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von Anonymer Benutzer

RzF - 2 - zu § 120 FlurbG

Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 08.09.1986 - 9 G 10/86

Aktenzeichen 9 G 10/86 Entscheidung Urteil Datum 08.09.1986
Gericht Flurbereinigungsgericht Münster Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Besorgung von Rechtsangelegenheiten eines Teilnehmers durch einen anderen Teilnehmer ist nicht zulässig, soweit diesem nicht von der zuständigen Behörde eine Erlaubnis dazu erteilt worden ist.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Zu Recht hat die Beklagte den Kläger von Amts wegen in einem Nebenverfahren zum noch anhängigen Widerspruchsverfahren der Eheleute L. als Bevollmächtigten zurückgewiesen.

Gemäß § 14 Abs. 5 des Nordrhein-Westfälischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG NW) vom 21.12.1976 - GV NW S. 438/SGV NW 2010, welches das Verfahrensrecht des Flurbereinigungsgesetzes ergänzt (§ 1 Abs. 1 VwVfG NW und § 1 Abs. 3 des Bundesverwaltungsverfahrensgesetzes vom 25.05.1976, BGBl. I S. 1253), sind Bevollmächtigte und Beistände zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgen, ohne dazu befugt zu sein.

Nach Art. 1 § 1 Abs. 1 Satz 1 Rechtsberatungsgesetz (RBerG) vom 13.12.1935 (RGBl. I S. 1478, BGBl. III 303-22), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 18.08.1980 (BGBl. I S. 1503), darf die Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten einschließlich der Rechtsberatung und der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen geschäftsmäßig - ohne Unterschied zwischen haupt- und nebenberuflicher oder entgeltlicher und unentgeltlicher Tätigkeit - nur von Personen betrieben werden, denen dazu von der zuständigen Behörde die Erlaubnis erteilt ist.

Der Kläger besitzt unstreitig eine solche behördliche Erlaubnis nicht. Er beruft sich auch nicht auf eine in diesem Gesetz mit den dazu ergangenen Ausführungsverordnungen geregelten Ausnahmetatbestand.

"Besorgen" bedeutet jede Tätigkeit, durch die fremde Rechtsangelegenheiten unmittelbar gefördert werden, sei es nach außen durch Wahrnehmung Dritten gegenüber als Bevollmächtigter oder nur nach innen durch Rechtsberatung, Entwerfen von Schriftsätzen und dergleichen (Altenhoff/Busch/Kampmann, Kommentar Rechtsberatungsgesetz, 7. Aufl. 1983, RdNr. 26 zu Art. 1 § 1 m. w. N.). Die Geltendmachung oder Einziehung zahlungshalber abgetretener Forderungen wird nicht dadurch zu einer eigenen Angelegenheit des Einziehenden, daß dieser daran anteilig beteiligt wird; sie ist stets Besorgung einer fremden Rechtsangelegenheit, weil schon die Geltendmachung rechtlich und wirtschaftlich in erster Linie dem Interesse des Abtretenden, der dem Empfänger zur Bezahlung einer Schuld verpflichtet ist, dient (vgl. entsprechend Altenhoff ..., RdNrn. 48 bis 50 a.a.O.).

Die Behörde ist verpflichtet, Personen zurückzuweisen, wenn sie geschäftsmäßig als Bevollmächtigte oder Beistand tätig werden. Die für das Verwaltungsverfahren anzuwendenden Vorschriften der § 120, § 121 des Flurbereinigungsgesetzes (FlurbG), wonach sich Beteiligte grundsätzlich durch Bevollmächtigte vertreten lassen und zu Verhandlungen mit einem Beistand erscheinen können, verdrängen nicht die ältere Regelung des RBerG. Diese greift vielmehr als Berufsordnungsgesetz ergänzend dann ein, wenn der Bevollmächtigte unbefugt geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgt (vgl. entsprechend Altenhoff ..., RdNr. 206 a.a.O.; Seehusen/Schwede, Kommentar FlurbG, 4. Aufl., RdNr. 3 zu § 121).

"Geschäftsmäßig" ist nicht gleichbedeutend mit gewerbsmäßig. Nicht notwendig ist, daß die Tätigkeit auf Einnahmen abzielt oder mit Einnahmen verbunden ist oder gegen Entgelt ausgeübt wird. Der Begriff der Geschäftsmäßigkeit setzt eine selbständige Betätigung und ein Hinausgehen über den aus besonderen Gründen ausgeübten Gelegenheitsfall voraus, erfordert eine Tätigkeit, bei der der Handelnde beabsichtigt, sie - bei sich bietender Gelegenheit - in gleicher Art zu wiederholen und sie dadurch zu einem zumindestens wiederkehrenden Bestandteil seiner Beschäftigung zu machen (vgl. Altenhoff .., RdNr. 52 a.a.O.).

So liegt es hier. Die geschäftsmäßige Besorgung der Rechtsangelegenheiten anderer Flurbereinigungsteilnehmer durch den Kläger ist nach den vorliegenden Verwaltungsvorgängen für die Zeit vom 10.08.1978 bis 28.10.1980 hinreichend belegt. Der Kläger ist nämlich in den Anhörungstermin zur Bekanntgabe des Plannachtrags 1 am 07.08.1978, zur Bekanntgabe des Plannachtrags 2 am 03.09.1979 und zur Bekanntgabe des Plannachtrags 3 am 29.09.1980 sowie an mindestens 17 Verhandlungstagen für acht Teilnehmer als Bevollmächtigter und für weitere drei Teilnehmer als Beistand aufgetreten, zum Teil unter Einreichung mehrseitiger von ihm handschriftlich verfaßter Widerspruchsschreiben oder durch von ihm selbst verlangtes Protokolldiktat.

Der Kläger hat aber auch nach der ihm in der Sache 9 G 35/80 übersandten Mitteilung der in der gerichtlichen Verfügung vom 20.01.1981 geäußerten Bedenken wegen seiner geschäftsmäßigen Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten nicht von weiteren Vertretungsübernahmen abgesehen. Denn er ist auch in der Folgezeit für andere Teilnehmer tätig geworden. Dabei hat er sich allerdings in den Verhandlungsniederschriften ausdrücklich als Beteiligter, nicht mehr als Bevollmächtigter oder Beistand aufführen lassen.

Es ist allgemein anerkannt, daß die Umgehung von Verbotsgesetzen nicht statthaft und hier die Umgehung der Verbotsbestimmungen des RBerG nicht zulässig ist. Dieses Verbot ergibt sich auch aus Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG, wonach die zur Einziehung abgetretenen Forderungen geschäftsmäßig nur geltend gemacht werden dürfen, wenn eine entsprechende Genehmigung vorliegt. Damit soll verhindert werden, daß die Genehmigungspflicht für eine rechtsbesorgende Tätigkeit dadurch umgangen wird, daß Forderungen abgetreten werden (Altenhoff ..., RdNr. 188, 189 a.a.O. m. w. N.).

Soweit der Kläger sich in der genannten Vereinbarung "vermeintlicher" Forderungen aus dem Widerspruchsverfahren der Eheleute L. einschließlich von Geldausgleichsforderungen hat abtreten lassen, um diese gegenüber der Flurbereinigungsbehörde bzw. der Teilnehmergemeinschaft - im eigenen Namen - auch im Klagewege geltend zu machen, handelt es sich dabei ebenfalls um eine unerlaubte Rechtsbesorgung für einen Dritten. Denn diese Abtretung der Eheleute L. bezweckt offensichtlich, daß eine solche Tätigkeit des Klägers im Hinblick auf das vornehmlich wirtschaftliche Interesse des Zedenten als außerhalb des Begriffs der Rechtsbesorgung liegend angesehen wird, aber das Ergebnis einer etwaigen erfolgreichen Durchsetzung der abgetretenen Ansprüche dem Zedenten zugute kommen soll (vgl. entsprechend Altenhoff ..., RdNr. 43 a.a.O.), und sei es - wie hier - auch in Form der Verwendung für Dränungen von Flächen der Eheleute L.

Daß der Kläger nicht eigene Rechte, sondern vor allem Ansprüche der Teilnehmer aus dem genannten Vertrag verfolgen will, ergibt sich eindeutig auch aus seinen eigenen Schreiben vom 29.01. und 23.03.1985, in denen er im Unterschied zu eigenen Widersprüchen ausdrücklich auf die Widersprüche eingeht, so zum Beispiel fehlende Holzschätzung rügt und Geldausgleiche auch für vorübergehende Nachteile wie Ernte-, Dränfolge- und Bachausbauschäden sowie Mastenversetzung und Rückerstattung von Pachtzahlungen beantragt.

Nach den von dem Kläger - wiederholt - ausgeübten selbständigen Betätigungen in den zahlreichen aufgeführten Widerspruchsverfahren anderer Teilnehmer ist nach der Überzeugung des Senats die Rechtsbesorgung für die Teilnehmer nicht als besonders gelagerter Einzelfall, sondern nur als - vielleicht letzter - Fall in einer längeren Kette geschäftsmäßiger Tätigkeit anzusehen. Unabhängig davon, daß es sich bei dem Widerspruchsverfahren L. um das letzte Rechtsbehelfsverfahren in der Flurbereinigung L. handeln soll, in welchem der Kläger tätig geworden ist, ist Wiederholungsgefahr nicht auszuschließen, und sei es in benachbarten Flurbereinigungsverfahren. Die geschäftsmäßige Besorgung seiner Tätigkeit ergibt sich auch für die Zeit seit 1981 daraus, daß der Kläger sich seitdem in den Widerspruchsverfahren - wie aufgezeigt - betätigt hat und sich für die Durchsetzung der Ansprüche im Widerspruchsverfahren im Vertrag vom 30.01.1982 von den Eheleuten L. eine unwiderrufliche Generalvollmacht hat erteilen lassen.

Damit hat der Kläger seitdem zumindest billigend in Kauf genommen, daß seine fortgesetzte Tätigkeit als unbefugte geschäftsmäßige Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten und damit als eine Ordnungswidrigkeit i. S. d. Art. 1 § 8 Abs. 1 Nr. 1 RBerG angesehen wird, die die Zurückweisung als Bevollmächtigter zur Folge hat.