RzF - 22 - zu § 134 Abs. 2 FlurbG

Flurbereinigungsgericht Münster, Beschluss vom 15.11.1976 - IX G 5/76 = AgrarR 1977, 149

Aktenzeichen IX G 5/76 Entscheidung Beschluss Datum 15.11.1976
Gericht Flurbereinigungsgericht Münster Veröffentlichungen AgrarR 1977, 149  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Über einen Wiedereinsetzungsantrag kann sowohl durch Urteil als auch durch Beschluß entschieden werden.
2. In flurbereinigungsrechtlichen Verfahren ist die Entscheidung durch Beschluß vorzuziehen.
3. Ein Kläger kann nicht damit rechnen, daß eine für eine Entscheidung unzuständige Behörde sofort nach Eingang einer Klage auf die Unzuständigkeit aufmerksam macht und dafür sorgt, daß das Rechtsmittel fristgemäß bei dem zuständigen Gericht eingelegt oder sofort durch Boten weitergeleitet wird.

Aus den Gründen

Der Senat kann über den Wiedereinsetzungsantrag durch Beschluß entscheiden. Nach § 60 Abs. 4 VwGO "entscheidet" über den Wiedereinsetzungsantrag das Gericht, das über die versäumte Rechtshandlung zu befinden hat. Zwar ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten, in welcher Form über einen Antrag auf Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Klagefrist zu entscheiden ist (vgl. Beschlüsse des erkennenden Gerichtshofs vom 09.02.1961 - VII B 589/60 -, OVGE 16, 231, vom 24.02.1969 - VIII B 669/68 -, OVGE 24, 259 m. w. N. und vom 02.09.1971 - X A 1236/69 -, OVGE 27, 96).

Der Senat folgt aber dem Bundesverwaltungsgericht, das gestützt auf die Entstehungsgeschichte zu § 60 Abs. 4 VwGO dem Gericht ein Wahlrecht hinsichtlich der Entscheidungsform zubilligt, (vgl. BVerwG, Beschluß vom 09.03.1970 - IV B 8.70 -, Buchholz 310, § 60 VwGO, Nr. 52 unter Hinweis auf das Urteil vom 26.03.1954 - IV C 7.53 -, BVerwGE 1, 89, und den Beschluß vom 29.11.1963 - V C 20.63 -, BVerwGE 17, 207 = Neue Juristische Wochenschrift (NJW) 1964, 564), jedenfalls sofern - wie hier - das Verfahren auf die isolierte Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich beschränkt wird. In einem solchen Zwischenstreit, in dem wegen der Beschränkung auf den Wiedereinsetzungsantrag die Zulässigkeit der Klage noch nicht Gegenstand des Verfahrens ist, kann die Entscheidung durch Beschluß vorzuziehen sein.

Das Beschlußverfahren ermöglicht nämlich eine beschleunigte Vorabentscheidung zu der Wiedereinsetzung und belastet den Kläger mit einem geringeren Kostenrisiko. Auch können rechtsstaatliche Bedenken im Hinblick auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 GG) nicht durchgreifen (vgl. Redeker/von Oertzen, Verwaltungsgerichtsordnung, 5. Auflage, Randnummer 20 zu § 60).

Das gilt insbesondere in flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren, in denen auch in Beschlußsachen von der voll besetzten Richterbank - mit fünf Richtern - entschieden wird.

Ein Kläger kann nicht damit rechnen, daß eine für eine Entscheidung unzuständige Behörde sofort nach Eingang einer Klage auf die Unzuständigkeit aufmerksam macht und dafür sorgt, daß das Rechtsmittel fristgemäß bei dem zuständigen Gericht eingelegt oder sofort durch Boten weitergeleitet wird (vgl. entsprechend Bundesgerichtshof, Beschluß vom 26.01.1972 - IV ZB 76/71 -, MDR 1972, 403 und Urteil des erkennenden Senats vom 13.01.1975 - IX G 86/74).

Der Kläger durfte daher nicht darauf vertrauen, daß die beklagte Spruchstelle seinen "Einspruch", der am 25.03.1976 bei dem Landesamt für Agrarordnung in M. eingegangen war, sofort durch Boten an das Flurbereinigungsgericht weiterreichte; ferner, daß die Beklagte ihn noch am selben Tage von ihrer Unzuständigkeit unterrichten würde. Der bei einer Behörde übliche Geschäftsgang läßt derartige Möglichkeiten regelmäßig nicht zu. Selbst wenn aber die Beklagte etwaige Pflichten zur sofortigen Benachrichtigung oder Weiterleitung verletzt hätte, würde dies eine Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen. Das Verschulden eines die Klagefrist versäumenden Klägers, wie es hier vorliegt, wird nämlich nicht durch die etwaige schuldhafte Verletzung einer behördlichen Pflicht zur Benachrichtigung oder Weitergabe eines ihr irrtümlich zugegangenen fristwahrenden Schriftsatzes ausgeräumt (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 27.9.1972 - VI 572/72 -, NJW 1973, 385).