Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 15.10.2015 - 9 C 10538/15.OVG = RdL 2016, 36-38 (Leitsatz und Gründe) (Lieferung 2017)
Aktenzeichen | 9 C 10538/15.OVG | Entscheidung | Urteil | Datum | 15.10.2015 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = RdL 2016, 36-38 (Leitsatz und Gründe) | Lieferung | 2017 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Für die Bestimmung des Streitwerts in einem Verfahren auf wertgleiche Landabfindung in der Flurbereinigung ergeben sich aus dem Wert der Einlagegrundstücke in der Regel keine genügenden Anhaltspunkte, so dass auf den Auffangstreitwert zurückzugreifen ist (Nr. 13.2.2 des Streitwertkatalogs 2013). |
2. | Bei der Bestimmung der Geschäftsgebühr setzt das Ausschöpfen des Gebührenrahmens durch einen Gebührensatz von 2,5 voraus, dass die anwaltliche Tätigkeit nicht nur umfangreich, sondern auch schwierig ist. Letzteres ist nicht bereits deshalb der Fall, weil sie das Flurbereinigungsrecht betrifft. |
3. | Die Aufwendungen für einen Sachverständigen sind im Vorverfahren nur dann zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig, wenn der Widerspruchsführer anders sein Begehren mangels genügend eigener Sachkunde nicht angemessen darlegen kann. |
4. | Zur Kostenerstattung im flurbereinigungsrechtlichen Vorverfahren. |
Aus den Gründen
20 Die Klage hat keinen Erfolg.
21 Der Rechtsstreit ist erledigt, soweit der Beklagte einen weiteren Aufwendungsersatzanspruch in Höhe von 260,00 EUR anerkannt hat. Bei Berücksichtigung dieses Betrages haben die Kläger keinen Anspruch auf eine zusätzliche Kostenerstattung.
22 Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf die Erstattung der Aufwendungen für das Vorverfahren ist § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 73 Abs. 3 Satz 3 VwGO und § 19 Abs. 1 Satz 1 AGVwGO. Danach hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der den Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Aus § 147 FlurbG ergibt sich keine abweichende Regelung (vgl. OVG RP, Urteil vom 10. Dezember 2008 - 9 C 10923/08.OVG -, juris, Rn. 36).
23 Bei den geltend gemachten Aufwendungen für einen Rechtsanwalt (1.) und einen Sachverständigen (2.) handelt es sich nicht um nach dieser Vorschrift zu erstattende Aufwendungen.
24 1. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Erstattung höherer Kosten der anwaltlichen Vertretung im Vorverfahren. Ein solcher Anspruch ergibt sich weder daraus, dass ein höherer Gegenstandswert zu berücksichtigen ist (a.), noch daraus, dass der Gebührensatz für die Geschäftsgebühr mit 2,5 hätte angesetzt werden müssen (b.).
25 a. Der für die Vergütung eines Rechtsanwalts maßgebliche Gegenstandswert bestimmt sich auch für die Tätigkeit außerhalb des gerichtlichen Verfahrens nach den für die Gerichtsgebühren geltenden Wertvorschriften, wenn der Gegenstand der Tätigkeit - wie hier - auch Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens sein könnte (§§ 2, 23 Abs. 1 RVG).
26 Demnach ist der Gegenstandswert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Gegenstandswerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Gegenstandswert von 5.000,00 EUR anzunehmen (§ 52 Abs. 2 GKG).
27 Die Spruchstelle für Flurbereinigung hat hier für den Streit um die Wertgleichheit der Landabfindung gemäß § 52 Abs. 2 GKG einen Gegenstandswert von 5.000,00 EUR zugrundegelegt. Dies ist nicht zu beanstanden. Es entspricht dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013, der unter 13.2.2 bei der Abfindung in der Flurbereinigung den Auffangwert vorsieht, es sei denn, ein abweichendes wirtschaftliches Interesse kann festgestellt werden. Die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz (vgl. Beschlüsse vom 27. August 1982 - 9 C 15/79 -, RdL 1983, 325; vom 7. Juli 1994 - 9 C 10442/93.OVG -; vom 18. Januar 2006 - 9 C 11015/05.OVG - sowie vom 13. März 2007 - 9 C 11015/05.OVG -) geht gleichfalls bei der Klage auf wertgleiche Abfindung im Flurbereinigungsverfahren vom Auffangstreitwert aus, weil deren Bedeutung sich regelmäßig nicht ziffernmäßig ausdrücken lässt. Die Ausführungen des Klägers geben keinen Anlass von dieser Rechtsprechung abzuweichen, denn die Kläger benennen kein feststellbares, über den Auffangstreitwert hinausgehendes wirtschaftliches Interesse. Vielmehr wollen sie den Gegenstandswert aus dem Wert ihrer gesamten Einlageflurstücke im Flurbereinigungsverfahren herleiten. Dieser Wert ist jedoch kein Maßstab für die Bedeutung der Sache für die Kläger, insbesondere für ihr wirtschaftliches Interesse. Das Interesse im Streit um die Wertgleichheit der Landabfindung im Flurbereinigungsverfahren besteht in aller Regel nicht darin, für die eingebrachten Flurstücke überhaupt einen Gegenwert zu erhalten, denn die Abfindung entspricht auf der Grundlage der Ergebnisse der Wertermittlung in der Regel den eingebrachten Grundstücken. Umstritten ist regelmäßig vielmehr die Gestaltung der Landabfindung und die ausreichende Berücksichtigung der bei der Wertermittlung nicht erfassten Umstände. So liegt der Fall auch hier: Ziel des Widerspruchs war die Ausweisung eines Grundstückes in einer bestimmten Lage, eine bessere Erschließung für zwei Grundstücke, die Zuteilung landwirtschaftlicher Nutzflächen statt Hof- und Gebäudeflächen, eine Änderung der Wegeführung, andere Nutzungsarten, bessere Bodenqualität und weniger Quergefälle sowie Abfindung in Land anstelle einer Minderausweisung gegen Geldausgleich. Das wirtschaftliche Interesse an der Erreichung dieses Ziels kommt im Wert der eingebrachten Grundstücke nicht zum Ausdruck und lässt sich auch nicht beziffern. Daran ändert auch nichts, dass die Überprüfung der Wertgleichheit der Landabfindung sich nicht auf einzelne Grundstücke beschränkt, sondern die gesamte Einlage mit der gesamten Abfindung zu vergleichen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 31. August 2004 - 10 B 10.04 -, juris, Rn. 16). Dadurch erweitert sich nur der Prüfungsumfang, ohne dass sich das wirtschaftliche Interesse der Kläger erhöht. Auch die Behauptung, der Betrieb der Kläger müsse eingestellt werden, wenn die begehrte Änderung des Flurbereinigungsplanes nicht vorgenommen werde, kann nicht begründen, dass der Wert der Einlageflurstücke für den Gegenstandswert maßgeblich ist, denn die Grundstücke verlieren bei Betriebsaufgabe nicht ihren Wert.
28 b. Soweit der Widerspruch über die Abfindung mit Land von gleichem Wert hinaus auf einen Ausgleich für vorübergehende Nachteile gerichtet war, war der Gegenstandswert jedoch entsprechend zu erhöhen. Indem der Beklagte eine Erhöhung des festgesetzten Betrages um 260,00 EUR anerkannt hat, ist dem Rechnung getragen.
29 Die Kläger haben neben einer wertgleichen Abfindung auch einen Ausgleich für vorübergehende Nachteile für Rekultivierungsaufwand und Nutzungsausfall geltend gemacht, den der Beklagte bei der Ermittlung des Gegenstandswertes unberücksichtigt gelassen hat. Dabei handelt es sich um einen gegenüber dem Anspruch auf wertgleiche Landabfindung nach § 44 FlurbG selbstständigen Anspruch nach § 51 FlurbG (Mayr in Wingerter/Mayr, Flurbereinigungsgesetz, 9. Aufl. 2013, § 59 Rn. 11), dessen wirtschaftlicher Wert bezifferbar ist.
30 Den Rekultivierungsaufwand beziffern die Kläger mit 1.155,00 EUR, entsprechend dem Flächenanteil der neu zugewiesenen Fläche in dem Abfindungsflurstück Flur ..., das sie mit einem Kostenaufwand von 2.009,00 EUR unter Einsatz eines Forstmulchers rekultiviert haben. Die Spruchstelle für Flurbereinigung kommt mit einer genaueren Berechnung auf 1.166,00 EUR.
31 Den Nutzungsausfall, der ihnen dadurch entstanden ist, dass sie das Abfindungsflurstück Flur ... wegen mangelnder Erschließung drei Jahre lang nicht bewirtschaften konnten, haben die Kläger nicht beziffert. Das fachkundig besetzte Flurbereinigungsgericht bemisst die Nutzungsausfallentschädigung mit Rücksicht darauf, dass dieses 70,41 Ar große Flurstück nach den Ergebnissen der Wertermittlung Grünland Klasse 6 (32,64 Ar) und Hutung (8,36 Ar), im Übrigen aber nur Mischwald (29,41 Ar) enthält, auf 500,00 EUR.
32 Zusammen ist der Gegenstandswert des Anspruchs auf Ausgleich für vorübergehende Nachteile deshalb mit 1.666,00 EUR (1.166,00 EUR + 500,00 EUR) anzusetzen. Dieser Gegenstandswert ist mit dem Gegenstandswert des Abfindungswiderspruchs von 5.000,00 EUR zusammenzurechnen (§ 22 Abs. 1 RVG), so dass sich ein Gesamtgegenstandswert von 6.666,00 EUR ergibt, für den eine Gebühr von 405,00 EUR anfällt (vgl. Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG). Die Kostenberechnung ändert sich dadurch wie folgt: 1,8 Geschäftsgebühr x 405,00 EUR = 729,00 EUR, 0,3 Erhöhungsgebühr x 405,00 EUR = 121,50 EUR. Im Vergleich mit den bisher angesetzten Werten von 545,40 EUR bzw. 90,90 EUR ergibt sich eine Differenz von 183,60 EUR bzw. 30,60 EUR, zusammen 214,20 EUR. Unter Berücksichtigung der darauf entfallenden Umsatzsteuer von 19 % erhöht sich dieser Betrag um 40,70 EUR auf 254,90 EUR. Für einen Zeitraum von vier Monaten seit der Klageerhebung am 1. Juni 2015 entfallen darauf bei einem Zinssatz von 4,17 % (nach § 104 Abs. 1 ZPO: 5 % über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB, der aktuell - 0,83 % beträgt) Zinsen in Höhe von 3,54 EUR. Der danach sich ergebende Gesamtbetrag liegt unter dem anerkannten Betrag von 260,00 EUR, so dass kein Anspruch auf einen höheren Betrag besteht.
33 2. Der festgesetzte Gebührensatz von 1,8 für die Geschäftsgebühr ist nicht zu beanstanden.
34 Nach § 14 Abs. 1 RVG ist die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, der Bedeutung der Angelegenheit sowie der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auftraggebers nach billigem Ermessen festzusetzen. Ist die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Nach Ziffer 2300 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) beträgt die Geschäftsgebühr 0,5 bis 2,5. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig ist.
35 Die Spruchstelle für Flurbereinigung hat, ausgehend von einer umfangreichen Tätigkeit, eine Gebühr von 1,8 berücksichtigt. Das ist nicht zu beanstanden. Die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung einer Gebühr von 2,5 ist nicht verbindlich, weil sie unbillig ist. Mit dieser Gebühr wird der Gebührenrahmen voll ausgeschöpft, ohne dass dies durch den Umfang und die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit gerechtfertigt ist. Allerdings handelt es sich um eine umfangreiche anwaltliche Tätigkeit, zumal allein vier Behördentermine wahrgenommen wurden. Allein der Umfang der Tätigkeit begründet jedoch keine über 1,8 hinausgehende Gebühr, da erheblich umfangreichere und schwierigere Tätigkeiten vorstellbar sind, für die innerhalb des Gebührenrahmens eine entsprechend höhere Gebühr vorbehalten bleiben muss.
36 Entgegen der Ansicht der Kläger handelt es sich hier nicht um eine schwierige anwaltliche Tätigkeit. Es wurden die Herstellung einer gleichwertigen Landabfindung nach § 44 FlurbG sowie ein Ausgleich für vorübergehende Nachteile nach § 51 FlurbG geltend gemacht. Dazu mussten Umstände vorgetragen werden, die bei der Gestaltung der Landabfindung unzureichend berücksichtigt wurden, sowie solche, die vorübergehende Nachteile der Landabfindung begründen. Die vorzutragenden Umstände liegen im Kenntnis- und Erfahrungsbereich der Kläger als selbst wirtschaftende Landwirte. Ihre Beschreibung durch den bevollmächtigten Rechtsanwalt im Widerspruchsverfahren wirft keine Schwierigkeiten auf. Auch schwierige rechtliche Überlegungen waren nicht anzustellen. Zwar trifft es zu, dass das Flurbereinigungsrecht vielen Rechtsanwälten nicht vertraut ist und deshalb als schwierig empfunden wird. Der vorliegende Fall verlangt jedoch keine besonderen Kenntnisse des Flurbereinigungsrechts. Wenn der von den Klägern beauftragte Rechtsanwalt über langjährige Erfahrungen im Flurbereinigungsrecht verfügt, führt dies für sich allein noch nicht dazu, dass seine in diesem Fall ausgeübte Tätigkeit als schwierig anerkannt werden müsste.
37 3. Die Kosten für die Tätigkeit des Sachverständigen B. im Widerspruchsverfahren waren nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung im Widerspruchsverfahren erforderlich.