Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 29.05.1991 - 5 B 27.91 = AgrarR 1992 S. 91
Aktenzeichen | 5 B 27.91 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 29.05.1991 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = AgrarR 1992 S. 91 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Für die Streitwertfestsetzung im flurbereinigungsrechtlichen Wertermittlungsrechtsstreit ist auf das wirtschaftliche Interesse des Beteiligten abzustellen. Der Streitwert bestimmt sich aus der Wertdifferenz zwischen den von der Behörde festgelegten Werten und den vom Beteiligten beanspruchten Wertfestsetzungen. |
Aus den Gründen
Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Danach bestimmt sich der Streitwert vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit im Rechtsmittelverfahren nach der Bedeutung der Sache, wie sie sich aus den Anträgen des Rechtsmittelklägers ergibt. Bei Streitigkeiten mit wirtschaftlichem Hintergrund, wie sie bei flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren die Regel bilden, ist insoweit auf das wirtschaftliche Interesse abzustellen, das der Rechtsmittelführer ausweislich der von ihm gestellten Anträge am Ausgang der Rechtssache hat (vgl. auch den BVerwG-Entwurf eines Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit, NVwZ 1989, 1042 <1044> unter "Flurbereinigung, Entscheidungen im Flurbereinigungsverfahren"). Wendet sich der Rechtsmittelkläger gegen die Feststellung der Wertermittlungsergebnisse durch die Flurbereinigungsbehörde (§ 32 FlurbG), findet sein wirtschaftliches Interesse seinen Niederschlag im Unterschied zwischen den Werten, die die Behörde in ihrer Entscheidung festgelegt hat, und den Werten, zu denen sie nach Auffassung des betroffenen Teilnehmers bei richtiger Beurteilung hätte gelangen müssen und deren Berücksichtigung dieser nunmehr im Rechtsmittelverfahren zu erstreiten versucht (s. auch allgemein zu § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG Bräutigam, NVwZ 1989, 1022 <1023>). Der Streitwert ist deshalb in der Weise zu bestimmen, daß die Wertdifferenz, die sich bei diesem Wertvergleich für die nach Ansicht des Teilnehmers unzureichend bewerteten Grundstücke ergibt, ermittelt und - z. B. unter Berücksichtigung des für den Ausgleich nach § 44 Abs. 3 Satz 2 FlurbG festgelegten Kapitalisierungsfaktors - in einen Geldbetrag umgerechnet wird. Dem entspricht die Streitwertpraxis des beschließenden Senats, für die sich auch anführen läßt, daß der Streitwert in Verfahren, in denen die Höhe einer Enteignungsentschädigung angegriffen wird, nach übereinstimmender Meinung in Rechtsprechung und Literatur identisch ist mit der Differenz zwischen der von der Behörde zuerkannten Entschädigungssumme und dem vom Betroffenen begehrten höheren Entschädigungsbetrag (vgl. OLG Neustadt, Beschluß vom 06.05.1958 - 2 W 57/58 - <Rpfleger 1963, 65>; Hartmann, Kostengesetze, 23. Aufl. 1989, Anh I § 12 GKG S. 75 unter "Enteignung"; Kalb in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, Baugesetzbuch, § 228 RdNr. 31 <Stand: August 1988>; Markl, Gerichtskostengesetz, 2. Aufl. 1983, Anh § 12/§ 3 ZPO S. 191 unter "Enteignungsverfahren"; Schneider, Streitwert für den Zivilprozeß, 9. Aufl. 1991, S. 300 RdNr. 1442). Trotz der rechtlichen Unterschiede zwischen Flurbereinigungs- und Enteignungsrecht ist die wirtschaftliche Interessenlage hier derjenigen vergleichbar, wie sie für Streitigkeiten der vorliegenden Art kennzeichnend ist.
Das Vorbringen der Kläger rechtfertigt es nicht, den Streitwert in anderer Weise festzusetzen. Da sich dieser, wie ausgeführt, im Rechtsmittelverfahren nach dem in den Rechtsmittelanträgen ausgedrückten - objektiven (BVerwG, Beschluß vom 14.10.1988 - BVerwG 4 C 58.84 - <Buchholz 360 § 25 GKG Nr. 3 S. 5>) - Interesse des Rechtsmittelklägers bestimmt, können überindividuelle Gesichtspunkte der Streitsache, auf die sich die Kläger unter Hinweis insbesondere auf § 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO - mit dem Ziel einer Absenkung des Streitwerts - berufen, im Rahmen des § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG nicht berücksichtigt werden (s. auch BVerwG, Beschluß vom 15.03.1977 - BVerwG 7 C 6.76 - <Buchholz 310 § 189 VwGO Nr. 11 S. 9>). Im Prinzip nichts anderes gilt für die Einkommens- und Vermögensverhältnisse der Beteiligten. Sicherzustellen, daß den Anforderungen des Grundgesetzes an einen effektiven und gleichheitsgemäßen Rechtsschutz auch unter dem Aspekt des wirtschaftlichen Leistungsvermögens genügt wird, ist Aufgabe des Prozeßkostenhilferechts (vgl. BVerfGE 78, 88 <99>; 78, 104 <117 f.> mit weiteren Nachweisen; s. auch Bräutigam, a.a.O., S. 1023). Im übrigen gehört es zu den Obliegenheiten jedes Beteiligten, in die Erwägungen, die zu der für die Streitwertbemessung maßgeblichen Antragstellung führen, auch das Prozeßkostenrisiko einzustellen, das mit der Inanspruchnahme der Gerichte notwendigerweise verbunden ist (vgl. zu letzterem BVerfGE 11, 139 <147>).
Entgegen der Auffassung der Kläger kommt insbesondere nicht in Betracht, den Streitwert nach § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 2 GKG auf 6 000,-- DM festzusetzen. Die zuletzt angeführte Vorschrift könnte nach ihrem klaren Wortlaut nur angewendet werden, wenn der bisherige Sach- und Streitstand für eine Streitwertbestimmung nach § 13 Abs. 1 Satz 1 (in Verbindung mit § 14 Abs. 1 Satz 1) GKG keine genügenden Anhaltspunkte bieten würde. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden. Das mit ihrer Klage verfolgte Anliegen der Kläger war und ist vor allem darauf gerichtet, für ihre nach den Feststellungen der Vorinstanz mit den Wertzahlen 15 und 12 belegten Einlagegrundstücke 766 (teilweise), 785, 786, 807, 823, 824, 1583 (teilweise), 1584 und 138 die Festsetzung eines höheren Wertes zu erreichen. Dabei kann für das Beschwerdeverfahren zugunsten der Kläger angenommen werden, daß es ihnen nicht mehr, wie noch im Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht, um eine Wertfestsetzung für Bauerwartungsland, sondern nur mehr um eine solche für stadtnahes oder begünstigtes Agrarland geht. Die Beteiligten, denen Gelegenheit zur Stellungnahme zur Höhe des Streitwertes gegeben worden ist, haben hierzu Wertangaben nicht gemacht. Der beschließende Senat greift deshalb im Rahmen des ihm nach § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG zustehenden Ermessens auf Wertzahlen zurück, die der Vorstand der Beklagten ausweislich der vom Flurbereinigungsgericht in Bezug genommenen Verwaltungsakte "Niederschriften, Teil 2" in seiner Sitzung am 26.07.1984 für Flächen mit Sondernutzung festgelegt hat; von diesen Wertzahlen erscheint als Anknüpfungspunkt angemessen diejenige der Klasse 30, wie sie in der genannten Sitzung unter anderem für Kleingärten, Wochenendhausgebiete und Sportgelände beschlossen worden ist. Ausgehend hiervon, errechnet sich für die Altgrundstücke 766 (teilweise), 785, 786, 807, 823, 824, 1583 (teilweise) und 1584 bei einer Fläche von insgesamt 1,407 ha (dazu s. Schreiben des Flurbereinigungsgerichts vom 26.11.1990, S. 2) eine Differenz von (30 minus 15 x 1407 =) 21 105 und für das Einlagegrundstück 138 mit einer Fläche von 67,10 ar (vgl. Forderungsliste) eine Differenz von (30 minus 12 x 671 =) 12 078 Wertverhältniszahlen, zusammen also ein Unterschied von 33 183 Wertverhältniszahlen, denen bei Zugrundelegung des vom Vorstand der Beklagten in der Sitzung vom 14.10.1985 festgelegten Umrechnungsfaktors für unvermeidbare Mehr- und Minderausweisungen von 4,20 DM je Wertverhältniszahl ein Geldbetrag von 139 368,-- DM entspricht. Da der Wert von begünstigtem Agrarland in besonderem Maße von den objektiven Gegebenheiten im Einzelfall abhängt (vgl. BR-Drucks. 352/88 S. 36 f.) und für die hier in Rede stehenden Altflurstücke der Kläger anders als für die in dem Vorstandsbeschluß vom 26.07.1984 der Klasse 30 zugeordneten Flächen eine vergleichbar konkrete Nutzungsmöglichkeit nicht festgestellt ist, hält es der Senat für angebracht, diesen Betrag zu halbieren und den Streitwert auf 69 684,-- DM festzusetzen.