Oberlandesgericht Zweibrücken, Urteil vom 25.01.1984 - 2 U 62/83 = RdL 1984 S. 65
Aktenzeichen | 2 U 62/83 | Entscheidung | Urteil | Datum | 25.01.1984 |
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Gericht | Oberlandesgericht Zweibrücken | Veröffentlichungen | = RdL 1984 S. 65 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der Nießbraucher ist zum Wiederaufbau eines im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens gerodeten Weinbergs nicht verpflichtet. |
Aus den Gründen
Das Landgericht hat im Ergebnis zu Recht eine Verpflichtung der Beklagten als Nießbraucherin zum Wiederaufbau des im Rahmen eines Flurbereinigungsverfahrens gerodeten "Wingerts an der Gölzmauer" verneint.
Zwischen der Klägerin als Eigentümerin und der Beklagten als Nießbraucherin besteht ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem ein obligatorischer Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Einhaltung der einen Nießbraucher obliegenden Pflichten resultiert. Die Klägerin hat daher einen einklagbaren Anspruch darauf, daß die Beklagte gemäß § 1036 Abs. 2 BGB bei der Ausübung des Nutzungsrechts die bisherige wirtschaftliche Bestimmung der Sache aufrecht erhält und nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft verfährt; sie hat außerdem nach § 1041 BGB Anspruch darauf, daß die Beklagte für die Erhaltung der Sache in ihrem wirtschaftlichen Bestand zu sorgen sowie Ausbesserungen und Erneuerungen vorzunehmen hat, soweit sie zu der gewöhnlichen Unterhaltung der Sache gehören. Dies wird im Grundsatz auch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt.
Es kann nach Auffassung des Senats keinem begründeten Zweifel unterliegen, daß die Rodung eines Weinberges im Zuge eines Flurbereinigungsverfahrens eine außergewöhnliche, im Regelfall einmalige Maßnahme ist, so daß ein allein aus diesem Grunde notwendiger Wiederaufbau (vgl. § 1 Abs. 3 des Weinaufbaugesetzes vom 12. Mai 1953 GVBl. S. 54) nicht zur gewöhnlichen Unterhaltung gehört und deshalb gemäß § 1041 Satz 2 BGB nicht der Beklagten als Nießbraucherin obliegt.
Selbst wenn die Neubestockung eines Weinberges der gewöhnlichen Unterhaltung im Sinne des § 1041 Satz 2 BGB zuzurechnen sein sollte, ist der Nießbraucher hierzu nur nach den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft verpflichtet, so daß ihm hinsichtlich der Wahl des Zeitpunktes der Durchführung dieser Maßnahme ein gewisser Ermessensspielraum zusteht und er sich insbesondere nach den Geboten des Marktes richten kann. Zwar mag es derzeit zur Erzielung einer optimalen Kosten-Nutzen-Relation üblich sein, nach 20 bis 30 Jahren die Bestockung eines Weinberges ungeachtet der erheblich längeren Lebensdauer von Weinstöcken zu erneuern, weil mit steigendem Alter der Reben ihr Ertrag sinkt. Nichts desto weniger ist in diesem Zusammenhang der Darstellung der Beklagten erheblich, daß sie ungeachtet des vorgenannten Gesichtspunktes eine Neubestockung des fraglichen Weinberges deshalb nicht beabsichtigt habe, weil dieser zwar keinen hohen Ertrag, aber eine - wie auch die Klägerin nicht in Abrede gestellt hat - sehr gute Qualität geliefert habe. Mit Rücksicht darauf, daß die ursprüngliche Bestockung mit einem Alter von 20 Jahren erst am Anfang gestanden hat, und in Ansehung der seit Jahren auf dem Markt herrschenden Weinschwemme ist die Entscheidung der Beklagten für einen zwar mengenmäßig geringen, aber qualitativ hochwertigen Ertrag mit einer hieraus resultierenden besseren Absetzbarkeit nicht zu beanstanden und entspricht deshalb durchaus den Regeln einer ordnungsgemäßen Wirtschaft. Es kann dem Inhaber eines Nießbrauchsrechts nicht verwehrt werden, die dem Nießbrauch unterliegende Sache bei Aufrechterhaltung ihrer bisherigen wirtschaftlichen Bestimmung nach eigenen wirtschaftlich vernünftigen und vertretbaren Vorstellungen zu behandeln, mögen diese auch von den Vorstellungen des Eigentümers abweichen.
Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Rodung des fraglichen Weinberges im Zuge der Flurbereinigung lediglich anstelle einer anderenfalls erforderlich gewesenen Neubestockung erfolgt ist. Bei dieser Sachlage bedarf es deshalb nicht der Erörterung der Rechtsfrage, ob selbst in einem solchen Falle die unzweifelhaft aus Gründen der Flurbereinigung erfolgte Rodung eine Verpflichtung zum Wiederaufbau des Weinberges aufgrund des genannten anderweitigen Gesichtspunktes begründen kann (Problem der sogenannten überholenden Kausalität).