Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 09.12.1993 - 13 A 93.453
Aktenzeichen | 13 A 93.453 | Entscheidung | Urteil | Datum | 09.12.1993 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Berichtigung des Flurbereinigungsplanes nach § 132 FlurbG stellt grundsätzlich keinen anfechtbaren Verwaltungsakt dar. |
2. | Der entscheidende Unterschied zwischen Berichtigung (§ 132 FlurbG, § 42 VwVfG) und Planänderung besteht darin, daß die bisherige Willensbildung unberührt bleibt. |
3. | Um eine Karte berichtigen zu können (§ 132 Satz 1 FlurbG), muß ihre Unrichtigkeit offenbar sein. Dieses Merkmal setzt voraus, daß die fehlgeschlagene Darstellung klar ersichtlich ist und ins Auge springt. Der Widerspruch zwischen dem, was die Behörde wollte und dem, was der Verwaltungsakt erklärte "muß sich aufdrängen". |
4. | Die Umdeutung (Art. 47 BayVwVfG) der Berichtigung in eine Planänderung (§ 64 FlurbG) scheitert bereits an der erklärten Berichtigungsabsicht der Flurbereinigungsbehörde und daran, daß sie bewußt von einer Planänderung abgesehen hat. |
Aus den Gründen
Die Klage ist zulässig. Die Berichtigung des Flurbereinigungsplanes nach § 132 FlurbG eröffnet grundsätzlich keine neuen Rechtsbehelfe und keine neuen Rechtsbehelfsfristen, denn sie stellt - rechtmäßig ergangen - keinen Verwaltungsakt dar (vgl. BVerwGE 21, 316). In den die Berichtigung zulassenden Verfahrensvorschriften (§ 132 FlurbG, § 42 Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG -, § 319 Zivilprozeßordnung - ZPO -) kommt der allgemeine Gedanke zum Ausdruck, daß offenbare Unrichtigkeiten auch dann berichtigt werden können, wenn Behörde oder Gericht ansonsten an die getroffene Entscheidung gebunden sind. Die Berichtigung stellt nur klar, was wirklich gewollt war (vgl. BVerwG vom 11.06.1975 NJW 1976, 532; BVerwG vom 15.05.1970 DÖV 1970, 747); nicht soll ein von der Willensbildung her rechtsfehlerhafter Verwaltungsakt korrigiert werden, dessen Fehler erst später erkannt wurden (Stelkens-Bonk-Sachs, VwVfG, 4. Auflage, Anmerkung 1 f. zu § 42 mit weiteren Nachweisen).
Dessen ungeachtet ist eine unter Verletzung der Grenzen des § 132 FlurbG vorgenommene Berichtigung anfechtbar (vgl. für den Fall des § 42 VwVfG: Kopp, VwVfG, 5. Auflage, Anmerkung 8 zu § 42). Rügt der betroffene Dritte - wie hier der Kläger -, die - unterstellte - Unrichtigkeit sei nicht offenbar, hat er die Klagebefugnis des § 42 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -. Widerspruch und Anfechtungsklage sind hiernach zulässig erhoben.
Die Klage erweist sich auch als begründet. Der Bescheid der Flurbereinigungsdirektion M. vom 27.08.1992 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 13.01.1993 ist rechtsfehlerhaft; er verkennt die Voraussetzungen des § 132 FlurbG und verletzt dadurch den Kläger in seinen Rechten (§§ 113 Abs. 1 Satz 1, 114 VwGO).
Nach § 132 Satz 1 FlurbG können Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten im Flurbereinigungsplan von Amts wegen berichtigt werden. Liegt eine der Voraussetzungen nicht vor, fehlt der Flurbereinigungsbehörde die Berichtigungsbefugnis. Wird dennoch berichtigt, greift die Behörde unzulässig in die Abfindung des Betroffenen ein. Weil die dem Flurbereinigungsplan zugrundeliegende Willensentscheidung nicht zur Überprüfung steht, kommt es mithin nicht darauf an, ob durch die rechtsfehlerhafte Berichtigung die Wertgleichheit der Abfindung nach § 44 FlurbG gleichwohl gewahrt bleibt; die Verletzung des § 132 FlurbG führt unmittelbar zur Aufhebung der Entscheidung. So liegt der Fall hier.
Die Teilnehmergemeinschaft Flurbereinigung V. hatte von der in Bayern gegebenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Flurbereinigungsplan in seinen jeweils fertiggestellten Bestandteilen bekanntzugeben (Art. 15 Abs. 1 Satz 1 AGFlurbG). Sie regelte in dem im Jahre 1981 bekanntgegebenen Flurbereinigungsplan Teil I unter anderem die Neueinteilung der Grundstücke, so auch die der Abfindungsflurstücke 1407 des Klägers bzw. 1406 der Beigeladenen. Die Bestimmung der neuen Grundstücke des Flurbereinigungsverfahrens sowie ihre Abgrenzungen erfolgten in der Neuverteilungskarte (nunmehr: Abfindungskarte) bzw. - falls Änderungen vorgenommen wurden - in der Änderungskarte zur Neuverteilungskarte (vgl. Vorschriften und Anweisungen für die Flurbereinigung in Bayern - VAF - Heft Xl Nr. 7.3 in Verbindung mit Nr. 7.215, Nr.11.3). Deshalb sind diese Karten auch für die Grenzziehung der Abfindungsflurstücke maßgeblich (vgl. BayVGH vom 03.03.1988 Nr. 13A 87.03456).
Die Neuverteilungskarte des Verfahrens V. ist in ihrer bekanntgemachten Fassung unrichtig; sie entspricht hinsichtlich der hier strittigen Grenze zwischen den Abfindungsflurstücken 1406 und 1407 nicht der Willensbildung des Vorstands der Teilnehmergemeinschaft, denn Planungswille und bekanntgemachte Entscheidung decken sich nicht, sie fallen auseinander. Der Planungswille hat Ausdruck gefunden in den Flurbereinigungsrissen und Flächenberechnungen. Ausweislich der Risse NO 013-23/2 und 24/1 verläuft die Grenze zwischen den genannten Abfindungsflurstücken vom Punkt 9393 zum Grenzpunkt 8079 und nicht zum Punkt 6626. Dabei wird, wie der Riß NO 013-24/1 zeigt, der Mast des Energieversorgungsunternehmens OBAG Punkt 9383 nicht berührt. Auch die Zuteilungsberechnungen für diese Flurstücke legen beide zur Berechnung der Fläche den Grenzpunkt 8079 zugrunde und nicht den Punkt 9383; ebenso erscheint der Punkt 6626 bei der Flächenberechnung des Abfindungsflurstücks 1407 nicht. Die dabei gewonnenen Flächenwerte von 1,4987 ha (Abfindungsflurstück 1406) und 1,7928 ha/1,7929 ha für das Abfindungsflurstück 1407 finden sich wiederum in den Auszügen aus dem Flurbereinigungsplan Teil II für die Beigeladenen bzw. für den Kläger. Die Umsetzung des Planungswillens erfolgte nach Vortrag des Beklagten mit der Absteckung, die als nördlichen Punkt der Grenze zwischen den Abfindungsflurstücken 1406 und 1407 den Grenzpunkt 8079 angehalten hat, ohne daß der Punkt 9383 berührt wird. Bekanntgemacht wurde dagegen die Neuverteilungskarte mit einer Linienführung vom Punkt 9393 über den Masten der OBAG Punkt 9383 zum Punkt 6626, welcher laut Riß NO 013-23/2 aber lediglich den neuen Weg Flurstück 1370 begrenzt. Der Senat geht deshalb mit dem Beklagten davon aus, daß die Neuverteilungskarte unrichtig - da in fehlender Übereinstimmung mit den Planungsgrundlagen - erstellt wurde.
Um berichtigen zu können, muß die Unrichtigkeit der Neuverteilungskarte aber offenbar sein (§ 132 Satz 1 FlurbG). Dieses Merkmal setzt für die hier fehlgeschlagene Darstellung in der Neuverteilungskarte voraus, daß die Fehlerhaftigkeit klar ersichtlich ist und ins Auge springt; der Widerspruch zwischen dem, was die Behörde gewollt hat und dem, was im Verwaltungsakt erklärt wurde, muß sich geradezu aufdrängen. Offensichtlichkeit ist hiernach auch dann anzunehmen, wenn sie aus den sonstigen, dem Teilnehmer bekannten oder für ihn ohne weiteres erkennbaren, wesentlichen Umständen des Verfahrens hervorgeht (vgl. BVerwGE 40, 212/216; BVerwG vom 23.10.1985 NVwZ 1986, 198; Kopp, a.a.O., Anm. 5 zu § 42). Vom Vorliegen dieser Voraussetzungen kann im konkreten Fall jedoch nicht ausgegangen werden - und zwar auch nicht unter Berücksichtigung der jeden Teilnehmer treffenden Mitwirkungspflicht (§ 2 FlurbG).
Der Kläger wußte, daß der - nach Vortrag - im Jahre 1976 errichtete Mast der OBAG (Punkt 9383) auf der gemeinsamen Grenze der Altflurstücke 1359 und 1359/2 stand. Die Neuverteilungskarte bestätigte, daß seine Abfindung insoweit keiner Änderung unterworfen war. Lediglich im Norden verkürzte der neue Weg Flurstück 1370 den bisherigen Grenzzug. Die Neuverteilungskarte zeigt im Schnittpunkt der beschriebenen gemeinsamen Grenze mit der südlichen Wegbegrenzung ein Kreiszeichen, das als neuer Grenzpunkt in der Nordwestecke des Abfindungsflurstücks 1407 angesehen werden konnte. Daß nach dem Riß Nr. NO 013-23/2 dieser Grenzpunkt mit der Nummer 6626 nur die südliche Begrenzung des neuen Weges Flurstück 1370 festlegt, während der weiter östlich in der südlichen Weggrenze gelegene Grenzpunkt Nummer 8079 gleichzeitig den nordwestlichen Eckpunkt des Abfindungsflurstücks 1407 darstellt, läßt sich der Neuverteilungskarte nicht entnehmen; dieser Grenzpunkt ist in ihr nicht enthalten. Die Neuverteilungskarte ist insoweit eindeutig und in sich widerspruchsfrei, so daß sich für den Kläger kein zwingender Grund ergab, im Zusammenhang mit der vorläufigen Besitzeinweisung im Jahre 1980 der Frage des Grenzverlaufs nachzugehen. Die nach § 65 FlurbG auf Antrag vorgesehene Erläuterung der neuen Feldeinteilung mußte dem Kläger vorliegend nur bei Unklarheit über die Grenzziehung angezeigt erscheinen, wozu angesichts der ihm im wesentlichen bekannten Grenze und wegen des neuen Steins keinerlei Veranlassung bestand. Der Kläger durfte darauf vertrauen, daß die Behörde den Stein ordnungsgemäß setzen würde. Ebenso ließ die Auspflockung des Grenzpunktes 8079 nicht ohne weiteres auf die Unrichtigkeit der Neuverteilungskarte schließen. Gerade der Umstand, daß die fragliche Grenze nach Maßgabe der Neuverteilungskarte wie bisher durch den Masten des Energieversorgungsunternehmens OBAG verlaufen, eine weniger gebogene Linienführung aufweisen und beim Aufstoß auf den Weg im Norden mit einem Grenzstein gesichert werden sollte, durfte den Kläger von der Richtigkeit der Neuverteilungskarte ausgehen lassen. Ohne nähere Berücksichtigung der Wertgleichheit erscheint nämlich die Annahme des Klägers über den Verlauf der Grenze durchaus einsichtig. Anzeichen dafür, daß die Neuverteilungskarte - weil von den Flurbereinigungsrissen abweichend - fehlerhaft war, sprangen hiernach nicht ins Auge. Deshalb geht auch der Vorwurf des Beklagtenvertreters in der mündlichen Verhandlung ins Leere, der Kläger könne wegen Untätigkeit während der Jahre der Verpachtung den Einwand der fehlenden Offensichtlichkeit nicht mehr erheben. Die - wenn auch vorhandene - Widersprüchlichkeit von Neuverteilungskarte und Auszug aus dem Flurbereinigungsplan Teil II vermag demgegenüber allein die Offensichtlichkeit nicht zu begründen; sie scheint nur auf bei Gegenüberstellung mit den Flurbereinigungsrissen und den Rechenoperaten zur Flächenberechnung. Letztere werden den Beteiligten mit dem Auszug aus dem Flurbereinigungsplan nicht mit übersandt und sind auch nur von Fachleuten lesbar, was wegen der geforderten persönlichen Erkenntnismöglichkeit des Betroffenen aber wesentlich ist (Kopp, a.a.O., Anm. 5 zu § 42). Die Handrisse haben ausweislich der Akten weder bei der vorläufigen Besitzeinweisung noch bei Bekanntgabe des Flurbereinigungsplanes ausgelegen. Im übrigen ist die Unrichtigkeit der Neuverteilungskarte der Teilnehmergemeinschaft auch erst nach Überprüfung, die auf Anregung erfolgte, deutlich geworden.
Keine andere Entscheidung folgt in Anwendung des § 132 Satz 2 FlurbG, der auf die Unerheblichkeit des Fehlers abstellt. Allein der Vergleich zwischen gewolltem und veröffentlichtem Grenzverlauf verbietet es, dieses Merkmal als gegeben anzusehen.
Eine Umdeutung der Berichtigung in eine Änderung des Flurbereinigungsplanes nach § 64 FlurbG scheitert schon an der erkennbaren Absicht der Flurbereinigungsdirektion, die gerade den einfacheren Weg der Berichtigung gehen wollte und von einer Planänderung bewußt abgesehen hat (Art. 47 Abs. 2 des Bayer. Verwaltungsverfahrensgesetzes - BayVwVfG -). Verfahrensrechtlich steht in diesem Zusammenhang der Umdeutung entgegen, daß die Änderung des Flurbereinigungsplanes ebenfalls eines Anhörungstermins bedarf, der hier nicht stattgefunden hat (Art. 47 Abs. 1 BayVwVfG, § 64 Satz 2 in Verbindung mit § 59 Abs. 2 FlurbG, Art. 15 AGFlurbG).