Flurbereinigungsgericht Münster, Beschluss vom 25.03.1991 - 9 B 573/91 G
Aktenzeichen | 9 B 573/91 G | Entscheidung | Beschluss | Datum | 25.03.1991 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO mit dem Ziel, die Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten nach § 119 Abs. 1 Nr. 5 FlurbG zu verhindern, steht § 45 a Satz 1 VwGO entgegen. |
2. | Die auf § 119 Abs. 1 Nr. 5 FlurbG gestützte Aufforderung zur Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten ist nicht vollstreckbar; sie ist lediglich tatbestandliche Voraussetzung, bei Nichtbefolgung das Vormundschaftsgericht um die Bestellung zu ersuchen. |
3. | Eine gesonderte Anfechtung gemäß § 44 a Satz 2 VwGO ist bei einer Zustellung gemäß § 127 Abs. 2 FlurbG nicht zulässig. |
Aus den Gründen
Der Antragsteller ist Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens H. Er ist beteiligt unter der Ordnungsnummer (ONr.) 1067/01 als Alleineigentümer und unter den ONrn. 1087/00, 1088/00, 1442/00 und 1443/00 als Miteigentümer von Grundstücken, die in nach Grund und Anteilen unterschiedlichem gemeinschaftlichen Eigentum stehen.
Nach vorausgegangenem Schriftwechsel, in dem der Antragsteller die Notwendigkeit der Flurbereinigung, zumindest aber der Einbeziehung ihm gehörender oder mitgehörender Baugrundstücke oder als Bauland bezeichneter Flächen in Zweifel zog, richtete der Antragsgegner, das Amt für Agrarordnung (AfA), an den Antragsteller ein Schreiben. Darin forderte er ihn auf, als auswärts Wohnender gemäß § 127 FlurbG einen Empfangsbevollmächtigten zu bestellen, soweit er als Alleineigentümer beteiligt sei, und gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 5 FlurbG den Miteigentümer P. als gemeinsamen Bevollmächtigten zu bestellen, soweit er als Miteigentümer beteiligt sei. Der Aufforderung zur Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten fügte er eine inhaltlich vorbereitete Vollmacht bei, die unter anderem eine Befreiung des zu bestellenden Bevollmächtigten von dem Verbot des § 181 BGB über das sog. Kontrahieren mit sich selbst vorsieht. Er merkte an, er werde das zuständige Vormundschaftsgericht um die Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten ersuchen, falls die erbetene entsprechende Bestellung nicht erfolge.
Durch das Verhalten des Antragsgegners hält der Antragsteller sich in seinen Rechten für beeinträchtigt und begehrt vorläufigen Rechtsschutz.
Er bestreitet, die Berechtigung der an ihn gerichteten Aufforderung und verweist darauf, daß er auch in H. einen Wohnsitz habe.
Er beantragt, "dem AfA, wie es kurzfristig angedroht hat, zu untersagen, einen Bevollmächtigten in meinen Angelegenheiten zu bestellen bzw. über das Vormundschaftsgericht bestellen zu lassen".
Der Antragsgegner hält die Voraussetzungen der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes für nicht gegeben. Die Aufforderung zur Bestellung der Bevollmächtigten entspreche den gesetzlichen Vorschriften.
Auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten und vorliegenden Verwaltungsvorgänge wird zur Ergänzung Bezug genommen.
Der Antrag hat keinen Erfolg.
Einem Erlaß der mit dem Antrag verfolgten einstweiligen Anordnung, die Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten zu verhindern, steht schon § 44 a VwGO entgegen. Die beanstandete Aufforderung zur Bestellung eines solchen Bevollmächtigten ist eine Verfahrenshandlung im Rahmen des Verwaltungsverfahrens Flurbereinigung H. Nach Satz 1 der genannten Vorschrift können Rechtsbehelfe gegen behördliche Verfahrenshandlungen nur gleichzeitig mit den gegen die - in dem Verwaltungsverfahren ergehende - Sachentscheidung zulässigen Rechtsbehelfen geltend gemacht werden. Zu den nach dieser Regelung unzulässigen gesonderten Rechtsbehelfen gegen eine Verfahrenshandlung gehört auch ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO (Kopp, VwGO, 8. Aufl., RdNr. 4 zu § 44 a m. w. N.; Redeker/von Oertzen, VwGO, 9. Aufl., RdNr. 2 zu § 44 a), wie er hier gestellt ist. Die Ausnahme des § 44 a Satz 2 VwGO, nach der das Verbot der gesonderten Anfechtung nicht gilt, wenn behördliche Verfahrenshandlungen vollstreckt werden können, liegt hier nicht vor. Die auf § 119 Abs. 1 Nr. 5 FlurbG gestützte Aufforderung an den Antragsteller zur Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten ist nicht vollstreckbar. Ihre Nichtbefolgung schafft für den Antragsgegner lediglich die tatbestandliche Voraussetzung, das Vormundschaftsgericht um eine Bestellung ersuchen zu können.
Im übrigen besteht auch kein Grund, im Hinblick auf die Aufforderung zur Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten eine einstweilige Anordnung zu erlassen. Falls der Antragsgegner das Vormundschaftsgericht um Bestellung ersucht, hat dieses nach dem in verfahrensmäßiger Hinsicht anzuwendenden Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) gemäß dessen §§ 12, 43 zu prüfen, ob die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 119 Abs. 1 Nr. 5 FlurbG und insbesondere auch eine ordnungsgemäße Aufforderung an die beteiligten Miteigentümer vorliegen. Bestellt das Vormundschaftsgericht einen gemeinsamen Bevollmächtigten, kann der betroffene Teilnehmer nach den §§ 19 ff. FGG Beschwerde einlegen, mit der er auch rügen kann, die Aufforderung der Flurbereinigungsbehörde nach § 119 Abs. 1 Nr. 5 FlurbG sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Ob die Aufforderung an den Antragsteller nach dieser Vorschrift dem Gesetz entspricht, ist nicht bedenkenfrei. Die Bestellung eines gemeinsamen Bevollmächtigten ist sowohl bei der Bruchteilsgemeinschaft als auch bei der Erbengemeinschaft, den Gemeinschaftsverhältnissen, um die es bei dem Miteigentum des Antragstellers geht, eine Angelegenheit der gemeinschaftlichen Verwaltung, über die durch die Mitberechtigten mit Stimmenmehrheit beschlossen wird (§§ 744 Abs. 1, 2038 Abs. 1 und 2, 745 Abs. 1 BGB). Mit diesen Vorschriften dürfte es kaum zu vereinbaren sein, den Antragsteller zur Bestellung einer bestimmten Person, nämlich des Miteigentümers P. aufzufordern, wie das hier geschehen ist. Was den Inhalt der erbetenen Vollmacht betrifft, dürfte nur eine solche verlangt werden können, die der Regelung des § 125 FlurbG entspricht. Zu dieser Vorschrift wird die Auffassung vertreten, der gesetzliche Inhalt der Vollmacht werde durch § 181 BGB eingeschränkt, wonach ein Vertreter im Namen des Vertretenen grundsätzlich nicht mit sich im eigenen Namen ein Rechtsgeschäft vornehmen könne (vgl. Oberverwaltungsgericht Koblenz, Urteil vom 21.12.1960, Recht der Landwirtschaft 1961, 191). Danach dürfte gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 5 FlurbG nicht zur Erteilung einer Vollmacht aufgefordert werden können, die inhaltlich auch eine Befreiung von dem Verbot des § 181 BGB über das sog. Selbstkontrahieren enthält, wie das hier verlangt worden ist.
Auch soweit der Antrag sich auf die Aufforderung zur Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten bezieht, kommt der Erlaß einer einstweiligen Anordnung nicht in Betracht. Bei dieser Aufforderung handelt es sich ebenfalls um eine Verfahrenshandlung mit der sich aus § 44 a Satz 1 VwGO ergebenden Folge der Unzulässigkeit eines gesonderten Rechtsbehelfs. Die Ausnahme des § 44 a Satz 2 VwGO, nach der bei Vollstreckbarkeit der Verfahrenshandlung gesondert angefochten werden kann, liegt hier ebenfalls nicht vor. Die vorgenannte Aufforderung ist der Vollstreckung nicht fähig. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen der Aufforderung zur Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten vor und wird die Aufforderung nicht befolgt, wird diese nicht vollstreckt, vielmehr können dann nach § 127 Abs. 2 FlurbG Ladungen und andere Mitteilungen an den Betroffenen unter erleichterten Bedingungen zugestellt werden. Für eine entsprechende Anwendung des § 44 a Satz 2 VwGO mit der Folge einer Zulassung gesonderter Anfechtung besteht kein Bedürfnis. Dem Betroffenen ist zumutbar, darauf verwiesen zu werden, die unter den Bedingungen des § 127 Abs. 2 FlurbG zugestellte Sachentscheidung auch mit der Rüge anzufechten, die Zustellung sei unwirksam, weil die gesetzlichen Voraussetzungen der Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten nicht vorgelegen hätten. Unter diesen Umständen braucht nicht erörtert zu werden, ob der Antragsteller auch einen Wohnsitz in H. hat, wie er geltend macht. Soweit Kopp, VwVfG, 4. Aufl., RdNr. 2 zu der dem § 127 FlurbG in Teilen vergleichbaren Vorschrift des § 15 des Verwaltungsverfahrensgesetzes unter Bezugnahme auf Rechtsprechung zu - mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbaren - gerichtlichen Anordnungen über eine Vertreterbestellung nach § 67 Abs. 2 Satz 2 VwGO die Ansicht vertritt, in den Fällen der behördlichen Aufforderung zur Bestellung eines Empfangsbevollmächtigten müsse § 44 a Satz 2 VwGO angewendet werden, anscheinend um für das Verwaltungsverfahren ähnlich wie für das Gerichtsverfahren eine gesonderte Anfechtbarkeit zu ermöglichen, folgt der Senat dem nicht. Es ist ein Unterschied, ob im Rahmen eines anhängigen Prozesses aus Anlaß eines Zwischenstreits über eine Vertreterbestellung ein begrenzter Beschwerderechtszug eröffnet oder aber bei einem Verwaltungsverfahren aus Anlaß einer sich auf eine Bevollmächtigtenbestellung beziehenden Verfahrenshandlung die Möglichkeit einer Klage mit vollem gerichtlichen Instanzenzug und die Möglichkeit von Nebenverfahren nach § 80 Abs. 5 oder § 123 VwGO gewährt werden. Eine Gewährung der letztgenannten Möglichkeiten widerspricht dem mit § 44 a VwGO verfolgten Zweck der Verfahrenskonzentration. Danach soll verhindert werden, daß bei der Behörde anhängige Verwaltungsverfahren verzögert und die Gerichte mit Streitfällen, die sich auf den Ablauf eines Verwaltungsverfahrens beziehen, befaßt werden, zumal durchaus möglich ist, daß das Verwaltungsverfahren im Ergebnis zu einer Beschwer oder zu einer rechtswidrigen Beeinträchtigung von Rechten des Betroffenen nicht führt.