RzF - 3 - zu § 130 Abs. 1 FlurbG

Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 19.11.2002 - 15 K 3183/00 (Lieferung 2004)

Aktenzeichen 15 K 3183/00 Entscheidung Urteil Datum 19.11.2002
Gericht Flurbereinigungsgericht Lüneburg Veröffentlichungen Lieferung 2004

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine laut diktierte Niederschrift über einen Vergleich verbunden mit einem Genehmigungsvermerk genügt den nach § 129, § 130 FlurbG vorgeschriebenen Förmlichkeiten.

Aus den Gründen

Die nach § 138 Abs. 1, § 140 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG) i.d.F. der Bekanntmachung vom 16. März 1976 (BGBl I S. 546), geändert durch Gesetz vom 23. August 1994 (BGBl I S. 2187), zulässige Klage ist unbegründet.

Die zunächst beklagte Spruchstelle war für die vom Kläger begehrte Feststellung nicht passiv legitimiert.

Nach § 138 Abs. 1 FlurbG i.V.m. § 43 Abs. 1 VwGO kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Die Feststellungsklage richtet sich damit auf die deklaratorische Feststellung des Gerichts hinsichtlich des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses unter den Verfahrensbeteiligten. Als Beklagter der Feststellungsklage kommt damit nicht die Spruchstelle als zur Entscheidung über den Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan nach § 141 Abs. 2 FlurbG i.V.m. § 1 des Gesetzes zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes vom 14. Juli 1953 und zur Anpassung von Vorschriften des Landeskulturrechts und des Rechts der Wasser- und Bodenverbände an die Vorschriften des Flurbereinigungsrechts (Niedersächsisches Ausführungsgesetz zum Flurbereinigungsgesetz) vom 20. Dezember 1954 (Nds. GVBl. S. 179), zuletzt geändert durch Gesetz vom 9. April 1973 (Nds. GVBl. S. 104) - Nds. AGFlurbG - zuständige Widerspruchsbehörde, vor der der streitige Vergleich geschlossen worden ist, sondern das Amt für Agrarstruktur, das den vom Rechtsvorgänger der Klägerin angefochtenen Verwaltungsakt, nämlich seine Abfindung durch den Flurbereinigungsplan, erlassen und über dessen Rechtswidrigkeit bzw. Rechtmäßigkeit die Beteiligten, und zwar der Rechtsvorgänger der Klägerin als Widerspruchsführer und das Amt für Agrarstruktur als die den Verwaltungsakt erlassende Behörde sowie die von dem Begehren des damaligen Widerspruchsführers betroffenen Beigeladenen, gestritten und sich zur Beseitigung der Ungewissheit verglichen haben, in Betracht.

Die mit Zustimmung der alten und des neuen Beklagten gegen das Amt für Agrarstruktur gerichtete Klage, deren Änderung infolge des Parteiwechsels der Senat auch als sachdienlich ansieht (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 91 VwGO), ist jedoch unbegründet.

Nach § 3 Nds. AGFlurbG sind auf das Verfahren vor der Spruchstelle die allgemeinen Verfahrensvorschriften (§ 109 bis § 137 FlurbG und § 145 FlurbG) sinngemäß anzuwenden. Nach § 129 Abs. 1 FlurbG ist über Verhandlungen eine Niederschrift aufzunehmen. Sie soll den wesentlichen Hergang der Verhandlungen enthalten. Um eine solche Verhandlung handelt es sich bei der durch die Spruchstelle durchgeführten mündlichen Verhandlung, der durchgeführten Ortsbesichtigung und dem anschließend protokollierten Vergleich. Aus Gründen des Rechtsschutzes und der Rechtssicherheit sind an die Verhandlungsniederschrift strenge Anforderungen zu stellen. Sie muss in sich eindeutig sein (OVG Koblenz, Urt. v. 17./18.02.1975 - RdL 1975, 240), den Ort und Tag ihrer Aufnahme, die Bezeichnung des Flurbereinigungsverfahrens, den Namen der Urkundsperson, den Verhandlungsgegenstand sowie Angaben über die Erschienenen enthalten. Schließlich ist die Verhandlungsniederschrift vom Verhandlungsleiter zu unterschreiben. Diese Voraussetzungen treffen auf die Niederschrift über die von der Spruchstelle durchgeführte mündliche Verhandlung, die Ortsbesichtigung und den vereinbarten streitigen Vergleich zu. Nach § 130 Abs. 1 FlurbG ist die Niederschrift den an der mündlichen Verhandlung Beteiligten vorzulesen oder vorzulegen. Das ist hier ausweislich der Niederschrift nicht geschehen. Der Inhalt der Niederschrift ist den Beteiligten nicht vorgelesen, sondern der Protokollführerin laut diktiert worden. Dadurch wird die Richtigkeit und der Inhalt der Niederschrift sowie ihre Beweisfunktion für das vorliegende Verfahren aber nicht in Frage gestellt. Die dem § 162 Abs. 1 ZPO inhaltlich entsprechende Regelung in § 130 Abs. 1 Satz 1 FlurbG dient dem Zweck, die Richtigkeit mit einer Überprüfung und Genehmigung des Protokollinhalts durch die Beteiligten zu gewährleisten. Diesem Zweck und der gebotenen Verlautbarung des Protokollinhalts durch ein Verlesen des Inhalts wird ein lautes Diktat gerecht, insbesondere wenn, wie von der Spruchstelle schriftsätzlich unwidersprochen vorgetragen worden ist, die Beteiligten nach mehrstündigen streitigen Verhandlungen sich schließlich durch einen Vergleich geeinigt haben und der die Wirksamkeit des Vergleichs in Frage stellende Beteiligte das Vergleichsergebnis vor dessen Genehmigung außerhalb der mündlichen Verhandlung mit den zu seiner Unterstützung mitgebrachten Begleitern erörtert hat. In einem solchen Fall ist von einem Verzicht der Beteiligten auf ein nochmaliges Vorlesen des laut diktierten Vergleiches auszugehen.

Die laut diktierte Niederschrift enthält neben den diesen Vorgang bestätigenden Vermerk den weiteren Vermerk, dass der Rechtsvorgänger der Klägerin sie auch genehmigt hat (vgl. § 130 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Die Niederschrift hat damit nach § 131 FlurbG Beweiskraft für die Erfüllung der in den § 129, § 130 FlurbG vorgeschriebenen Förmlichkeiten, zu denen auch der Genehmigungsvermerk gehört. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt der Verhandlungsniederschrift ist nach § 131 Satz 2 FlurbG nur der Nachweis der Fälschung zulässig. Die Klägerin hat diesen Nachweis nicht angetreten, geschweige denn erbracht. Mit ihrem Vorbringen, ihr Vater habe entsprechend den Ausführungen in seinem Schreiben vom 18. Dezember 1999 seine Zustimmung zum Vergleich nicht gegeben, weil er danach nicht gefragt worden sei und er aufgrund der altersbedingten Schwerhörigkeit der Verhandlung nicht habe folgen können, so dass auch ausgeschlossen sei, dass er das Diktat des Vorsitzenden der Spruchstelle verstanden habe, kann sie die Förmlichkeiten der Verhandlungsniederschrift und die Beweiskraft für seine Genehmigung nicht in Frage stellen.

Die Genehmigung des Vergleichs kann auch materiell-rechtlich nicht in Zweifel gezogen werden. Willensmängel im Sinne des § 119 BGB werden von der Klägerin nicht geltend gemacht und es war nach dem lauten Diktat des Vergleichsinhalts einschließlich des Dankens der Spruchstelle an die Beteiligten für die schwierige Kompromissfindung sowie dem Diktat des Vorsitzenden der Spruchstelle "laut diktiert und genehmigt" Aufgabe des Vaters der Klägerin und der ihn zur Unterstützung seines Widerspruchs begleitenden Personen, die unstreitig, ohne eine ausdrückliche Vollmacht zu haben, gleichwohl an den Vergleichsverhandlungen teilgenommen und deren Ergebnis außerhalb des Sitzungssaales miteinander beraten haben, einer Genehmigung der Verhandlungsniederschrift einschließlich des Vergleichs zu widersprechen. Das hat keiner von ihnen getan und wird von ihnen auch nicht behauptet. Die Spruchstelle konnte mithin zu Recht von einer Genehmigung der Vergleichserklärung durch die in der mündlichen Verhandlung anwesenden Beteiligten ausgehen und von einem weiteren Verfahren nach § 130 Abs. 2 FlurbG absehen. Danach gilt bei einem entsprechenden Hinweis die Verhandlungsniederschrift auch dann als genehmigt, wenn ein Beteiligter die Genehmigung der Verhandlungsniederschrift ohne ihre Vervollständigung oder Berichtigung zu beantragen verweigert.

Soweit die Klägerin im gerichtlichen Verfahren vorträgt, dass ihr Vater aufgrund seiner altersbedingten Schwerhörigkeit der Verhandlung nicht habe folgen können, was auch dem Vorsitzenden der Spruchstelle bekannt gewesen sei, und deshalb ausgeschlossen gewesen sei, dass er das Diktat des Vorsitzenden der Spruchstelle verstanden habe, widerspricht sie ohne erkennbaren Grund dem Vorbringen ihres Vaters in seinem Schreiben an die Spruchstelle vom 21. Januar 2000. Darin heißt es:

Es mag durchaus sein, dass das Ergebnis am 16. November 1999 von allen Parteien genehmigt wurde, von meiner Seite wurde es jedoch nicht genehmigt.
Nach alledem kann die Klage keinen Erfolg haben.

Anmerkung

Anmerkung:
vgl. BVerwG 9 B 14.03