Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 23.12.2004 - 13 A 04.2868 (Lieferung 2006)
Aktenzeichen | 13 A 04.2868 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 23.12.2004 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | 2006 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Aus der Tatsache, dass Richter und ehrenamtliche Richter vor mehr als zehn Jahren als Beamte in einem anderen als dem hier betroffenen Dienstbezirk der Flurbereinigungsverwaltung tätig waren, ergibt sich kein Befangenheitsgrund. |
2. | Die Besetzung des Flurbereinigungsgerichts gemäß § 139 FlurbG führt nicht zur kollektiven Befangenheit der Richter und ehrenamtlichen Richter. |
Aus den Gründen
Das Ablehnungsgesuch ist nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 54 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 1 ZPO zulässig. Die Kläger haben einerseits zwar den Flurbereinigungssenat im Ganzen abgelehnt, die Ablehnungsgründe andererseits aber auch auf die einzelnen Senatsmitglieder bezogen, so dass ein hinreichend individualisiertes Gesuch vorliegt (BVerwG vom 5.12.1976 BVerwGE 50, 36).
Das nur teilweise substantiierte Ablehnungsgesuch ist unbegründet.
Nach § 42 Abs. 2 ZPO findet die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Ablehnung, die im Verwaltungsprozess entsprechend anzuwenden sind, sind gemäß höchstrichterlicher Rechtsprechung eine Folge des Rechtsstaatsprinzips, des Willkürverbots und des Rechts auf den gesetzlichen Richter. Sie dienen vor allem der Unparteilichkeit der Rechtsprechung, aber auch der Gerechtigkeit und sachlichen Richtigkeit der Entscheidungen; zugleich handelt es sich um wesentliche Erfordernisse der Fairness des Verfahrens (Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, RdNr. 1 zu § 54 m.w.N.). Die Besorgnis der Befangenheit ist dann gegeben, wenn ein Beteiligter die auf objektiv feststellbaren Tatsachen beruhende, subjektiv vernünftigerweise mögliche Besorgnis hat, der Richter werde in der Sache nicht unparteiisch, unvoreingenommen oder unbefangen entscheiden oder habe sich in der Sache bereits festgelegt. Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich. Es genügt schon der "böse Schein" der Parteilichkeit, d.h. der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BVerfG vom 6.7.1999 BVerfGE 101, 46/50; BVerwG vom 5.12.1976 BVerwGE 50, 36/38). Insbesondere kann das Verhalten des Richters im Prozess die Besorgnis der Befangenheit begründen. Dies trifft etwa zu bei offensichtlich unsachlichen Äußerungen. Je nach den Umständen reicht gegebenenfalls auch schon das Übergehen eines bestimmten Vortrags oder Antrags eines Beteiligten oder die fehlende Bereitschaft, das Vorbringen einer Partei vollständig zur Kenntnis zu nehmen und zu würdigen. Verfahrensfehler rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit nur dann, wenn daraus bei objektiver Betrachtung auf eine unsachliche Einstellung des Richters gegenüber einem Beteiligten geschlossen werden kann. Es muss sich immer um individuelle, aus der Person des einzelnen Richters hergeleitete Gründe handeln (vgl. zum Ganzen: Kopp/Schenke a.a.O. RdNrn. 11 und 11a m.w.N.).
Gemessen an diesen Grundsätzen besteht hier kein Grund für ein Misstrauen im Sinn von § 42 Abs. 2 ZPO.
Aus der Tatsache, dass RiVGH Dr. M. und der Beisitzer Leitender Baudirektor Dipl.-Ing. B. vor über zehn Jahren als Beamte in einem anderen als dem hier betroffenen Dienstbereich der Flurbereinigungsverwaltung tätig waren, ergibt sich kein Befangenheitsgrund. Ein allenfalls kollegiales Verhältnis zu den Vertretern des Beklagten vermag Zweifel an der Objektivität eines Richters nicht zu rechtfertigen (BVerfG vom 29.6.2004 NJW 2004, 3550).
. . .
Die vorherige Befassung des Flurbereinigungssenats mit den von den Klägern angestrengten Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (Az. 13 AS 03.2031 und 13 AS 03.2658) ist nicht als hinreichender Grund anzusehen, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der betreffenden Richter zu hegen. Verständiger Anlass zu einem aus einer solchen "Vorbefassung" hergeleiteten Misstrauen einer Partei besteht erst dann, wenn sich aufgrund besonderer, zusätzlicher Umstände der Eindruck einer unsachlichen, auf Voreingenommenheit beruhenden Einstellung eines Richters gegenüber der Partei oder der streitbefangenen Sache aufdrängt (BVerwG vom 2.10.1997 BayVBl 1998, 250/251). Dies ist aber nicht der Fall. Für das gegenteilige Pauschalurteil der Kläger gibt es keinen sachlichen Anhaltspunkt.
Die pauschalen Zweifel an der Qualifikation und der Objektivität der landwirtschaftlichen Beisitzer, die sich in erster Linie gegen die Gesetzesvorschriften über die Besetzung von Flurbereinigungsgerichten wenden, entbehren ebenfalls der substantiierten Darlegung des Eindrucks der Voreingenommenheit. Durch die von den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung abweichende Besetzung des Flurbereinigungsgerichts soll gewährleistet werden, dass an der Entscheidung in Flurbereinigungssachen Personen mitwirken, die in der Lage sind, einen landwirtschaftlichen Sachverhalt und die komplizierten Zusammenhänge eines Flurbereinigungsverfahrens selbst zu beurteilen (BVerwG vom 29.9.2003 AUR 2004, 346 <= RzF - 5 - zu § 139 Abs. 3 FlurbG>). Angesichts dieser gesetzgeberischen Zielsetzung geht die Annahme der Klägerseite, die Besetzung des Flurbereinigungsgerichts gemäß § 139 FlurbG führe zwangsläufig zur kollektiven Befangenheit der Richter und der ehrenamtlichen Richter, fehl. Entsprechendes gilt für die senatsinterne Geschäftsverteilung (§ 21 g GVG), die den Richtern jeweils die Fälle von bestimmten Direktionen für Ländliche Entwicklung zuweist.
Der Ablehnungsgrund des § 42 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 54 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben. Die ehrenamtlichen Richter haben bei dem vorausgegangenen Verwaltungsverfahren nicht mitgewirkt.