Landgericht Mainz, Beschluss vom 18.12.2018 - 8 T 242/18 (Lieferung 2021)
Aktenzeichen | 8 T 242/18 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 18.12.2018 |
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Gericht | Landgericht Mainz | Veröffentlichungen | Lieferung | 2021 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Flurbereinigungsbehörde hat bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 FlurbG einen Anspruch auf die Bestellung des Vertreters durch das Betreuungsgericht. (Rn 12) (Redaktioneller Leitsatz) |
2. | Das Verfahren der Vertreterbestellung gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG ist nicht subsidiär gegenüber dem Verfahren zur Bestellung eines Nachlasspflegers gem. § 1960 BGB. (Rn 12) (Redaktioneller Leitsatz) |
Aus den Gründen
1 Im Grundbuch von ...
2 als Eigentümerin eingetragen. Die Antragstellerin hat mit Beschluss vom 24. April 2007 die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens für Teile der Gemarkung ... angeordnet, mit weiterem Beschluss vom 22. August 2014 hat sie das Flurbereinigungsgebiet geteilt. Die Grundstücke der Erblasserin liegen in dem aus der Teilung hervorgegangenen Flurbereinigungsgebiet ....
3 Mit Schreiben vom 31. Juli 2018 hat die Antragstellerin gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG beantragt, einen Vertreter für die unbekannten Eigentümer der genannten Grundstücke zu bestellen. Zur Begründung hat die Antragstellerin ausgeführt, dass die im Grundbuch eingetragene Eigentümerin ... nach den Ermittlungen am 21. März 2010 in ... verstorben sei und keine Erben hätten ermittelt werden können. Als Vertreter solle der Vorsitzende der Teilnehmergemeinschaft ... bestellt werden.
4 Auf entsprechende Anfrage des Amtsgerichts hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 mitgeteilt, dass nicht habe ermittelt werden können, ob die verstorbene Frau ... in den ... verheiratet war oder Kinder hatte. Sie sei noch Miteigentümerin eines weiteren Grundstucks, die weiteren Miteigentümer dieses Grundstücks hätten auf eine Anfrage nicht reagiert.
5 Mit Beschluss vom 15. Oktober 2018 hat das Amtsgericht festgestellt, dass zur Schaffung einer Vertretung des Nachlasses primär eine Nachlasspflegschaft einzurichten sei, für die das Nachlassgericht sachlich zuständig sei, sich für sachlich unzuständig erklärt und dem Antrag nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG nicht entsprochen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts vom 15. Oktober 2018 (Bl. 31 ff. d.A.) Bezug genommen.
6 Gegen den am 22. Oktober 2018 zugestellten Beschluss hat die Antragstellerin mit am 21. November 2018 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt.
7 Zur Begründung führt die Antragstellerin aus, dass bewusst keine Nachlasspflegschaft beantragt worden sei. Die Anordnung einer Vertretung gem. § 119 Abs. 1 FlurbG sei als Spezialgesetz vorrangig gegenüber § 1960 BGB.
8 Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 26. November 2018 nicht abgeholfen.
9 Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den gesamten Akteninhalt Bezug genommen.
II.
10 Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts M. vom 15. Oktober ist zulässig, insbesondere statthaft gem. 58 FamFG und form- sowie fristgerecht eingelegt, §§ 59 ff. FamFG.
11 Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses sowie zur Bestellung eines Vertreters für die unbekannten Erben der verstorbenen Eigentümerin der aus dem Tenor ersichtlichen Grundstücke.
12 Anders als vom Amtsgericht angenommen, ist das Verfahren der Vertreterbestellung gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG nicht subsidiär gegenüber dem Verfahren zur Bestellung eines Nachlasspflegers gem. § 1960 BGB. Eine Nachlasspflegschaft gem. § 1960 BGB kann vom Nachlassgericht nach pflichtgemäßem Ermessen angeordnet werden, wenn ein Sicherungsanlass und ein Sicherungsbedürfnis besteht. Maßgeblich ist insofern das Interesse des endgültigen Erben an der Sicherung und Erhaltung des Nachlasses (Kroiß/Ann/Mayer, BGB, Erbrecht, BGB § 1960 Rn. 13, beck-online). Dieses ist gegeben, wenn der Bestand des Nachlasses ohne ein Eingreifen des Nachlassgerichts gefährdet wäre (OLG Düsseldorf Beschl. v. 23.12.2015 - 3 Wx 127/14, BeckRS 2016, 2638, beck-online). Demgegenüber dient die Vertreterbestellung gem. § 119 FlurbG dem Interesse der öffentlichen Hand und der übrigen gem. § 10 FlurbG am Flurbereinigungsverfahren Beteiligten an der zügigen Durchführung des Flurbereinigungsverfahrens (vgl. BGH, Urteil vom 31. Mai 1974, V ZR 14/3 zu der wortgleichen Vorschrift des § 149 BauGB i.d.F. vom 18. August 1976). Bei der Entscheidung gem. § 119 FlurbG handelt es sich zudem - anders als bei der Maßnahme nach § 1960 BGB - nicht um eine Ermessensentscheidung des Gerichts. Die Flurbereinigungsbehörde hat vielmehr bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 FlurbG einen Anspruch auf die Bestellung des Vertreters durch das Betreuungsgericht (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. Mai 2015 - 9 C 12/14 -, juris, Rn. 14 <= RzF - 8 - zu § 57 LwAnpG> zur vergleichbaren Vorschrift des Art. 233 § 2 Abs. 3 S. 1 EGBGB).
13 Die Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG liegen vor, wovon auch das Amtsgericht ausgegangen ist. Die im Tenor genannten Grundstücke liegen in dem Flurbereinigungsgebiet Ni. Außerdem sind die gem. § 10 Nr. 1 FlurbG am Verfahren zu beteiligenden Eigentümer der Grundstücke unbekannt. Die Eigentümer sind nach § 12 FlurbG auf der Grundlage der Eintragungen im Grundbuch zu ermitteln; die Vorschrift knüpft an die Vermutungsregelung des § 891 Abs. 1 BGB an. Soweit das Grundbuch - wie hier wegen Versterbens der eingetragenen Person - unrichtig ist, gelten die weiteren Regelungen der §§ 12 bis § 14 FlurbG. Diese verlangen entweder eine öffentliche Urkunde (Erbschein oder öffentliches Testament) oder eine Eigenbesitzbescheinigung der Gemeinde, sofern ein unangefochtener Eigenbesitzer i.S.d. § 13 Abs. 1 FlurbG vorhanden ist (§ 12 Abs. 1 Satz 2 FlurbG). Demgegenüber reichen bloße behördliche Annahmen zur vermeintlichen Erbfolge nicht aus, denn diese führen nicht zu vergleichbar verlässlichen Ergebnissen (vgl. zum Vorstehenden: BVerwG, Urteil vom 05. Mai 2015 - 9 C 12/14 -, Rn. 22, juris). Vorliegend ist die Rechtsnachfolge der verstorbenen früheren Grundstückseigentümerin indes nicht anhand öffentlicher Urkunden nachvollziehbar.
14 Die Kammer hat daher, wie von der Beschwerdeführerin vorgeschlagen, den Vorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft ... zum Vertreter der unbekannten Grundstückseigentümer für das Flurbereinigungsverfahren bestellt. Dieser hat sich zur Übernahme des Amtes bereit erklärt. Gründe, die seiner Eignung entgegenstehen könnten sind nicht ersichtlich Gerichtskosten sind gem. § 21 GNotKG für das Beschwerdeverfahren nicht zu erheben, weil die Kosten des Beschwerdeverfahrens bei ordnungsgemäßer Sachbehandlung nicht angefallen wären.