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von Anonymer Benutzer

RzF - 65 - zu § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 14.10.1976 - V C 10.76

Aktenzeichen V C 10.76 Entscheidung Urteil Datum 14.10.1976
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Nichterörterung möglicher Planänderungen im gerichtlichen Verfahren führt zur Verletzung des rechtlichen Gehörs (Bestätigung von BVerwGE 47, 87).

Aus den Gründen

Die Revision führt zur Zurückverweisung der Sache an das Flurbereinigungsgericht, soweit sich die Klägerin gegen die Zuerkennung einer Geldabfindung und eines Geldausgleichs anstelle der von ihr begehrten Abfindung in Land wendet.

Insoweit beruht das angefochtene Urteil auf dem von der Klägerin geltend gemachten Mangel der Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, §§ 108 Abs. 2, 138 Nr. 3 VwGO). Diese Rüge ist ordnungsgemäß erhoben. Die Klägerin hat zwar zunächst in dem Umstand, daß das Flurbereinigungsgericht die von ihm in Aussicht genommene Geldabfindung anstelle der von ihr begehrten und ihr in dem Beschwerdebescheid vom 27.7.1971 auch teilweise zuerkannten Vergrößerung ihrer Landabfindung nicht vor seiner Entscheidung mit den Prozeßbeteiligten erörtert habe, eine Verletzung der Aufklärungspflicht gesehen. Diese unzutreffende, erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist korrigierte Bezeichnung des Verfahrensmangels ist jedoch unschädlich. Die Klägerin hat substantiiert vorgetragen, daß sie mangels eines entsprechenden Hinweises des Flurbereinigungsgerichts nicht in der Lage war, die von ihrem Standpunkt aus gegen eine Abfindung in Geld statt Land sprechenden Tatsachen und rechtlichen Gesichtspunkte dem Gericht vorzutragen. Das sind Umstände, die den Verfahrensmangel der Versagung rechtlichen Gehörs ergeben. Eine ausdrücklich diese Bezeichnung des Mangels verwendete Rüge ist nicht erforderlich (BVerwGE 22, 271; 47, 87).

Die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs ist begründet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müssen in Verfahren, die die Anfechtung von Flurbereinigungsplänen zum Gegenstand haben, die möglicherweise zu erwartenden Planänderungen vor Erlaß des Urteils bekanntgegeben werden. Das folgt aus der Verpflichtung des Flurbereinigungsgerichts, in Streitigkeiten dieser Art auch nachzuprüfen, ob die Flurbereinigungsbehörde von ihrem Ermessen einen zweckmäßigen Gebrauch gemacht hat (§ 146 Nr. 2 FlurbG), und, wo dies nicht der Fall ist, den Flurbereinigungsplan im Rahmen des gleichen Ermessens, das auch der Flurbereinigungsbehörde zusteht, zu ändern oder zu ergänzen (§ 144 FlurbG). Diese sich nicht in der Aufhebung eines fehlerhaften Verwaltungsaktes erschöpfende Befugnis des Gerichts macht es aus Gründen der Gewährung ausreichenden rechtlichen Gehörs erforderlich, alle in Erwägung gezogenen Planänderungen den Beteiligten mitzuteilen und so zu erörtern, daß diese in die Lage versetzt werden, ihre Gesichtspunkte hierzu im vollen Umfang vorzutragen und dem Gericht eine differenzierte Prüfung aller für und gegen die für möglich erachteten Planänderungen sprechenden Umstände zu gestatten (Beschlüsse vom 15.9.1955 - BVerwGE 2, 197 -; vom 19.8.1960 - BVerwG I CB 56.60 -; Urteil vom 15.10.1974 - BVerwGE 47, 87 -). Hierauf muß um so mehr bestanden werden, als gegen Urteile des Flurbereinigungsgerichts eine weitere Tatsacheninstanz nicht eröffnet ist, im Revisionsverfahren aber weder eine Beweis- und Wertungssubstitution stattfindet noch die vom Flurbereinigungsgericht in den Fällen der § 144, § 146 Nr. 2 FlurbG vorzunehmende Ermessensentscheidung nachvollzogen werden kann.

Das Flurbereinigungsgericht hat diesem Grundsatz nicht Rechnung getragen. Das Ziel der Klage war, was insbesondere der von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gestellte Klageantrag deutlich macht, eine größere als die ihr durch den Spruchausschuß zuerkannte Abfindung in Land, insbesondere in Lage des Altflurstücks 663 zu erhalten. Dementsprechend hatte sie unter Hinweis auf die in dem Urteil des Flurbereinigungsgerichts vom 8.8.1969 festgestellte "Hoflastigkeit" ihrer Abfindung geltend gemacht, die ihr zustehende Landabfindung müsse vermehrt in der Feldmark statt in Hofnähe ausgewiesen werden. Ferner hatte sie sich gegen die ihrer Meinung nach zu hohe Bewertung der ihr aus den Einlageflurstücken 668 und 675 zugewiesenen Teilflächen sowie gegen die Zuweisung einer Erweiterungsfläche an ihrem Hofgrundstück mit Klasse 75 statt mit der geschätzten Wertzahl 1 gewehrt. Daß im Falle der Begründetheit ihrer Einwendungen eine Planänderung zur Erfüllung ihres alsdann bestehenden Anspruchs auf Mehrzuteilung von Land mit Rücksicht auf beachtliche Interessen anderer Teilnehmer nicht in Betracht komme, hat die mit den örtlichen Gegebenheiten am ehesten vertraute Beklagte in ihrer Klageerwiderung nicht vorgetragen. Der Klägerin kann deshalb nicht etwa vorgehalten werden, der Verfahrensverlauf hätte ihr Veranlassung geben müssen, von sich aus sich dazu zu äußern, wie ihr vermeintlicher Anspruch auf Mehrzuteilung von Land angesichts des Verfahrensstandes überhaupt verwirklicht werden könnte.

Unter diesen Umständen war das Gericht verpflichtet, die Beteiligten von seinen Erwägungen zu unterrichten, hinsichtlich der Ersatzflurstücke 508, 509 und 637 den vor Erlaß des Beschwerdebescheids bestehenden Planstand wiederherzustellen und die Klägerin wegen der dadurch eintretenden Minderabfindung in Land auf einen Geldausgleich gemäß § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG zu verweisen. Die Behauptung der Klägerin, ein solcher Hinweis sei unterblieben, steht im Einklang mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 13.9.1973, die nichts darüber enthält, daß solche Erörterungen stattgefunden haben. Die Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts, die auf der Feststellung beruht, Land zum Ausgleich der Minderabfindung der Klägerin sei nicht verfügbar und auch nicht durch eine die Interessen aller Beteiligten berücksichtigende Planänderung beschaffbar, mußte sonach die Klägerin überraschen. Sie hatte, was sie mit Recht geltend macht, keine Veranlassung, ihre nunmehr mit der Revision gegen die gerichtliche Planänderung vorgebrachten Einwendungen, im Flurstück 626 sei noch bestes Ackerland vorhanden, das statt als Weg zum Ausgleich ihrer Forderung verwendet werden könne, dem Flurbereinigungsgericht vorzutragen.

Die Verletzung des Grundsatzes der Gewährung rechtlichen Gehörs hat die gesetzliche Vermutung zur Folge, daß insoweit das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht (§ 138 Nr. 3 VwGO). Es bedarf deshalb keiner Prüfung, ob das Flurbereinigungsgericht, hätte es das Vorbringen der Klägerin berücksichtigt, zu einer ihr günstigen Entscheidung gekommen wäre. Entscheidend ist allein, daß die Klägerin keine Gelegenheit hatte, sich zu der für sie nicht vorhersehbaren Planänderung zu äußern und die ihrer Meinung nach hiergegen sprechenden Tatsachen dem Gericht vorzutragen. Das angefochtene Urteil muß daher aufgehoben werden, ohne daß darauf eingegangen zu werden braucht, ob die von der Klägerin erhobenen übrigen Verfahrens- und Sachrügen durchgreifen.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das Flurbereinigungsgericht nochmals zu prüfen haben, ob entgegen den in dem angefochtenen Urteil getroffenen tatsächlichen Feststellungen ohne Berücksichtigung der gegeneinander abzuwägenden Interessen anderer Beteiligter durch eine Planänderung Land zur Erfüllung des Abfindungsanspruchs der Klägerin bereitgestellt werden kann. Es wird dabei insbesondere den von der Klägerin im Revisionsverfahren gegebenen Hinweis auf eine anderweitig mögliche Plangestaltung im Bereich des Flurstücks 626 berücksichtigen müssen. Mit Recht rügt die Klägerin in diesem Zusammenhang auch, daß das Flurbereinigungsgericht bei der Prüfung der Frage, ob die Einleger der Altflurstücke 675 und 668 im Ausmaß der Schätzungsänderung zu Teilausgleichen zugunsten der Klägerin herangezogen werden können, seine tatsächlichen Feststellungen auf Vermutungen gestützt hat, statt sich durch eigene Ermittlungen davon zu überzeugen, ob und welche Änderungen in den für den Ertrag maßgebenden Bodenfaktoren seit Feststellung der Schätzungsergebnisse am 1.6.1965 eingetreten sind.