Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 04.02.1962 - F III 22 u. 23/60 = RdL 1962 S. 189
Aktenzeichen | F III 22 u. 23/60 | Entscheidung | Urteil | Datum | 04.02.1962 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | = RdL 1962 S. 189 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Für die Ermittlung des Eigentums an einem Altbesitzgrundstück sind die Eintragungen im Grundbuch maßgebend, auch wenn das Eigentum streitig ist. |
2. | Es ist nicht Sache der Flurbereinigungsbehörden oder des Flurbereinigungsgerichts, über streitige Eigentumsverhältnisse zu entscheiden. |
3. | In der Flurbereinigung können öffentliche Wege neu geschaffen oder verändert werden; die Zuweisung einer bisher von 2 Höfen benutzten Einfahrt als öffentliche Wegfläche an die Gemeinde ist jedoch nur dann zulässig, wenn dies einem unabweisbaren öffentlichen Verkehrsbedürfnis dient. |
4. | Eine Hofeinfahrt ist eine Hoffläche im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG. |
Aus den Gründen
Die von der oberen Flurbereinigungsbehörde im Bescheid der Spruchstelle angeordnete Zuweisung der bisher im grundbuchlichen Eigentum der Kläger K. stehenden Flächen Nr. 45 und 44 an die Gemeinde kann in der vorgenommenen Form schon deshalb keinen Bestand haben, weil damit eine entschädigungslose Enteignung verbunden ist. Der auf diese Flächen entfallende Schätzungswert soll nämlich mit Rücksicht auf die zukünftige Unterhaltungspflicht des Straßengeländes an die Gemeinde und somit nicht an die grundbuchlichen Eigentümer, die Kläger K. fallen. Dafür bietet die Flurbereinigung keine Handhabe. Sie stellt keine Enteignung dar und darf die ihr insoweit gezogenen Grenzen nicht überschreiten (vgl. BVerwGE 1225 zur RUO; so auch ständige Rechtsprechung zum FlurbG).
Auch aus anderen Gründen kann die von der oberen Flurbereinigungsbehörde angeordnete Umwandlung des Flurstücks Nr. 45 und des vorderen Teils von Nr. 44 in eine öffentliche Wegefläche nicht aufrecht erhalten werden. Die Flurbereinigungsbehörden sind allerdings im Verfahren der Flurbereinigung, zu dem auch das Beschwerdeverfahren gehört, grundsätzlich berechtigt, öffentliche Wege neu zu schaffen oder zu verändern (vgl. Württ-Bad. VGH, Urteil vom 12.1.1961 - 5 S 226/58 -, nicht veröffentlicht, mit Fundstellen; Seehusen-Schwede-Nebe, FlurbG § 39, Anmerkung 1, Steuer, FlurbG zu § 39 Anmerkung 7). Jedoch sind in vorliegender Sache die materiellrechtlichen Voraussetzungen für die Begründung einer öffentlichen Wegefläche an Stelle der bisher nach dem Grundbuchinhalt den Klägern K. gehörigen Einfahrt nicht erfüllt. Mit Rücksicht auf die durch die Anlegung der neuen öffentlichen Wegefläche entstehende Wegebaulast der Gemeinde ist eine derartige Maßnahme nur bei Vorliegen eines unabweisbaren öffentlichen Verkehrsbedürfnisses zulässig (vgl. Germershausen-Seydel, Wegerecht, 4. Auflage, 1932 S. 32). Ein solches liegt hier aber nicht vor und wird auch von der beigeladenen Gemeinde nicht anerkannt, wie sie durch den von ihr gestellten Antrag zum Ausdruck gebracht hat. Zweckmäßigkeitserwägungen, wie sie der Beklagte im Bescheid der Spruchstelle hervorgehoben hat, reichen für die Begründung eines öffentlichen Weges nicht aus. Die Zuweisung dieser Fläche an die Gemeinde ist im übrigen auch deshalb nicht zulässig, weil sie bisher eine gemeinsame Hofeinfahrt zu den beiden Hofreiten der Kläger K. und H. und damit eine Hoffläche im Sinne des § 45 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG darstellt, nämlich eine Fläche, die mit den Hof- und Wirtschaftsgebäuden, insbesondere der Hofreite K., in unmittelbarem Zusammenhang liegt und deren Zweckbestimmung darin besteht, die Benutzung der Hof- und Wirtschaftsgebäude zu ermöglichen oder zu erleichtern. Gemäß § 45 Abs. 1 FlurbG können derartige Flächen nur dann verändert werden, wenn der Zweck der Flurbereinigung es erfordert. Um dies zu bejahen, reichen aber die hier vorliegenden Umstände nicht aus.
Nun wäre die obere Flurbereinigungsbehörde allerdings grundsätzlich bereit gewesen, die bisher zwischen den beiden klagenden Parteien streitigen Eigentums- bzw. Nutzungsverhältnisse an der Einfahrtsfläche in anderer Form neu zu regeln, wenn damit eine Verbesserung der bisherigen Verhältnisse verbunden gewesen wäre. Das war jedoch nicht möglich. So würde z.B. auch die Begründung eines Miteigentums beider klagenden Parteien an der Einfahrtsfläche nicht zu einer Verbesserung führen, weil damit die Belastung jedes Miteigentumsteils mit dem Überfahrtsrecht für den anderen Miteigentümer nicht vermieden werden könnte.
Auf Grund dieser Sach- und Rechtslage ist es also zweckmäßig, es bei der von der Flurbereinigungsbehörde im Flurbereinigungsplan getroffenen Regelung zu belassen, zumal dabei die bisherigen grundbuchlichen Eigentumsverhältnisse zugrunde gelegt worden sind. Gemäß § 12 FlurbG sind für die Ermittlung der Beteiligten die Eintragungen im Grundbuch maßgebend. Trotz des anderslautenden, aber bisher nicht rechtskräftigen Urteils des Amtsgerichts mußten daher für die Feststellung des Altbesitzes die Kläger K. als Eigentümer der Fläche des neuen Flurstücks Nr. 45 behandelt werden. Die vom Kulturamt im Flurbereinigungsplan angeordnete Regelung - Eigentum für die Kläger K. und Begründung eines Überfahrtsrechts für die Kläger H. - entsprach dieser Rechtslage. Die Verhältnisse waren dadurch auch in klarer und eindeutiger Weise geregelt. Insbesondere war dadurch die Zufahrtsmöglichkeit der Kläger H. von der Hauptstraße aus gesichert.
Durch die Form der Zuweisung der Fläche an die Kläger K. mit einem Überfahrtsrecht für die Kläger H. werden die Interessen der Kläger K. und H. auch im Hinblick auf den noch unbestimmten Ausgang des inzwischen vom Landgericht ausgesetzten Zivilprozesses durchaus gewahrt. Gemäß § 13 Abs. 2 letzte Sätze in Verbindung mit § 64 FlurbG muß die Flurbereinigungsbehörde nämlich einer ihr bekanntwerdenden rechtskräftigen Entscheidung Rechnung tragen und den Flurbereinigungsplan dann gegebenenfalls von Amts wegen ändern. Wenn also die Kläger H. ihren Prozeß gegen die Kläger K. auch in zweiter Instanz gewinnen sollten, so wird das bisher den Klägern K. als Altbesitz zugerechnete Flurstück Nr. 45 dann dem Altbesitz H. zugerechnet werden müssen. In diesem Falle ist es schon zur Vermeidung einer insoweit nicht erforderlichen Landminderabfindung für die Kläger H. notwendig, diese Fläche der Kläger H. als der bisherigen Eigentümerin auch in der Flurbereinigung zuzuteilen und den Klägern K. ein ausreichendes Überfahrtsrecht zu gewähren. Es wird Sache der Flurbereinigungsbehörde sein, diese Änderungen des Flurbereinigungsplanes dann anzuordnen. Im Falle, daß das Landgericht aber anders entscheiden sollte als das Amtsgericht, kann es bei der bisher vom Kulturamt im Flurbereinigungsplan angeordneten Regelung verbleiben.
Unter Aufhebung des Bescheides der Spruchstelle war daher entsprechend dem Antrag der Kläger K. die im Flurbereinigungsplan ursprünglich vorgesehene Regelung wiederherzustellen. Die Kläger H. konnten mit ihrem darüber hinausgehenden Begehren, die streitige Einfahrtsfläche nunmehr ihr zuzuweisen, keinen Erfolg haben, weil sie nicht als bisheriger Eigentümer ausgewiesen ist und es auch nicht Sache des Flurbereinigungsgerichts ist, über die strittigen Eigentumsverhältnisse zu entscheiden.Anmerkung
Vgl. Bundesverwaltungsgericht, Beschluß vom 20.12.1961 - I B 148.61, auszugsweise abgedruckt unter RzF - 1 - zu § 10 Nr. 1 FlurbG.