Bundesfinanzhof, Urteil vom 13.01.1987 - VII R 147, 148, 150/84 = BFHE 148, 542= BB 1987 S. 814= BFH - N Nr. 3 zu § 3 Nr. 7 KraftStG
Aktenzeichen | VII R 147, 148, 150/84 | Entscheidung | Urteil | Datum | 13.01.1987 |
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Gericht | Bundesfinanzhof | Veröffentlichungen | = BFHE 148, 542 = BB 1987 S. 814 = BFH - N Nr. 3 zu § 3 Nr. 7 KraftStG | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Das Halten von Fahrzeugen durch einen Wasser- und Bodenverband zur Durchführung von Flurbereinigungsaufgaben fällt kraftfahrzeugsteuerrechtlich auch dann nicht unter die Steuerbefreiung nach § 108 FlurbG, wenn die Flurbereinigungsbehörde versichert, daß ein der Durchführung der Flurbereinigung dienendes Geschäft vorliege. |
2. | Die Versicherung nach § 108 Abs. 2 FlurbG begründet allein keine Steuerfreiheit und kann Bindungswirkung nur im Umfang der in § 108 Abs. 1 FlurbG genannten Tatbestandsmerkmale entfalten. |
Aus den Gründen
Die vom Kläger begehrte Kraftfahrzeugsteuerbefreiung mußte in allen drei Fällen versagt und die Kraftfahrzeugsteuer für das Halten der Fahrzeuge... entsprechend neu festgesetzt werden (§ 12 Abs. 2 Nr. 2 KraftStG 1979), weil ein Befreiungstatbestand nicht vorliegt.
In Betracht kommt lediglich eine Steuerbefreiung nach § 108 FlurbG in der Fassung der Bekanntmachung vom 16.03.1976 (BGBl. I 1976, 546), denn das Halten der Fahrzeuge des Klägers erfüllt keinen Befreiungstatbestand nach dem KraftStG 1979. Auch die Voraussetzungen nach § 3 Nr. 7 Buchst. a KraftStG 1979 - er entspricht dem früheren § 2 Nr. 6 KraftStG 1961 bzw. § 2 Nr. 6 Buchst. a KraftStG 1972 - oder § 3 Nr. 7 Buchst. b KraftStG 1979 sind nicht erfüllt. Die Flurbereinigung ist kein land- oder forstwirtschaftlicher Betrieb (BFH, Urteil vom 09.02.1955 II 155/54 U, BFHE 60, 276, BStBl. III 1955, 107), auch werden die Fahrzeuge nicht zur Durchführung von Lohnarbeiten für solche Betriebe eingesetzt (vgl. BFH, Urteil vom 23.01.1980 II R 93/76, BFHE 129, 510, 512, BStBl. II 1980, 253). Abgesehen davon gehören jedenfalls die beiden Lastkraftwagen des Klägers nicht zu den begünstigten Fahrzeugen, sie sind insbesondere keine Sonderfahrzeuge i. S. v. § 3 Nr. 7 Satz 2 KraftStG 1979.
Kraftfahrzeugsteuerbefreiungen können sich nach Auffassung des Senats auch aus (älteren) Steuervorschriften außerhalb des KraftStG ergeben; dem steht nicht entgegen, daß, wie der BFH entschieden hat (Urteil vom 22.11.1977 II R 117/76, BFHE 123, 525 f., BStBl. II 1978, 75), die kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Befreiungstatbestände selbst (enumerative) Einzelaufzählungen der begünstigten Fahrzeuge enthalten. Die Voraussetzungen von § 108 Abs. 1 FlurbG sind indessen, wie vom FG richtig erkannt, nicht gegeben. Steuerfrei sind nach dieser Vorschrift Geschäfte und Verhandlungen, die der Durchführung der Flurbereinigung dienen. Der Kraftfahrzeugsteuertatbestand des Haltens (einheimischer) Fahrzeuge zum Verkehr auf öffentlichen Straßen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1979) fällt nicht darunter. Dieser Begriff des Haltens knüpft an das Recht zur Benutzung des Fahrzeugs an (BFH, Urteil vom 07.03.1984 II R 40/80, BFHE 140, 480, 482, BStBl. II 1984, 459, 461), bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen an das Innehaben der Zulassung (Senat, Urteile vom 04.03.1986 VII R 166/83, BFHE 146, 282, 285, 287, BStBl. II 1986, 531, und vom 12.06.1986 VII R 176/83, BFH/NV 1986, 700), durch das die Person des Steuerschuldners bestimmt wird (§ 7 Nr. 1 KraftStG 1979). Grundlage des Steuertatbestandes ist, wie sich auch aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG 1979 ergibt, ein Zustand. Demgegenüber erfaßt § 108 FlurbG außer Verhandlungen nur "Geschäfte", mit diesen zwar außer Rechtsgeschäften auch tatsächliche Handlungen, die in Erfüllung rechtsgeschäftlicher Verpflichtungen zur Durchführung der Flurbereinigung vorgenommen werden (BFH, Urteile vom 24.06.1964 II 125/61 U, BFHE 79, 579, 583, BStBl. III 1964, 446, und vom 30.05.1972 VII R 121/69, BFHE 106, 162, 165; Steuer, Flurbereinigungsgesetz, 2. Aufl., 1967, § 108 Anm. 2; Schwede in Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, 4. Aufl., 1985, § 108 Bem. 5), ferner Verwaltungsakte, die kraft Gesetzes Eigentumsübergang bewirken (BFH, Urteil vom 21.04.1982 II R 141/78, BFHE 135, 558, 560, BStBl. II 1982, 517), nicht dagegen rein tatsächliche Vorgänge. Knüpft die Besteuerung an einen Zustand an - hier an den des Haltens im kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Sinne -, so kann § 108 Abs. 1 FlurbG, der ein "Geschäft" als Steuertatbestand voraussetzt, nicht eingreifen. Dementsprechend hat der früher für Kraftfahrzeugsteuersachen zuständige II. Senat des BFH entschieden, daß das Halten eines Fahrzeugs zum Verkehr auf öffentlichen Straßen durch einen für Wasser- und Bodenverbände usw. tätigen Unternehmer als (nicht unmittelbar der Durchführung der Flurbereinigung dienender) Zustand nicht unter die vorbezeichnete Befreiungsvorschrift fällt (Urteil in BFHE 129, 510, 513, BStBl. II 1980, 253; zustimmend Schwede, a.a.O., Bem. 31 hinsichtlich der Teilnehmergemeinschaften als Halter). Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Sie muß auch für den Fall des Haltens durch den Wasser- und Bodenverband selbst gelten, denn die rechtliche Bewertung des durch die Zulassung erreichten Zustandes - kein "Geschäft" - hängt von der Person des Inhabers der Zulassung nicht ab (ebenso Egly/Mößlang, Kraftfahrzeugsteuer-Kommentar, 3. Aufl., 1981, Abschn. 19, f = S. 199; vgl. auch FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.02.1984 4 K 194/83, Deutsche Verkehrsteuer-Rundschau 1985, 172). Es bedarf keines Eingehens auf die Frage, ob nach § 108 FlurbG auch die der Flurbereinigung nur mittelbar dienenden Geschäfte und Verhandlungen steuerfrei sind (zum Streitstand Schwede, a.a.O., Bem. 4), weil es beim kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Halten von Fahrzeugen schon begrifflich an Geschäften im Sinne dieser Vorschrift fehlt.
Die Gesichtspunkte, auf die die Revisionen die Ansicht stützen, das Halten der Fahrzeuge des Klägers sei nach § 108 FlurbG von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, vermögen nicht durchzugreifen. Die - amtliche - Betriebserlaubnis, durch die zusammen mit der Zuteilung eines amtlichen Kennzeichens die verkehrsrechtliche Zulassung erteilt wird (§ 18 Abs. 1 der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung), erfüllt nicht selbständig den Besteuerungstatbestand und ist zudem, im Unterschied zu einem den Eigentumsübergang bewirkenden, damit entsprechende Rechtsgeschäfte ersetzenden Verwaltungsakt, ebensowenig ein Geschäft wie die durch die Zulassung begründete Möglichkeit, das Fahrzeug auf öffentlichen Straßen in Betrieb zu setzen. In dieser Wirkung erschöpft sich die Zulassung; sie ist im übrigen zweckfrei. Zweckbestimmt ist freilich die Verwendung der Fahrzeuge, ist ihr jeweiliger Einsatz, der indessen nicht mit dem der Kraftfahrzeugsteuer unterliegenden Halten (dem Innehaben der Zulassung bei zulassungspflichtigen Fahrzeugen) gleichgesetzt werden darf. § 108 FlurbG ist jedoch keine Rechtsvorschrift, die das Halten von Fahrzeugen für Zwecke der Flurbereinigung von der Kraftfahrzeugsteuer freistellt. Inwiefern es die "Einheitlichkeit der Rechtsordnung" beeinträchtige, daß zwar viele Kraftfahrzeugsteuerbefreiungsvorschriften, darunter § 3 Nr. 7 KraftStG 1979, auf die Verwendung von Fahrzeugen zu bestimmten begünstigten Zwecken abstellen, eine gleichartige Befreiung des Haltens von Fahrzeugen für Flurbereinigungszwecke aber nicht vorgesehen ist (vgl. auch Urteil in BFHE 129, 510, 513, BStBl. II 1980, 253), läßt sich nicht erkennen.
Auch das Vorbringen, aufgrund der von der Flurbereinigungsbehörde gemäß § 108 Abs. 2 FlurbG abgegebenen Versicherung hätte die Zweckdienlichkeit der Maßnahmen für die Flurbereinigung anerkannt werden müssen, vermag den Revisionen nicht zum Erfolg zu verhelfen. In diesem Vorbringen könnte die Rüge liegen, das FG habe eine derartige - vorliegende, von ihm aber nicht festgestellte - Versicherung unberücksichtigt gelassen und damit gegen § 96 Abs. 1 FGO verstoßen. Käme es auf die vom FG unterlassene Feststellung des Inhalts dieser Versicherung an, so müßte die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden. Diese Voraussetzung ist jedoch nicht gegeben. Denn selbst wenn die Flurbereinigungsbehörde versichert haben sollte, daß es sich bei dem Halten der Fahrzeuge des Klägers um Geschäfte i. S. v. § 108 Abs. 1 FlurbG handele, könnte diese Versicherung das (fehlende) Tatbestandsmerkmal "Geschäft" nicht ersetzen, wäre sie bindend - ohne Nachprüfung anzuerkennen - gemäß § 108 Abs. 2 FlurbG nur hinsichtlich der Dienlichkeit für die Durchführung der Flurbereinigung (vgl. auch Urteil in BFHE 79, 579, 580 f., BStBl. III 1964, 446, ferner - zu einem rechtsähnlichen Fall - BFH, Urteil vom 19.03.1981 IV R 49/77, BFHE 133, 144, 148, BStBl. II 1981, 538). Eine weitergehende Bindungswirkung, wie sie ein Teil des Schrifttums vertritt (näher dazu Schwede, a.a.O., Bem. 34), würde den Befreiungstatbestand in § 108 Abs. 1 FlurbG seiner selbständigen Wirkung entkleiden und dazu führen, daß allein die behördliche Versicherung Steuerfreiheit begründet. Ein solches Ergebnis wäre von der Vorschrift, die Geschäfte oder Verhandlungen als Besteuerungstatbestände voraussetzt, nicht mehr gedeckt.