Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.09.1965 - VI C 57.63 = DVBl. 1967 S. 50= BVerwGE 22, 38
Aktenzeichen | VI C 57.63 | Entscheidung | Urteil | Datum | 06.09.1965 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = DVBl. 1967 S. 50 = BVerwGE 22, 38 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Begründung der Revision reicht die Vorlage eines von einem Rechtsanwalt zwar unterzeichneten, sonst aber unveränderten Schreibens der vertretenen Partei jedenfalls dann nicht aus, wenn der Streitstoff vom Rechtsanwalt weder geprüft, gesichtet noch rechtlich durchdrungen worden ist. |
Aus den Gründen
Der Kläger hat gegen das Urteil des Hessischen VGH innerhalb der Revisionsfrist Revision eingelegt und Ausführungen zur Begründung der Revision gemacht. Der im Umdruckverfahren hergestellte Schriftsatz trägt auf seiner ersten Seite links oben den Aufdruck eines Gummistempels mit Namen, Berufsangabe und Anschrift des Prozeßbevollmächtigten des Klägers, der seinen Sitz in Sch. (Württ.) hat. Rechts davon ist vor dem Datum als Ortsangabe auf dem Umdruck "L./D." enthalten, wo der Kläger wohnt. Der Kläger hat sodann nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist einen weiteren Schriftsatz eingereicht, der äußerlich genau dem früheren entspricht, wiederum im Umdruckverfahren hergestellt ist und den Gummistempelaufdruck des Prozeßbevollmächtigten des Klägers trägt, diesmal jedoch auch als Ortsangabe vor dem Datum "Sch."; diesen Schriftsatz hat der Kläger eigenhändig unterschrieben, unter seiner Unterschrift befindet sich die Unterschrift seines Prozeßbevollmächtigten und folgender Zusatz: "Der vom Kläger selbst verfaßte Schriftsatz wird auf ausdrücklichen Wunsch desselben in unverkürzter Form überreicht." Die Revision wurde verworfen.
Diese vorstehend erwähnten Schriftsätze genügen, und zwar auch der innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eingegangene, nicht den Anforderungen, die nach § 139 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 67 Abs. 1 VwGO an eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung gestellt werden müssen. Mit Rücksicht auf den durch § 67 Abs. 1 VwGO aufgestellten Grundsatz des Vertretungszwanges sind an eine Revisionsbegründung strenge Anforderungen zu stellen (so bereits Urteil vom 26.6.1961 - BVerwG VI C 5.59 -). Durch Beschluß vom 30.10.1961 - BVerwG III C 178.60 - (Buchholz BVerwG 310, § 139 VwGO Nr. 6) hat das BVerwG entschieden, daß zur Begründung der Revision nicht die Bezugnahme eines Rechtsanwalts auf ein Schreiben seiner Partei genügt, das diese in Unkenntnis des Vertretungszwanges innerhalb der Revisionsbegründungsfrist persönlich bei Gericht eingereicht hat. In diesem Beschluß hat das BVerwG dargelegt, daß eine solche Bezugnahme nicht erkennen läßt, daß die Anwälte die Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs vorgenommen haben, die allein als der Sinn des Vertretungszwanges nach § 67 VwGO anzusehen sind. Im Beschluß vom 10.12.1963 - BVerwG VI C 140.62 - hat sodann das BVerwG ausgesprochen:
Eine solche für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung erforderliche Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffes durch einen vom Kläger zur Durchführung der Revision bevollmächtigten Rechtsanwalt liegen auch hier nicht vor:
Die Schriftsätze, die der Kläger in der Revisionsinstanz hat einreichen lassen, sind von ihm selbst gefertigt worden. Das ergibt sich eindeutig daraus, daß es für den Schriftsatz vom November 1963 vom Prozeßbevollmächtigten des Klägers ausdrücklich bestätigt worden ist, daß die anderen Schriftsätze, insbesondere der allein innerhalb der Revisionsbegründungsfrist eingereichte vom 13.4.1963, diesem in der äußeren Form in so auffallender Weise gleichen, daß eine unterschiedliche Betrachtungsweise ausgeschlossen ist und daß dieser Schriftsatz vom 13.4.1963 als Ortsangabe den Wohnsitz des Klägers ausweist. Auch ist das Vorbringen der Beklagten, die Schriftsätze seien vom Kläger selbst gefertigt, nicht bestritten worden.
Der Prozeßbevollmächtigte des Klägers hat durch das Aufdrücken des Gummistempels mit seiner Anschrift und durch seine Unterschrift zwar äußerlich den Anschein erweckt, daß diese Schriftsätze von ihm stammten. Dies genügt jedoch hier nicht, weil es ersichtlich an der für eine formgerechte Begründung erforderlichen Sichtung und rechtlichen Durchdringung des Streitstoffes fehlt. Das ergibt sich daraus, daß der Prozeßbevollmächtigte des Klägers die von diesem gefertigten Schriftsätze lediglich weitergeleitet hat, und zwar ohne jegliche Änderung in formeller und materieller Hinsicht, obwohl die Ausführungen des Klägers vom juristischen und insbesondere revisionsrechtlichen Standpunkt aus zum großen Teil schlechterdings abwegig und unhaltbar sind.
Die Abwegigkeit dieses Vorbringens schließt es auch aus, daß ihm der Prozeßbevollmächtigte des Klägers etwa durch unveränderte Weitergabe der Schriftsätze unter seinem Namen nach Prüfung zugestimmt haben könnte. Außerdem hat er auf den oben erwähnten rügenden Hinweis der Beklagten in ihrer Revisionserwiderung, daß die Revisionsbegründung auch nach Form und Inhalt vom Kläger selbst verfaßt sei, nicht wenigstens erklärt, daß er die Schriftsätze deshalb unverändert einreiche, weil er sich nach einer eigenen Prüfung mit ihnen identifiziere, sondern im Gegenteil hat er durch die Nachschrift auf dem Schriftsatz des Klägers vom November 1963 ausdrücklich dessen eigene Verantwortung für das Vorbringen hervorgehoben. Im übrigen kann der Rechtsanwalt von der im Interesse einer geordneten Mitwirkung an der Rechtspflege vorgeschriebenen Pflicht zur Sichtung und rechtlichen Durchdringung des Streitstoffes durch einen Wunsch des Mandanten nach unveränderter Weitergabe von Informationsschriften nicht befreit werden.
Unter diesen Umständen genügt die ohne Durcharbeitung vorgenommene Weitergabe der Schriftsätze des Klägers trotz der Unterschrift seines Prozeßbevollmächtigten ebensowenig zur ordnungsgemäßen Begründung einer Revision wie die bloße Bezugnahme auf ein Schreiben der Partei.