Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 17.05.1979 - 2 C 1.79 = BVerwGE 58, 107= NJW 1979 S. 1998= BayVBl 1979 S. 571

Aktenzeichen 2 C 1.79 Entscheidung Urteil Datum 17.05.1979
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen BVerwGE 58, 107 = NJW 1979 S. 1998 = BayVBl 1979 S. 571  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Für das Datum der vereinfachten Zustellung an einen Rechtsanwalt gemäß § 5 Abs. 2 VwZG kommt es auf den Tag an, an welchem der Rechtsanwalt das zuzustellende Schriftstück als zugestellt angenommen hat (Abweichung von BVerwG, Beschluß vom 01. Februar 1971 - BVerwG IV CB 147.68 - <RzF - 7 - zu § 112 Abs. 1 FlurbG> (Buchholz 340 § 5 VwZG Nr. 2)).

Aus den Gründen

Ebenso wie in den entsprechenden Vorschriften der Zivilprozeßordnung (§§ 198, 212 a) wird auch in § 5 Abs. 2 VwZG der Rechtsanwalt als ein Organ der Rechtspflege angesprochen. Es kann daher nicht genügen, daß das zuzustellende Schriftstück in seine Kanzlei gelangt ist, sondern der als Zustellungsadressat bezeichnete Rechtsanwalt muß, damit die Zustellung bewirkt wird, das zuzustellende Schriftstück persönlich als zugestellt annehmen, wie dies für die angeführten Vorschriften der Zivilprozeßordnung von jeher in der höchstrichterlichen Rechtsprechung gefordert wird. Gründe der Gleichbehandlung können schon deshalb - entgegen der in dem vorbezeichneten Beschluß des 4. Senats des Bundesverwaltungsgerichts und im Berufungsurteil vertretenen Meinung - die Übertragung der für die Zustellung an Behörden zu § 5 Abs. 2 VwZG entwickelten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Zustellung an einen Rechtsanwalt nicht rechtfertigen; dies um so weniger, als die "Organisation" einer Anwaltskanzlei - soweit eine solche im Einzelfall überhaupt bestehen sollte - mit der Organisation einer behördlichen Posteingangsstelle nicht vergleichbar ist.

Auch die sprachliche Abweichung im Wortlaut des § 5 Abs. 2 VwZG von dem der §§ 198, 212 a ZPO rechtfertigt es nicht, für die Zustellung an einen Anwalt nach § 5 Abs. 2 VwZG weniger strenge Anforderungen zu stellen, als sie nach gefestigter Rechtsprechung im Zivilprozeß gestellt werden. Die sprachliche Abweichung beschränkt sich nämlich darauf, daß § 5 Abs. 2 VwZG nicht vom "Empfangsbekenntnis des Anwalts", sondern nur vom "Empfangsbekenntnis" spricht. Dieser textliche Unterschied könnte allenfalls für die Auffassung ins Feld geführt werden, daß der Rechtsanwalt das Empfangsbekenntnis nicht selbst zu unterzeichnen habe, eine Auffassung, die aber - mit Recht - von keiner Seite bisher ernstlich vertreten worden ist.

Der Hinweis des Berufungsgerichts darauf, daß in den Fällen des § 5 Abs. 2 VwZG - anders als in denen des § 198 ZPO - nicht auf beiden Seiten des Zustellungsverhältnisses Anwälte stehen, vermag für die gegenteilige Auffassung schon angesichts der Vorschrift des § 212 a ZPO nichts herzugeben, in deren Anwendungsbereich ebenfalls nicht auf beiden Seiten des Zustellungsverhältnisses Anwälte stehen, ohne daß dies eine von der des § 108 ZPO abweichende Auslegung hinsichtlich der Anforderungen an die Zustellung bei einem Anwalt rechtfertigen könnte.

Der Senat schließt sich daher der Auffassung des Bundesgerichtshofs (Beschluß vom 26. Oktober 1971 (BGHZ 57, 160 ff.) und Urteil vom 30. Januar 1975 - III ZR 83/73 - (NJW 1975, 1171)) hinsichtlich der Auslegung des § 5 Abs. 2 VwZG an. Gegen diese Rechtsprechung könnte auch nicht mit Erfolg eingewendet werden, daß sie einer Manipulation Vorschub leiste, weil der Rechtsanwalt es so in der Hand habe, die durch die Zustellung in Lauf gesetzte Frist hinauszuschieben. Das Gesetz spricht - wie bereits dargelegt - den Anwalt als Organ der Rechtspflege an; es geht also vom herkömmlichen Bild des korrekten Anwalts aus und nimmt die Gefahr solchen Mißbrauchs in Kauf. Soweit im Einzelfall die Besorgnis einer solchen Manipulation tatsächlich bestehen sollte, ist es dem Zustellenden unbenommen, auf die vereinfachte Zustellung zu verzichten und so die Gefahr eines Mißbrauchs auszuschließen.