Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 11.09.1986 - 5 B 138.84 = Buchholz BVerwG 424.01 § 10 Nr. 2
Aktenzeichen | 5 B 138.84 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 11.09.1986 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = Buchholz BVerwG 424.01 § 10 Nr. 2 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der nach § 10 Nr. 2 d FlurbG Nebenbeteiligte kann seine Rechte selbständig und neben den übrigen Beteiligten wahrnehmen. Klagt er nicht selbst, so kann er im Klageverfahren eines Teilnehmers beizuladen sein. |
2. | Soweit sich eigene Rechte eines Nebenbeteiligten aus einem Leibgedinge an der Landabfindung eines Beteiligten nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG fortsetzen, besteht kein Erfordernis einer notwendigen Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO. |
Aus den Gründen
Der Flurbereinigungsplan enthält, was die Landabfindung des Klägers anbelangt, keine Regelung über eine Ablösung des Leibgedinges zugunsten seiner Schwester, das auf dem gesamten klägerischen Grundbesitz und nicht nur auf dem Einlageflurstück Nr. 291 ruht. Da eine Aufhebung des Leibgedinges nach § 49 Abs. 1 Satz 1 FlurbG nicht vorgenommen wurde, diese Reallast vielmehr von der Abfindungsgestaltung unberührt blieb, trat hinsichtlich dieses Leibgedinges an den Einlageflurstücken von Rechts wegen die Landabfindung des Klägers an die Stelle der alten Grundstücke (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Daß der Schwester des Klägers hinsichtlich dieses Leibgedinges nach § 10 Nr. 2 d FlurbG (formell) die Rechtsstellung eines Nebenbeteiligten eingeräumt ist, diese als (materiell) Berechtigte insoweit einen Aufhebungsantrag nach § 49 Abs. 2 Satz 1 FlurbG hätte stellen können, wenn sich beim Übergang des Rechts auf die Landabfindung eine Beeinträchtigung der Rechtsausübung ergeben hätte, oder wegen befürchteter (materieller) Verletzung ihres Rechts durch die im Flurbereinigungsplan für ihren Bruder ausgewiesene Landabfindung hiergegen hätte Rechtsmittel ergreifen können (§ 59 Abs. 2 Satz 1, § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 42 VwGO), hat nicht zur Folge, daß sie auch am flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren ihres Bruders hätte notwendig beigeladen werden müssen (§ 65 Abs. 2 VwGO). Wie sich aus § 49 Abs. 2 Satz 1 FlurbG ergibt, kann der nach § 10 Nr. 2 d FlurbG Nebenbeteiligte seine Rechte selbständig und neben den übrigen Beteiligten wahrnehmen. Soweit es um die Wahrung der eigenen Rechte des Nebenbeteiligten geht, ist er Partei und nicht Dritter im Verwaltungsprozeß eines anderen Beteiligten (vgl. hierzu U vom 29.08.1963 - VIII C 79.62 - s. 310 § 134 Nr. 6 = BVerwGE16, 273, 275). Wenn er dagegen hinsichtlich seiner Rechte nicht selbst klagt, ist es nicht auszuschließen, daß er als Dritter am Verfahren anderer beteiligt wird, sofern seine rechtlichen Interessen durch die Entscheidung berührt werden (§ 65 Abs. 1 VwGO).
Das Unterlassen einer Verfahrensbeteiligung bildet jedoch nur dann einen wesentlichen Verfahrensmangel, der im Revisionsverfahren von Amts wegen zu beachten ist und zur Zurückverweisung an die Tatsacheninstanz nötigt, wenn es sich um eine notwendige Beiladung nach § 65 Abs. 2 VwGO handelt (U vom 26.10.1978 - 5 C 85.77 - s. 424.01 § 59 Nr. 7 = BVerwGE 57, 31 m. w. N.). Ein solcher Verfahrensfehler würde demzufolge nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO auch zur Zulassung der Revision führen. Ob ein Fall der notwendigen Beiladung i. S. d. § 65 Abs. 2 VwGO vorliegt, ist dem materiellen Recht zu entnehmen (s. U vom 04.11.1976 - V C 73.74 - s. 310 § 137 Nr. 80 = BVerwGE 51, 268).
Für eine notwendige Beiladung wird nach der Rechtsprechung verlangt, daß die vom Kläger begehrte Sachentscheidung des Gerichts nicht getroffen werden kann, ohne gleichzeitig, unmittelbar und zwangsläufig in Rechte des Beizuladenden einzugreifen, so daß die Entscheidung aus Rechtsgründen nur als eine (notwendig) einheitliche ergeben kann (vgl. U vom 04.11.1976 a.a.O. - und vom 11.08.1983 - 5 C 30.82 - s. 424.01 § 9 Nr. 2 = BVerwGE 67, 341, 344 f.). An dem streitigen Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger als Teilnehmer am Flurbereinigungsverfahren und der beklagten Teilnehmergemeinschaft ist die Schwester des Klägers als Berechtigte der auf dem Grundbesitz des Klägers ruhenden Reallast nicht derart beteiligt, daß die Entscheidung über die Wertgleichheit der Landabfindung des Klägers auch ihr gegenüber nur einheitlich ergeben könnte.
Eigene Rechte der Schwester des Klägers werden durch die Entscheidung über die Gleichwertigkeit der Landabfindung des Klägers deswegen nicht unmittelbar berührt, weil ihre Rechte aus dem Leibgedinge sich an dessen Landabfindung fortsetzen (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Diese Fortsetzung ist eine gesetzliche Folge, die nur durch einen Aufhebungsantrag nach § 49 Abs. 2 Satz 1 FlurbG abgewendet bzw. verhindert werden könnte.
Von der im vorliegenden Fall ergehenden Entscheidung bleibt das zwischen der Schwester des Klägers und der beklagten Teilnehmergemeinschaft aus § 10 Nr. 2 d FlurbG sich ergebende öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis unberührt; auch die zivilrechtliche Verpflichtung des Klägers gegenüber seiner Schwester aus dem auf seinem Grundbesitz ruhenden Leibgedinge wird von der Entscheidung nicht unmittelbar betroffen, weil, wie bereits erwähnt, die Landabfindung hinsichtlich der Rechte an den alten Grundstücken und der diese Grundstücke betreffenden Rechtsverhältnisse, die im vorliegenden Fall nicht nach § 49 FlurbG aufgehoben wurden, an die Stelle der alten Grundstücke tritt (§ 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). Wenn das Leibgedinge der Schwester des Klägers beim Übergang auf seine Landabfindung an dieser nicht mehr in dem bisherigen Umfange würde ausgeübt werden können, hätte es der Berechtigten freigestanden, einen Antrag nach § 49 Abs. 2 Satz 1 FlurbG zu stellen.
Da das Unterbleiben der hier nicht notwendigen Beiladung keinen Verfahrensmangel begründet, auf dem das U des Flurbereinigungsgerichts beruhen könnte, kann sich aus der Nichtbeteiligung der Schwester des Klägers an dessen Abfindungsstreitigkeit weder eine Versagung des rechtlichen Gehörs des Klägers noch seiner Schwester ergeben, die erst durch die Beiladung die prozessuale Stellung eines Verfahrensbeteiligten gemäß § 63 Nr. 3 VwGO erlangen könnte.