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von Anonymer Benutzer

RzF - 8 - zu § 137 Abs. 1 FlurbG

Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16.09.1975 - V C 76.74

Aktenzeichen V C 76.74 Entscheidung Urteil Datum 16.09.1975
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Zur Festsetzung von Zwangsmitteln gegen den Adressaten der Zwangsgeldandrohung wegen des Verhaltens eines Dritten.

Aus den Gründen

Die Revision ist unbegründet.

Das Flurbereinigungsgericht hat im Ergebnis zu Recht den Zwangsgeldfestsetzungsbescheid der Flurbereinigungsdirektion aufgehoben. Zutreffend ist das angefochtene Urteil dabei davon ausgegangen, daß die Festsetzung eines Zwangsgeldes ein nach Maßgabe des § 42 Abs. 2 VwGO mit der Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt ist. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seinem Beschluß vom 24.11.1955 - BVerwG I B 114.55 - ausgesprochen, und dieser Standpunkt wird, wie im angefochtenen Urteil nachgewiesen, in Rechtsprechung und Literatur überwiegend geteilt.

Die Klage ist auch begründet. Für die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Kläger fehlten bei dem hier festgestellten Sachverhalt die rechtlichen Voraussetzungen.

Die Anwendung von Zwangsmitteln zur Durchsetzung von Verwaltungsakten der Flurbereinigungsbehörde bestimmt sich gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG nach den §§ 6-18 Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz - VwVG - vom 27.4.1953 (BGBl I S. 157). Voraussetzung für die Festsetzung eines Zwangsgeldes ist danach, daß der Adressat einer gegen ihn ausgesprochenen Verpflichtung, eine Handlung zu dulden oder zu unterlassen, zuwiderhandelt (§§ 11, 13, 14 VwVG). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Der Kläger ist zwar durch Bescheid vom 22.3.1972 unter Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 500,-- DM aufgefordert worden, ab sofort die Bewirtschaftung des Ersatzflurstücks 909 durch den Teilnehmer H. zu dulden und jegliche Behinderung zu unterlassen. Nach dem festgestellten Sachverhalt hat er jedoch entgegen der dem angefochtenen Bescheid zugrunde liegenden Annahme der Flurbereinigungsdirektion gegen diese Verpflichtung nicht verstoßen. In diesem Zusammenhang gewinnt Bedeutung, daß nach § 11 Abs. 1 Satz 1 VwVG ein Pflichtiger nur dann durch Zwangsgeld zu einer Handlung angehalten werden darf, wenn sie nur von seinem Willen abhängt. Das Flurbereinigungsgericht hat festgestellt, daß nicht der Kläger selbst, sondern dessen Ehefrau dem Zeugen H. das Düngerstreuen auf dem Flurstück untersagt und ihn so an der Bewirtschaftung des ihm zugeteilten Ersatzflurstücks gehindert habe. Anhaltspunkte dafür, daß der Kläger seine Ehefrau oder seinen Sohn veranlaßt habe, dem Teilnehmer H. die Bewirtschaftung des Grundstücks zu untersagen, hätten sich nicht ergeben. Es mag zweifelhaft erscheinen, ob solche Anhaltspunkte nicht im Verwaltungsverfahren zutage getreten sind und dem Flurbereinigungsgericht eine weitere Aufklärung des Sachverhalts hätten aufdrängen müssen. Zulässige und begründete Verfahrensrügen hat der Beklagte jedoch nicht vorgebracht. Da im Revisionsverfahren eine Beweis- und Wertungssubstitution nicht stattfindet, ist das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 137 Abs. 2 VwGO an die getroffenen Feststellungen gebunden.

Dem Flurbereinigungsgericht ist unter diesen Umständen darin beizutreten, daß sich der Kläger das Verhalten seiner Ehefrau nicht zuzurechnen lassen braucht. Dabei kann offenbleiben, ob die Festsetzung eines Zwangsgeldes nach §§ 11, 14 VwVG ein schuldhaftes Zuwiderhandeln des Pflichtigen voraussetzt (vgl. zu der rechtsähnlichen Regelung des § 890 Abs. 1 ZPO a. F. BVerfGE 20, 323 (331)) und ob er auch für das Verhalten dritter Personen einstehen muß, denen er die Verantwortung für die Einhaltung der ihm obliegenden Pflichten überlassen hat (OVG Hamburg, MDR 1969, 1041). Zwar wird ein Pflichtiger Vorsorge dafür zu treffen haben, daß auch mithelfende Familienangehörige oder andere in seinem Betrieb beschäftigte Personen einem gegen ihn ergangenen Unterlassungsgebot nachkommen. Er wird sich seiner Verantwortung nicht dadurch entziehen können, daß er die Betriebsführung und damit verbunden die Sorge für die Einhaltung der Unterlassungspflicht vollends einem anderen überläßt (so OVG Hamburg a.a.O.). Doch braucht dies im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits nicht vertiefend erörtert zu werden.

Ein Einstehenmüssen für das Verhalten Dritter besteht jedenfalls dann nicht, wenn dieser gleichermaßen aufgrund einer eigenen Verpflichtung der Behörde gegenüber zur Vornahme oder Unterlassung der Handlung verpflichtet ist. Erfüllt ein Mitberechtigter eine solche öffentlich-rechtliche Pflicht aus eigenem Willensentschluß nicht, so besteht kein Bedürfnis, andere Verpflichtete dieserhalb in Anspruch zu nehmen (vgl. hierzu auch § 9 Abs. 2 Satz 2 VwVG). Vollstreckungsmaßnahmen zur Erzwingung der ihm obliegenden Verpflichtung haben sich vielmehr unbeschadet des Verhaltens der übrigen Berechtigten allein gegen ihn zu richten. Ein Zwangsmittel darf deshalb auch bei mehreren Pflichtigen nur gegen denjenigen festgesetzt werden, der selbst der Verpflichtung zuwidergehandelt hat und dem gegenüber das Zwangsmittel angedroht worden ist.

Für den vorliegenden Fall folgt daraus, daß die Flurbereinigungsdirektion wegen etwaiger Verstöße der Ehefrau des Klägers gegen das an ihn gerichtete Verbot, den Teilnehmer H. an der Bewirtschaftung des Ersatzflurstücks 909 zu hindern, kein Zwangsgeld gegen den Kläger festsetzen durfte. Nach dem festgestellten Sachverhalt ist nämlich der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau Teilnehmer an dem Flurbereinigungsverfahren. Seine Ehefrau trifft deshalb in gleicher Weise wie ihn selbst die Verpflichtung, die durch die vorläufige Besitzeinweisung geschaffenen neuen Besitzverhältnisse zu dulden, nachdem sie ebenso wie der Kläger selbst hiergegen kein Rechtsmittel eingelegt hatte. Es war daher Sache der Flurbereinigungsdirektion, von der Ehefrau des Klägers die Einhaltung der Verpflichtung zu erzwingen, falls sie den Teilnehmer H. an der Bewirtschaftung des ihm zugewiesenen Abfindungsgrundstücks 909 hinderte. Dies hat sie übrigens auch durch die nach Bekanntwerden einer weiteren Besitzstörung am 13.6.1972 erlassene Androhung eines Zwangsgeldes getan. Den Kläger auch für ein nach dem festgestellten Sachverhalt ohne seine Veranlassung erfolgtes Zuwiderhandeln seiner Ehefrau gegen die an ihn gerichtete Zwangsgeldandrohung in Anspruch zu nehmen, bestand jedenfalls keine rechtliche Möglichkeit.

Das gleiche trifft für etwaige Behinderungen unter Beteiligung des Sohnes des Klägers zu. Nach den Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts haben sich keine Anhaltspunkte dafür ergeben, daß der Kläger seinen Sohn beauftragt hatte, dem Teilnehmer H. das Betreten des Abfindungsgrundstücks zu verbieten. Sofern er, was nach dem festgestellten Sachverhalt zweifelhaft erscheint, den Teilnehmer H. gleichwohl in seinem Besitz gestört haben sollte, kann er nur auf Veranlassung seiner Mutter oder zu deren Unterstützung gehandelt haben. Unter diesen Umständen kommt die Festsetzung eines Zwangsgeldes gegen den Kläger nicht in Betracht.