Landgericht Hof, Endurteil vom 14.01.1965 - S 35/64
Aktenzeichen | S 35/64 | Entscheidung | Endurteil | Datum | 14.01.1965 |
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Gericht | Landgericht Hof | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Gegen Besitzstörungen auf Abfindungsgrundstücken ist neben Maßnahmen nach § 137 FlurbG die zivilrechtliche Besitzstörungsklage zulässig. |
Aus den Gründen
Mag es auch, wie der Erstrichter weiter ausgeführt hat, unverständlich sein, daß das Flurbereinigungsamt keine Zwangsmaßnahmen ergriffen und die Kläger auf den "umständlicheren und kostspieligeren ordentlichen Rechtsweg verwiesen" hat, so war das im vorliegenden Fall doch noch kein ausreichender Grund, um die Klage als unzulässig abzuweisen.
Richtig ist, daß wenn das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, weil ein einfacherer und billigerer Weg zum selben Ziele führt, die betreffende Klage als unzulässig durch Prozeßurteil abzuweisen ist (vgl. Baumbach 26. Aufl. Grundzüge B vor § 253 ZPO). Das Rechtsschutzbedürfnis kann auch nicht deshalb verneint werden, weil der Anspruch sachlich-rechtlich nicht begründet ist. Das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses ist vom Gesetz ausdrücklich zwar nur in § 256 ZPO für die Feststellungsklage erfordert worden; es ist aber heute überwiegende Auffassung, daß das Rechtsschutzbedürfnis eine für jede Klage erforderliche Prozeßvoraussetzung ist (RGZ 160 S. 209). An dem Rechtsschutzbedürfnis fehlt es, wenn der Kläger das mit der Klage verfolgte Ziel auf einfacherem oder billigerem Weg erreichen kann. Steht wie hier, worauf es der Erstrichter abgestellt hat, auch ein anderer Rechtsbehelf zur Verfügung, z. B. ein einfacherer Verwaltungszwang, - so wird normalerweise eine Partei selbstverständlich davon Gebrauch machen, schon um Zeit und Kosten zu sparen -, doch ist stets zu prüfen, ob die Wirkungen beider Rechtsbehelfe die gleichen sind, was aber nicht der Fall zu sein braucht (vgl. Schönke in DRZ 46, 193). Zudem wird regelmäßig davon auszugehen sein, daß der Gesetzgeber bewußt mehrere Wege zur Verfügung gestellt hat; die Wege müssen sich also nach Einfachheit und Billigkeit wesentlich unterscheiden (vgl. Baumbach Grundzüge 5 A vor § 253 ZPO).
Die vom Erstrichter vertretene Ansicht, daß hier das Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ist nicht frei von Rechtsirrtum. Selbst wenn hier irgend ein anderer Weg für die Kläger möglich ist, ist das Rechtsschutzbedürfnis für eine zivilrechtliche Klage dann vorhanden, wenn der andere Weg in seinen Voraussetzungen und Wirkungen von dem zivilrechtlichen Weg verschieden ist. Mit Recht ist daher z. B. von der Rechtsprechung das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage vor dem Zivilgericht trotz Zulässigkeit der Grundbuchbeschwerde bejaht worden. Vor allem ist der dargelegte Grundsatz aber von der Rechtsprechung für das Verhältnis zwischen Zivilgerichtsbarkeit und Strafgerichtsbarkeit anerkannt. Die Strafbarkeit der zu unterlassenden Handlung beseitigt nicht das Rechtsschutzbedürfnis für die Unterlassungsklage; denn der strafrechtliche Rechtsschutz ist von dem bürgerlich-rechtlichen nach Zweck und Charakter grundsätzlich verschieden. Das gleiche gilt im Verhältnis zwischen einer zivilrechtlichen Klage und einer möglichen Abhilfe im Bereich der Verwaltung. Das Einschreiten der Verwaltungsbehörde ist an andere Voraussetzungen geknüpft und hat andere Wirkungen als ein Verfahren vor den ordentlichen Zivilgerichten; erinnert sei z. B. nur an die Bedeutung des Ermessens für die Verwaltungsbehörden und die sehr umstrittene Frage der Rechtskraft von Verwaltungsakten. Dies muß dazu führen, in der gleichen Weise wie im Verhältnis zwischen Zivilgerichtsbarkeit und Verwaltung trotz der Möglichkeit des Einschreitens einer Verwaltungsbehörde das Rechtsschutzbedürfnis für eine zivilgerichtliche Klage zu bejahen; die Zulässigkeit des Rechtswegs ist dabei immer vorauszusetzen. Unter dieser Voraussetzung ist es Aufgabe der ordentlichen Gerichte, an der Beseitigung eines dem Recht zuwiderlaufenden Zustandes (vgl. DRZ 146 S. 193 und 194), z. B. hier einer behaupteten, nach Ansicht des Berufungsgerichts jedoch noch nicht in vollem Umfange nachgewiesenen Besitzstörung, mitzuwirken.