Flurbereinigungsgericht Bautzen, Urteil vom 22.03.2013 - F 7 C 5/11 (Lieferung 2014)

Aktenzeichen F 7 C 5/11 Entscheidung Urteil Datum 22.03.2013
Gericht Flurbereinigungsgericht Bautzen Veröffentlichungen Lieferung 2014

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die flurbereinigungsrechtlichen Kostenbefreiungsvorschriften gewähren eine sachliche, nicht eine persönliche Kostenbefreiung. Befreit werden die Geschäfte und Verhandlungen, die der Flurbereinigung dienen, nicht einzelne Personen oder Behörden.
2. Für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser Vorschriften auf die Teilnehmer des Verfahrens bieten die Vorschriften keinen Anhaltspunkt, da die Geschäfte und Verhandlungen der Flurbereinigung durch die Flurbereinigungsbehörde selbst oder durch die Teilnehmergemeinschaft geführt werden.
3. Geschäft im Sinne der flurbereinigungsrechtlichen Kostenbefreiungsvorschriften sind nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch tatsächliche Handlungen, die Rechtsgeschäfte unmittelbar erfüllen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist begründet. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 8. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Januar 2011 ist aufzuheben. Er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).


Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist die Zuständigkeit des Flurbereinigungsgerichts gegeben. Gemäß § 140 Satz 1 FlurbG entscheidet das Flurbereinigungsgericht über alle Streitigkeiten, die durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufen werden und vor Eintritt der Unanfechtbarkeit der Schlussfeststellung anhängig geworden sind, sofern hierfür der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist. Die Streitigkeit ist hier durch ein Flurbereinigungsverfahren hervorgerufen worden. Dem streitgegenständlichen Gebührenbescheid des Sächsischen Staatsarchivs vom 8. November 2010 lag eine Anfrage des Klägers um Übersendung eines bereits archivierten Grundbuchauszuges zu Grunde, den er zur Ermittlung der Beteiligten in dem - zwischenzeitlich bestandskräftig angeordneten - Flurbereinigungsverfahren P... für notwendig hielt. Anlass für die Anfrage war somit ein anhängiges Flurbereinigungsverfahren. Für die Ermittlung der hieran zu beteiligenden Grundstückseigentümer sind nach § 12 Abs. 1 Satz 1 FlurbG die Eintragungen im Grundbuch maßgeblich. Diesem Zweck diente die Anfrage der Klägerin beim Sächsischen Staatsarchiv. Der Verwaltungsrechtsweg (§ 40 VwGO) ist gegenüber dem Gebührenbescheid des Beklagten ohne weiteres gegeben.


Die Klage ist begründet. Der Bescheid des Beklagten ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er verstößt gegen die durch § 11 Satz 1 AGFlurbG gewährte Befreiung von Gebühren, die auf landesrechtlichen Vorschriften beruhen, für Geschäfte, die der Durchführung der Flurbereinigung dienen.


Gemäß § 108 Abs. 1 FlurbG sind Geschäfte und Verhandlungen, die der Durchführung der Flurbereinigung dienen, einschließlich der Berichtigung der öffentlichen Bücher, frei von Gebühren, Steuern, Kosten und Abgaben; hiervon unberührt bleiben Regelungen hinsichtlich der Gebühren, Kosten und Abgaben, die auf landesrechtlichen Vorschriften beruhen. Eine solche Regelung liegt hier in Gestalt von § 11 Satz 1 AGFlurbG vor. Er befreit in Anlehnung an § 108 Abs. 1 FlurbG Geschäfte und Verhandlungen, die der Durchführung der Flurbereinigung dienen u. a. von Gebühren, die auf landesrechtlichen Vorschriften beruhen. Die streitgegenständliche Gebühr beruht auf einer landesrechtlichen Vorschrift, hier § 1 Abs. 1 SächsArchGebVO. Die Einschränkungen von einer Befreiung gemäß § 11 Satz 2 AGFlurbG sind hier nicht einschlägig.


Bei dem Ersuchen des Klägers auf Übersendung von Grundbuchauszügen handelt es sich um ein der Durchführung der Flurbereinigung dienendes Geschäft i. S. v. § 11 Satz 1 AGFlurbG.
Geschäft i. S. v. § 11 Satz 1 AGFlurbG sind nicht nur Rechtsgeschäfte, sondern auch tatsächliche Handlungen, die Rechtsgeschäfte unmittelbar erfüllen (vgl. Schwantag/Wingerter, FlurbG, 8. Aufl., § 108 Rn. 5 m. w. N. zur insoweit wortgleichen Regelung im FlurbG). Richtigerweise wird man hierzu sämtliche Handlungen zu zählen haben, die unmittelbar der Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens dienen (vgl. Schwantag/Wingerter, a. a. O., Rn. 3). Dies ist bei der Ermittlung der Beteiligten eines anhängigen Flurbereinigungsverfahrens durch die Flurbereinigungsbehörde in Vollziehung von § 12 Abs. 1 Satz 1 FlurbG der Fall. Der zeitliche Anwendungsbereich dieser Befreiungsvorschrift erstreckt sich darüber hinaus auch auf Geschäfte zur Vorbereitung der Flurbereinigung (Schwantag/Wingerter, FlurbG, § 108 Rn. 3a).


§ 11 Satz 1 AGFlurbG gewährt eine sachliche, nicht eine persönliche Befreiung von u. a. der Gebührenpflicht (vgl. Schwantag/Wingerter, a. a. O., Rn. 3 sowie Linke/Mayr, Bayerisches Gesetz zur Ausführung des Flurbereinigungsgesetzes, 2012, Art. 18 Rn. 7). Befreit werden die Geschäfte und Verhandlungen, die der Durchführung der Flurbereinigung dienen, nicht einzelne Personen oder Behörden.


Für eine Beschränkung des Anwendungsbereichs dieser Vorschrift auf die Teilnehmer des Verfahrens bietet die Vorschrift keinen Anhaltspunkt. Dies ist auch fernliegend, da die Geschäfte und Verhandlungen der Flurbereinigung i. d. R. durch die Flurbereinigungsbehörde selbst oder durch die Teilnehmergemeinschaft geführt werden. Für die Annahme, dass diese die Kosten selbst tragen sollten, bietet § 11 Satz 1 AGFlurbG keinen Ansatzpunkt. Allein der Umstand, dass es ein rechtspolitisches Ziel dieser Befreiung sein soll, die Akzeptanz von Flurbereinigungsverfahren bei den Teilnehmern durch Kostenbefreiung zu erhöhen (vgl. Schwantag/Wingerter, a. a. O., § 108 Rn. 1), rechtfertigt keine vom Wortlaut der Vorschrift nicht gedeckte Einschränkung ihres Anwendungsbereichs. Zudem ist es auch ein Anliegen dieser Vorschrift, wegen der mittelbar auch im öffentlichen Interesse liegenden Flurbereinigung eine verwaltungsaufwendige Umverteilung öffentlicher Mittel zu vermeiden (vgl. Schwantag/Wingerter, ebd.).