenen mitübersandten, sie betreffenden Schreiben anderer, sondern auch ihr Verhalten gegenüber dem erkennenden Gericht vermitteln ohne Zuziehung eines medizinischen Sachverständigen dem Senat die Gewißheit, daß die Kläger für das vorliegende Verfahren prozeßunfähig sind. Sie sind nämlich nicht in der Lage, im anhängigen Verfahren das für sie nützliche und zweckmäßige zu erkennen und danach zu handeln. Sie zeigen auch nicht die Spur einer positiven Reaktion auf gerichtliche Verfügungen. Sie reagieren nämlich nicht auf Auflagenbeschlüsse, und zwar wie in den vier abgeschlossenen Verfahren III F 19/75, III F 22/75, III F 142/75 und III F 99/76 auch im hier anhängigen Verfahren und weigern sich, einen gemeinsamen Bevollmächtigten zu bestellen, der in der Lage ist, sachgerechte Anträge zu stellen und einen Sachverhalt verständlich zu unterbreiten. Erst recht ignorieren sie jede Aufklärungsverfügung. Sie verweigern ständig die Annahme von an sie gerichteten einfachen Briefen des Gerichts. Zugestellte Verfügungen oder Beschlüsse des Gerichts senden sie teilweise ungeöffnet und teilweise wiederum mit völlig unverständlichen Bemerkungen versehen zurück. Entsprechend haben sich die Kläger bereits im Zusammenhang sogar mit der Zustellung des Urteils im Verfahren III F 99/76 verhalten. Noch unverständlicher ist es, wenn die Kläger an sie gerichtete Schreiben anderer Stellen zum Teil ungeöffnet an das erkennende Gericht senden. Auch die sich ständig steigernde Anzahl der Eingaben innerhalb einer bestimmten Zeit läßt erkennen, daß die bei den Klägern in Bezug auf die Anrufung des Flurbereinigungsgerichts vorhandene Störung ihrer Geistestätigkeit nicht nur vereinzelt in Erscheinung getreten ist, sondern sich zu einem verschlimmerten Dauerzustand entwickelt hat.
Weil nach alledem die Kläger völlig außerstande sind, überhaupt wenigstens einen geringen Teil ihres unsinnigen, nicht verständlichen Verhaltens im anhängigen Verfahren zu erkennen, ist ihre Geistestätigkeit offensichtlich krankhaft und so gestört, daß dadurch ihre freie Willensbetätigung ausgeschlossen ist. Für die Kläger, die nicht in der Lage waren, zu erkennen, daß es zweckmäßiger und besser für sie ist, ihre Interessen im anhängigen Verfahren von einem gemeinsamen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, brauchte auch kein Vertreter durch den erkennenden Senat bestellt zu werden. Die Voraussetzungen der dazu einzig in Betracht kommenden Vorschrift des § 57 ZPO in Verbindung mit § 173 VwGO und § 138 FlurbG liegen nicht vor. Die prozeßunfähige Partei wird nämlich hier nicht verklagt, sondern wendet sich selbst an das Gericht. Auch in entsprechender Anwendung des § 57 ZPO bestand keine Verpflichtung zur Vertreterbestellung. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwGE 25, 36) hat die Verpflichtung zur Bestellung eines Vertreters lediglich auf den Fall beschränkt, daß der Prozeßunfähige Hilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz begehrt und seine Hilfsbedürftigkeit möglicherweise durch die geistige Behinderung hervorgerufen worden ist. Ein solcher auch nur annähernd ähnlicher Sachverhalt ist hier nicht gegeben.