Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 14.04.1986 - 9 G 32/81
Aktenzeichen | 9 G 32/81 | Entscheidung | Urteil | Datum | 14.04.1986 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | In dem Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht richtet sich die Wiederaufnahme von Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO); § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit § 153 VwGO. |
2. | Die Wiederaufnahme eines Verfahrens ist schon begrifflich ausgeschlossen, wenn das wieder aufzunehmende Verfahren noch beim Flurbereinigungsgericht ist. |
3. | Voraussetzung für die Wiederaufnahme eines Verfahrens ist, daß das wieder aufzunehmende Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist. Die Wiederaufnahme allein nur wegen der Entscheidung über die Kosten ist daher nicht zulässig, wenn die Hauptsache durch die Erklärung der Verfahrensbeteiligten in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist. |
4. | Die Versagung der Akteneinsicht allein rechtfertigt für sich noch nicht einen Wiederaufnahmegrund in entsprechender Anwendung der sich aus § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO ergebenden Grundsätze mit der Rüge, daß damit der Klägerin das verfassungsmäßig garantierte rechtliche Gehör nicht gewährt worden sei. |
5. | Eine Wiederaufnahme nach § 581 Abs. 1 ZPO kommt nur dann in Betracht, wenn wegen der in dieser Vorschrift genannten Straftatbestände eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung ergangen ist. |
Aus den Gründen
In dem Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht richtet sich die Wiederaufnahme von Verfahren nach den Vorschriften der Zivilprozeßordnung (ZPO); § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 153 VwGO. Eine erneute Entscheidung über das Begehren der Klägerin setzt voraus, daß die Rechtskraftwirkung der angefochtenen Entscheidung beseitigt wird. Das wäre aber im vorliegenden Falle nur möglich, wenn nach §§ 579, 580 ZPO die Voraussetzungen für eine Nichtigkeits- bzw. Restitutionsklage vorlägen. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn die Klägerin hat einen die Wiederaufnahme des Verfahrens rechtfertigenden Nichtigkeits- bzw. Restitutionsgrund i. S. d. §§ 579, 580 ZPO nicht dargelegt, so daß der Wiederaufnahmeantrag nicht statthaft ist.
Soweit die Klägerin die Wiederaufnahme des Verfahrens IX G 3/76 verlangt, scheitert ihr Antrag schon daran, daß dieses Verfahren bei dem Flurbereinigungsgericht noch anhängig, eine Wiederaufnahme daher begrifflich ausgeschlossen ist. Die erhobene Nichtigkeits- und Restitutionsklage ist also insoweit unzulässig.
Hinsichtlich des Wiederaufnahmeantrages der Klägerin bezüglich des Verfahrens IX G 48/73 gilt folgendes: Dieses Verfahren betreffend die Abfindung in dem Flurbereinigungsverfahren S. ist in der Verhandlung vom 26.09.1974 von der Klägerin und dem Beklagten in der Hauptsache für erledigt erklärt worden. Durch Beschluß des Flurbereinigungsgerichtes vom 09.10.1974 ist gemäß § 161 Abs. 2 VwGO lediglich über die Kosten des Verfahrens entschieden worden. Zwar können Gegenstand des Wiederaufnahmeverfahrens nicht nur Urteile, sondern auch alle anderen Entscheidungen sein. Voraussetzung ist jedoch, daß das Verfahren durch das betreffende Gericht rechtskräftig abgeschlossen wird (vgl. Eyermann/Fröhler, VwGO, 8. Aufl., § 153 RdNr. 1 und die dort zitierte Rechtsprechung).
Das war jedoch in diesem Rechtsstreit nicht der Fall. Vielmehr hatten die Erledigungserklärungen der Klägerin und des Beklagten prozessual zur Folge, daß dem Gericht eine Entscheidung zur Hauptsache versagt war. Die Wiederaufnahme dieses Verfahrens ist also nicht statthaft, die Klage der Klägerin insoweit unzulässig.
Auch hinsichtlich des Verfahrens IX G 44/73 liegen die Voraussetzungen für eine Nichtigkeits- bzw. Restitutionsklage nicht vor.
Soweit sich die Klägerin darauf beruft, daß ihr das rechtliche Gehör versagt worden sei, weil ihr nicht vollständige Akteneinsicht gewährt worden sei, betrifft dieses Vorbringen nicht die Nichtigkeitsvoraussetzungen des § 579 Abs. 1 ZPO. Zwar ist die Vorschrift des § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nach einer in der Literatur und der Rechtsprechung vertretenen Meinung nicht nur auf den Fall der mangelnden Vertretung, sondern sinngemäß auch dann anzuwenden, wenn Beteiligten das verfassungsmäßige garantierte rechtliche Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz) nicht gewährt worden ist (vgl. Eyermann/Fröhler, VwGO, 8. Aufl., § 153 RdNr. 2; Kopp, VwGO, 6. Aufl. Anm. 870 m. Nachw.).
Eine analoge Anwendung kann sich aber nicht auf jeden Mangel, sondern nur auf schwere Verfahrensmängel wie z. B. fehlende mündliche Verhandlung, wenn eine solche vorgeschrieben ist, erstrecken. Jedenfalls betrifft die von der Klägerin vorgetragene Versagung der Akteneinsicht nicht die Nichtigkeitsvoraussetzungen i. S. v. § 579 Abs. 1 Nr. 4 ZPO. Im übrigen würde der Nichtigkeitsantrag auch gemäß § 586 ZPO verspätet sein. Nach Abs. 1 dieser Vorschrift ist der Wiederaufnahmeantrag vor Ablauf der Notfrist eines Monats zu stellen. Nach Abs. 2 beginnt die Frist mit dem Tage, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor Eintreten der Rechtskraft der Entscheidung. Diese Frist ist hier abgelaufen, weil die Klägerin in der Zeit der schon seit langem eingetretenen Rechtskraft des Urteils vom 20.12.1974 wußte, daß das Urteil ergangen war, ohne daß dem angeblichen Antrag auf Gewährung von Akteneinsicht bis dahin entsprochen war; ganz abgesehen davon, daß sie einen solchen Antrag in der mündlichen Verhandlung vom 20.12.1974 ausweislich der Verhandlungsniederschrift nicht gestellt hat.
Soweit die Klägerin sich auf die Voraussetzungen des § 580 Nr. 2 bis 5 ZPO bezieht, ergibt dies noch keinen statthaften Restitutionsgrund. § 581 Abs. 1 ZPO bestimmt, daß in den Fällen des § 580 Nr. 2 bis 5 ZPO die Restitutionsklage nur stattfindet, wenn wegen der dort genannten Tatbestände eine rechtskräftige strafrechtliche Verurteilung ergangen ist oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen mangels an Beweisen nicht erfolgen kann. Da dies nicht der Fall ist, ist ein Restitutionsgrund insoweit nicht gegeben. Im übrigen ist das Ermittlungsverfahren 36 Js 503/77 durch die Staatsanwaltschaft am 14.10.1980 eingestellt worden. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist am 18.05.1981 durch das Oberlandesgericht als unzulässig verworfen worden.
Im übrigen würde auch die Restitutionsklage gemäß § 586 ZPO verspätet sein. Denn die Klägerin wußte von den angeblichen falschen Unterlagen des Beklagten schon Jahre vor der Klageerhebung am 13.10.1981. Schon in dem Verfahren IX D 160/77 hat die Klägerin sich im Jahre 1977 auf die angeblich falschen Unterlagen des Beklagten berufen, ebenso im Verfahren IX G 44/73 (Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision; vgl. Schriftsatz vom 13.04.1979 Blatt 268 der Akten). Ziel der klägerischen Klagen ist offensichtlich eine neue, ihren Vorstellungen entsprechende, Würdigung des gesamten Streitstoffes. Das ist aber nach dem geltenden Verfahrensrecht kein zulässiger Grund, ein abgeschlossenes Verfahren wieder aufzunehmen.