Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 09.02.1971 - III F 66/69 = RdL 1971 S. 298
Aktenzeichen | III F 66/69 | Entscheidung | Urteil | Datum | 09.02.1971 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | = RdL 1971 S. 298 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Vertretung bei der Klageerhebung im Falle einer notwendigen Streitgenossenschaft, wenn nur ein Streitgenosse die Klagefrist versäumt hat. |
2. | Zur Statthaftigkeit von Prozeß- und Sachurteil bei einer in notwendiger Streitgenossenschaft erhobenen Klage. |
Aus den Gründen
Dem Kläger zu 1) steht auch nicht die über § 138 FlurbG und 64 VwGO anzuwendende Vorschrift des § 62 Abs. 1 ZPO zur Seite, wonach im Falle einer notwendigen Streitgenossenschaft der säumige Streitgenosse von dem nicht säumigen vertreten wird, wenn eine Frist versäumt worden ist.
Die Kläger sind Streitgenossen im Sinne von § 138 FlurbG und § 64 VwGO, §§ 59 ff. ZPO, da sie aufgrund ihrer verschiedenartigen Beteiligung am Flurbereinigungsverfahren mit der gemeinsamen Klage den Flurbereinigungsplan, soweit dessen nach § 58, § 47 FlurbG zu regelnden Festsetzungen des Landabzugs betroffen sind, anfechten. Die Klägerin zu 2) hat, wie noch auszuführen ist, fristgerecht Klage erhoben. Die Klage des Klägers zu 1) bezieht sich auf die in seinem Alleineigentum stehenden Altgrundstücke Flur 14 Nr. 129 und 130, die beider Kläger auf das ihnen zusammen zu je 1/2 gehörende Einlagegrundstück Flur 14 Nr. 131. Im Verhältnis dieser, aus der jeweiligen Eigentümer- und Teilnehmerstellung begründeten Klägerverbindung besteht eine einfache Streitgenossenschaft gemäß §§ 59 und 60 ZPO, für die die Vertretungsfiktion des § 62 Abs. 1 ZPO, die eine notwendige Streitgenossenschaft voraussetzt, von vornherein nicht in Betracht kommt, so daß die Klage des Klägers zu 1) wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig bleibt, soweit es sich um die von ihm eingebrachten Grundstücke Flur 14 Nr. 129 und 130 handelt. Hingegen liegt eine notwendige Streitgenossenschaft im Sinne vom § 62 Abs. 1 ZPO insoweit vor, als in Verbindung mit der Anfechtung des Flurbereinigungsplans das im Miteigentum beider Kläger stehende Altgrundstück Flur 14 Nr. 131 Gegenstand des Prozesses ist. Zwar können die Kläger als Miteigentümer gemäß § 1011 BGB jeder für sich selbständig Ansprüche aus dem Eigentum in Ansehen des ganzen Grundstücks geltend machen, was auch in entsprechender Anwendung dieser Bestimmung für öffentlich-rechtliche Ansprüche - hier aufgrund des Flurbereinigungsgesetzes - gilt (vgl. Urt. d. erk. Senats vom 23.12.1962 - F III 130/61 - nicht veröffentlicht-; Hess. VGH zu § 2038 Abs. 1 BGB in NJW 1958, S. 1203). Geschieht dies indessen in Form einer gemeinsamen Klage wie im vorliegenden Fall, dann liegt dem Streit ein Rechtsverhältnis zugrunde, daß gemäß § 62 Abs. 1 (1. Alternative) ZPO beiden Klägern gegenüber nur einheitlich festgestellt werden kann (vgl. RGZ 119 S. 163 (168); 157 S. 33 (35); Wieczorek, Komm. zur ZPO 1957, § 62 Anm. A II b 1; Baumbach-Lauterbach, Komm. z. ZPO 1966; § 62 Anm. 2 B Ule aaO, § 64 VwGO). Besteht danach für den Kläger zu 1) hinsichtlich eines Teiles des von ihm geltend gemachten Klageanspruchs eine notwendige Streitgenossenschaft mit der Klägerin zu 2), so kommt dem Kläger zu 1) gleichwohl die noch zu behandelnde fristgerechte Klageerhebung der Klägerin zu 2) insoweit nicht zugute. Denn die in § 62 Abs. 1 ZPO gesetzlich fingierte Vertretung für einen säumigen notwendigen Streitgenossen tritt nur ein, wenn für diesen die Frist, auf deren Wahrung es ankommt, noch nicht abgelaufen ist (vgl. RGZ 157 S. 33 (37); Rosenberg, Lehrbuch des deutschen Zivilprozeßrechts 1960, § 95 II 1, III 1 b; Baumbach-Lauterbach aaO, § 62 Anm. 4 A b). Für den Kläger zu 1) war die Klagefrist bereits am 8.5.1969 verstrichen, so daß die Klägerin zu 2) mit der am 9.5.1969 eingegangenen Klage ihren Ehemann, den Kläger zu 1), in Bezug auf eine fristgerechte Klageerhebung nicht vertreten konnte und nicht vertreten hat.
Die Klage des Klägers zu 1) ist mithin in vollem Umfange wegen Versäumung der Klagefrist unzulässig und daher abzuweisen.
Im übrigen hindert die teilweise bestehende notwendige Streitgenossenschaft nicht, daß im Fall des Klägers zu 1) ein Prozeßurteil wegen Unzulässigkeit der Klage ergeht und im Fall der Klägerin zu 2) eine Entscheidung zur Sache getroffen wird. Zwar ergibt sich aus § 138 FlurbG, § 64 VwGO, § 62 Abs. 1 ZPO, daß das streitige Rechtsverhältnis bezüglich der Streitgenossen nur einheitlich festgestellt werden kann. Damit soll jedoch lediglich gewährleistet sein, daß über die streitgenössische Klage sachlich einheitlich entschieden wird, d.h. es darf kein divergierendes Sachurteil ergehen. Es ist deshalb statthaft und steht nicht in Widerspruch zu § 62 Abs. 1 ZPO, wenn bei einer notwendigen Streitgenossenschaft über die Klage des einen Streitgenossen unter prozessualen und über die des anderen Streitgenossen unter sachlichen Gesichtspunkten befunden wird (vgl. RGZ 157 S. 33 ff.; Rosenberg aaO § 95 II 1, III 1 b; Wieczorek aaO, § 62 Anm. B I c, B IV b; Baumbach-Lauterbach aaO, § 62 Anm. 4 C a).