Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.06.1969 - III B 61.69 = DVBl. 1970 S. 279
Aktenzeichen | III B 61.69 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 21.06.1969 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = DVBl. 1970 S. 279 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | In der Rechtsmittelbelehrung braucht für eine Nichtzulassungsbeschwerde auf die Begründungspflicht und -frist nicht hingewiesen zu werden (Bestätigung der st. Rspr., zuletzt Beschluß vom 01.06.1965 - III B 25.65 = DÖV 1965, S. 497 = DVBl. 1965, S. 840 = (JR 1965, S. 395). |
2. | Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde kann nur innerhalb der Beschwerdefrist nachgeholt werden; eine weitere Frist sieht das Gesetz ebensowenig vor wie die Möglichkeit einer Verlängerung der Beschwerdefrist (Bestätigung des Beschlusses vom 02.02.1961 - VIII B 122.60 = Buchholz BVerwG 310, § 132 VwGO Nr. 10 = DVBl. 1961 S. 382 = NJW 1961, S. 1083). |
3. | Die Unkenntnis eines rechtskundigen Bevollmächtigten hinsichtlich der zu wahrenden Förmlichkeiten begründet keinen unverschuldeten Rechtsirrtum. |
4. | Der Antrag auf Akteneinsicht ist kein Hindernis für die rechtzeitige Einlegung der Beschwerde (Bestätigung des Beschlusses vom 14.11.1957 - IV C 155.57 = Verw. Rspr. Bd. 10 S. 511). |
Aus den Gründen
Die Auffassung der Klägerin, die Beschwerde sei deshalb noch rechtzeitig erhoben worden, weil die Rechtsmittelbelehrung keinen besonderen Hinweis auf die Begründungspflicht und -frist enthalten habe, so daß die Frist nicht in Lauf gesetzt worden sei (§ 58 Abs. 1 VwGO), geht fehl. Die dafür angeführte Entscheidung BVerwGE 5, 178 betrifft einen anderen Fall, nämlich die Belehrung über die Frist zur Revisionsbegründung. In dieser Entscheidung hat der Große Senat die Notwendigkeit, auf die Revisionsbegründungsfrist in der Rechtsmittelbelehrung hinzuweisen, damit begründet, daß die Revision, im Gegensatz zu anderen Rechtsbehelfen, aus zwei Teilen bestehe, nämlich der Revisionseinlegung und der Revisionsbegründung; das müsse auch die Rechtsmittelbelehrung berücksichtigen.
Zwar muß auch die Beschwerde begründet werden, jedoch ist diese Begründung nicht als selbständiger Teil des Rechtsmittels ausgebildet; die Begründung ist vielmehr eine bloße Förmlichkeit der Beschwerdefrist, auf die ebensowenig wie auf andere Förmlichkeiten hingewiesen werden muß (vgl. Noack, DÖV 1961, 216 (218)). Das Bundesverwaltungsgericht hat deshalb in ständiger Rechtsprechung angenommen, daß ein fehlender Hinweis auf den Begründungszwang die Belehrung nicht unvollständig oder unrichtig macht (vgl. Beschluß vom 14.10.1960 - BVerwG I B 127.60 - (Buchholz BVerwG 310, § 58 VwGO Nr. 1 = DVBl. 1960, 897); Beschluß vom 30.11.1960 - BVerwG VIII B 145.60 -(DVBl. 1961, 206 = NJW 1961, 380); Beschluß vom 02.02.1961 - BVerwG VIII B 122.60 - a.a.O.; Beschluß vom 01.06.1965 - BVerwG III B 25.65 - (DÖV 1965, 497 = DVBl. 1965, 840 = JR 1965, 395)). Von dieser Rechtsprechung abzugehen besteht kein Anlaß. Zur Frage der Belehrung über die Begründungspflicht bei der Nichtzulassungsbeschwerde wird, soweit ersichtlich, in der Literatur nur von Eyermann - Fröhler (Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflg. 1965, § 58 Anm. 7) und Redeker - v. Oertzen (Verwaltungsgerichtsordnung, 2. Auflg. 1965, § 58 Anm. 10) eine andere Auffassung vertreten, die bei ersteren nicht und bei letzteren nur mit der Erwägung begründet wird, die Beteiligten könnten sonst davon ausgehen, daß für die Begründung eine besondere Frist laufe und deshalb die Beauftragung eines Rechtsanwalts zu lange zurückstellen. Diese Erwägung braucht hier schon deshalb nicht weiter erörtert zu werden, weil im vorliegenden Fall die Klägerin schon bei der für den Fristlauf maßgeblichen Zustellung der angefochtenen Entscheidung anwaltlich vertreten war.
Wegen der Versäumung der Beschwerdefrist kann Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen (§ 60 VwGO) hierfür nicht vorliegen.
Die Fristen des § 60 Abs. 2 VwGO sind nicht gewahrt. Im übrigen war der Rechtsirrtum nicht unverschuldet. Von einem rechtskundigen Bevollmächtigten muß erwartet werden, daß er bei der Einlegung eines Rechtsmittels die zu wahrenden Förmlichkeiten kennt oder sich die erforderlichen Kenntnisse erwirbt (vgl. den oben angeführten Beschluß des beschließenden Senats vom 01.06.1965). Daß das Verschulden eines Bevollmächtigten den Verfahrensbeteiligten zuzurechnen ist, entspricht der herrschenden Meinung in Lehre und Rechtsprechung.
Ein Wiedereinsetzungsantrag, der auf die Notwendigkeit der Akteneinsicht gestützt wird, kann schon deshalb keinen Erfolg haben, weil Fehlen der Akteneinsicht nicht als Hindernis für die rechtzeitige Einlegung der Beschwerde i. S. des § 60 Abs. 1 VwGO anerkannt werden kann. Es handelt sich bei der Akteneinsicht um einen Fall der Ungewißheit über die Erfolgsaussicht des Rechtsmittels. Die Absicht, Zweifel über die Erfolgsaussicht auszuräumen, rechtfertigt nicht die Wiedereinsetzung bei Fristversäumnis (vgl. VGH Stuttgart, DVBl. 1953, 710; BVerwG, Beschluß vom 14.11.1957 - BVerwG IV C 155.57 - (VerwRspr. Bd. 10 S. 511)).