Flurbereinigungsgericht Münster, Beschluss vom 28.05.2019 - 9a B 595/19.G (Lieferung 2020)
Aktenzeichen | 9a B 595/19.G | Entscheidung | Beschluss | Datum | 28.05.2019 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | Lieferung | 2020 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gem. § 138 Abs.1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit § 123 Abs. 1 VwGO sind der für eine solche Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund vom Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO). (Redaktioneller Leitsatz) |
2. | Für eine vorläufige Untersagung des Wegebaus muss der Antragsteller Umstände darlegen, die darauf schließen lassen, dass der beabsichtigte Wegebau rechtswidrig sein und in zustehende Eigentumsrechte eingreifen könnte (Anordnungsanspruch). (Redaktioneller Leitsatz) |
3. | Als Anordnungsgrund ist die besondere Dringlichkeit des begehrten einstweiligen Rechtsschutzes glaubhaft zu machen. Für die vorläufige Untersagung des Wegebaus bedeutet dies, dass der Antragsteller glaubhaft machen muss, dass ihm durch die Wegebaumaßnahme auch vorübergehend nicht zumutbare Nachteile drohen. (Redaktioneller Leitsatz) |
4. | Der Widerruf einer Vollmacht nach dem Tod des Vollmachtgebers wirkt nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalles zurück (vgl. § 172 BGB). (Redaktioneller Leitsatz) |
Aus den Gründen
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist nach § 138 Abs. 1 Satz 2 des Flurbereinigungsgesetzes - FlurbG - in Verbindung mit § 123 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - zulässig, aber unbegründet.
Nach § 123 Abs. 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte; einstweilige Anordnungen sind ferner zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der für eine solche Anordnung erforderliche Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind vom Antragsteller darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 1 und 2, § 294 ZPO).
Die Antragstellerin hat keine Umstände dargelegt, geschweige denn glaubhaft gemacht, die darauf schließen, dass der beabsichtigte Wegebau rechtswidrig sein könnte und in ihr als Erbin zustehende Eigentumsrechte eingreifen könnte. Der Antragsgegner hat von dem Erlass einer vorläufigen Anordnung nach § 36 FlurbG abgesehen, weil es ihm gelungen ist, mit allen betroffenen Teilnehmern sog. Bauerlaubnisvereinbarungen abzuschließen. Es bestehen nach gegenwärtigem Sach- und Streitstand keine durchgreifenden Bedenken gegen die Wirksamkeit der von der Beigeladenen unter dem 7. März 2019 erteilten Bauerlaubnis. Hierzu war sie aufgrund der ihr von dem verstorbenen Teilnehmer H. U. am 11. Oktober 2012 erteilten Vollmacht befugt. Die Vollmacht sollte ausdrücklich mit Wirkung über dessen Tod hinaus gelten. Eine solche Vollmacht bedarf grundsätzlich nicht der für letztwillige Verfügungen vorgeschriebenen Form (vgl. § 167 Abs. 2 BGB). Sie soll regelmäßig gerade für solche Fälle gelten, in denen - wie hier - die Ermittlung des Rechtsnachfolgers oder zumindest dessen Legitimation längere Zeit in Anspruch nimmt.
Die Echtheit des Dokuments stellt die Antragstellerin nicht in Frage. Soweit sie die Vermutung äußert, dass ihr verstorbener Ehemann das maßgebliche Kreuz nicht selbst gezeichnet haben bzw. das maßgebliche Kreuz erst nachträglich eingesetzt worden sein könnte, handelt es sich um eine vage Vermutung, gegen deren Richtigkeit spricht, dass in der betreffenden Zeile das NEIN-Kästchen ersichtlich nicht angekreuzt worden ist. Darauf, ob er sich über die rechtliche Tragweite der erteilten Vollmacht in jeder Hinsicht - was die Antragstellerin ebenfalls vage bezweifelt - im Klaren war, kommt es nicht an, weil es sich dabei lediglich um einen grundsätzlich unbeachtlichen Inhalts- oder Motivirrtum handeln würde. Seine Geschäftsfähigkeit zum Zeitpunkt der Erteilung der Vollmacht stellt die Antragstellerin hingegen ausdrücklich nicht in Frage. Das Argument, ihr Ehemann hätte die Bauerlaubniserklärung niemals freiwillig unterschrieben, führt schon deshalb nicht weiter, weil die Vollmacht keine nach außen wirkende Bindung an - wie auch immer zu ermittelnde - Vorgaben des Vollmachtgebers enthält.
Der erst mit Schreiben vom 18. Mai 2019 erfolgte Widerruf der Vollmacht wirkt, auch wenn er inzwischen wirksam geworden sein sollte, jedenfalls nicht auf den Zeitpunkt des Erbfalls zurück (vgl. § 172 BGB). Bis zur Wirksamkeit des Widerrufs erfolgte Rechtshandlungen müssen die Erben im Falle einer über den Tod hinaus geltenden Vollmacht gegen sich gelten lassen.
Darüber hinaus ist die besondere Dringlichkeit des begehrten einstweiligen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) nicht glaubhaft gemacht. Es ist ungeachtet des fehlenden Anordnungsanspruchs derzeit nicht ansatzweise glaubhaft gemacht, dass der Antragstellerin durch die Wegebaumaßnahme auch vorübergehend nicht zumutbare Nachteile drohen. Wie der Antragsgegner substantiiert und nachvollziehbar vorgetragen hat, dient der betreffende Weg der nach § 44 Abs. 3 FlurbG erforderlichen Erschließung künftiger Zuteilungsflächen. Bewirtschaftungshindernisse, die auch vorübergehend nicht hinnehmbar wären, ergeben sich daraus nach den plausiblen Ausführungen des Antragsgegners für die Rechtsnachfolger des Teilnehmers nicht; insbesondere sollen die angedachten und den noch vom Teilnehmer selbst geäußerten Wünschen entsprechenden Zuteilungsflächen nicht durchschnitten werden. Im Übrigen bleibt der Anspruch auf wertgleiche Abfindung (§ 44 Abs. 1 FlurbG) durch diese Maßnahme des Antragsgegners unberührt.