Finanzgericht München, Urteil vom 13.12.2001 - 15 K 3003/01 (Lieferung 2005)
Aktenzeichen | 15 K 3003/01 | Entscheidung | Urteil | Datum | 13.12.2001 |
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Gericht | Finanzgericht München | Veröffentlichungen | Lieferung | 2005 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Sämtliche im Flurbereinigungsgesetz geregelten Verfahren sind aus ertragsteuerlicher Sicht gleich zu behandeln, und zwar nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zum Regelflurbereinigungsverfahren. |
2. | Der freiwillige Landtausch wertgleicher Grundstücke realisiert keinen Gewinn und bleibt daher einkommensteuerfrei. |
Aus den Gründen
Das Finanzamt hat zu Unrecht den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr 1991/1992 um einen auf dem freiwilligen Landtausch gemäß § 103a ff Flurbereinigungsgesetz beruhenden Veräußerungsgewinn erhöht.
Der freiwillige Landtausch der Kläger gemäß § 103a ff. Flurbereinigungsgesetz in der für das Streitjahr geltenden Fassung vom 16. März 1976 (BGBl I 1976, 546) führt zu keiner Erhöhung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft der Kläger. Zum Regelflurbereinigungsverfahren (vgl. Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte RdNr. A 1321) hat der BFH (Urteil vom 13. März 1986 - IV R 1/84 -, BStBl II 1986, 711) die Ansicht vertreten, dass einkommensteuerrechtlich der in das Umlegungsverfahren eingebrachte Grundbesitz, soweit er wertgleich ist, und der daraus im Zuteilungswege erlangte Grundbesitz als wirtschaftlich identisch zu werten ist und dass keine Gewinnrealisierung nach Tauschgrundsätzen eintritt. Dieser Rechtsprechung hat sich die herrschende Meinung angeschlossen (vgl. Schmidt, 20. Aufl., RdNr. 635 zu § 5 und RdNr. 146 zu § 13 EStG; Hermann/Heuer/Raupach, Anm. 343 zu § 6 EStG; Felsmann, a.a.O. RdNr. A 1325); ihr folgt auch der Senat.
Neben diesem Regelflurbereinigungsverfahren ist gemäß § 103a ff Flurbereinigungsgesetz der freiwillige Landtausch vorgesehen. Dieses Verfahren dient ebenfalls der Zusammenlegung von Grundstücken; es wird auf Antrag der Tauschpartner in einem von der Flurbereinigungsbehörde geleiteten Verfahren durchgeführt (§ 103b, § 103c Flurbereinigungsgesetz), setzt aber eine freiwillige Einigung der beteiligten Grundstückseigentümer voraus.
Während das Finanzgericht Münster (Urteil vom 19. Mai 1993, EFG 1994, 33; auf die Revision hin brauchte der BFH hierzu nicht zu entscheiden, BFH-Urteil vom 10. November 1994 - IV R 68/93 -, BStBl II 1995, 779; Felsmann, a.a.O. RdNr. A 1326 nimmt wohl an, dass der BFH auch den freiwilligen Landtausch seinem Urteil in BStBl II 1986, 711 entsprechend behandelt hätte) beim freiwilligen Landtausch nach dem Flurbereinigungsgesetz die allgemeinen Tauschgrundsätze anwendet und damit zu einer Gewinnrealisierung kommt, soll nach einer weitgehend in der Literatur vertretenen Ansicht (Blümich, RdNr. 115 zu § 6 EStG; Lademann u.a., RdNr. 214 b zu § 13 EStG; Merkle/Hiller, Die Einkommensteuer bei Land- und Forstwirten, 7. Aufl. RdNr. 361) die Rechtsprechung des BFH zum Regelflurbereinigungsverfahren entsprechend auf den freiwilligen Landtausch nach dem Flurbereinigungsgesetz Anwendung finden. Als Begründung hierfür wird hauptsächlich angeführt, dass der freiwillige Landtausch zwar ein beschleunigtes, jedoch ebenfalls hoheitliches Verfahren darstellt, das mit gesetzlichen Zwangsmöglichkeiten ausgestattet ist (vgl. Lademann u.a., Merkle/Hiller jeweils a.a.O.).
Der Senat schließt sich letzterer Auffassung an und wendet das Regelflurbereinigungsverfahren ergangene BFH-Urteil (BStBl II 1986, 711) entsprechend auf den freiwilligen Landtausch und somit auch auf den Streitfall an.
Der Senat geht dabei von folgenden Überlegungen aus:
Das Flurbereinigungsgesetz dient auch öffentlich-rechtlichen Belangen, die in § 1 Flurbereinigungsgesetz geregelt sind. Diese Vorschrift gilt mit gewissen Einschränkungen auch für den freiwilligen Landtausch (vgl. auch § 103a Flurbereinigungsgesetz; Seehusen/Schwede, Flurbereinigungsgesetz, Kommentar, 7. Aufl., RdNr. 11 zu § 1 und RdNr. 2 zu § 103a Flurbereinigungsgesetz). Dass die grundsätzlichen Belange des Flurbereinigungsgesetzes weitgehend einheitlich für das Regelflurbereinigungsverfahren und für den freiwilligen Landtausch von Bedeutung und zu beachten sind, ergibt sich u.a. aus § 103j Flurbereinigungsgesetz, wonach das Regelflurbereinigungsverfahren in das Verfahren des freiwilligen Landtausches übergeleitet werden kann.
Das Verfahren des freiwilligen Landtausches hat den Vorteil, dass es einfacher und schneller als das Regelflurbereinigungsverfahren durchgeführt werden kann (Seehusen/Schwede, a.a.O; RdNr. 3 zu § 103a und RdNr. 1 zu § 103j Flurbereinigungsgesetz); es hat aber keine andere Zielsetzung. Auch das Verfahren des freiwilligen Landtausches ist ein öffentlich-rechtliches Verfahren, bei dem die Flurbereinigungsbehörde maßgeblich beteiligt ist und das Verfahren leitet (§ 103b Abs. 1 Flurbereinigungsgesetz). Die Flurbereinigungsbehörde kann den Antrag auf Durchführung des freiwilligen Landtausches ablehnen (§ 103c Flurbereinigungsgesetz), und zwar durch anfechtbaren Verwaltungsakt (Seehusen/Schwede, a.a.O., RdNr. 1 und 2 zu § 103c Flurbereinigungsgesetz), oder sie kann das Verfahren durch Beschluss anordnen (Seehusen/Schwede, a.a.O., RdNr. 3 zu § 103c Flurbereinigungsgesetz unter Hinweis auf § 86 Abs. 2 Flurbereinigungsgesetz). Sie kann das Verfahren aber auch wieder einstellen, wenn der freiwillige Landtausch infolge nachträglich eintretender Umstände nicht zweckmäßig erscheint (§ 103d Flurbereinigungsgesetz; Seehusen/Schwede, a.a.O., RdNr. 1 und 2 zu § 103d Flurbereinigungsgesetz). Findet ein freiwilliger Landtausch statt, so stellt die Flurbereinigungsbehörde einen Tauschplan auf und ordnet nach dessen Unanfechtbarkeit seine Ausführung an (§ 103f Flurbereinigungsgesetz). Der neue Rechtszustand tritt durch Anordnung der Ausführung ein, ebenso auch der Zeitpunkt des Besitz- und Nutzungsübergangs der neuen Grundstücke, wenn die Beteiligten keine abweichende Regelungen getroffen haben (Seehusen/Schwede, a.a.O., RdNr. 8 zu § 103f Flurbereinigungsgesetz; vgl. auch Ausführungsanordnung der Flurbereinigungsdirektion vom 5. August 1991, Bl. 32 Einkommensteuerakte).
All diese Regelungen des Flurbereinigungsgesetzes sprechen nach Auffassung des Senats dafür, das Verfahren des freiwilligen Landtausches, was die ertragsteuerrechtliche Beurteilung betrifft, nach der Rechtsprechung des BFH zum Regelflurbereinigungsverfahren zu behandeln, denn auch im Verfahren des freiwilligen Landtausches hat die Flurbereinigungsbehörde maßgebliche Mitwirkungs- und Entscheidungsmöglichkeiten, die die Einigung der beteiligten Eigentümer teilweise gar nicht zum Zug kommen lassen (z. B. Ablehnung des Antrags, Einstellung des Verfahrens) oder einschränken. So weisen auch Seehusen/Schwede (a.a.O., RdNr. 2 zu § 103d Flurbereinigungsgesetz) darauf hin, dass bei Ablehnung des Antrags die Antragsteller auf einen Tausch nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch verwiesen werden können; erst dann finden nach Auffassung des Senats die allgemeinen Tauschgrundsätze Anwendung. Ob ein Regelflurbereinigungsverfahren, ein Verfahren des freiwilligen Landtausches oder überhaupt kein Verfahren nach dem Flurbereinigungsgesetz durchgeführt wird, richtet sich weitgehend nach den Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes. Ein freiwilliger Landtausch ist nur unter den in § 103a ff Flurbereinigungsgesetz genannten Voraussetzungen möglich, setzt zunächst die Einigung der Betroffenen und eine Antragstellung voraus und hängt aber dann weitgehend vom Verhalten der Flurbereinigungsbehörde ab. Dass ein für die steuerrechtliche Beurteilung maßgeblicher wirtschaftlicher Unterschied besteht, lässt sich dem Flurbereinigungsgesetz nicht entnehmen (vgl. auch § 103e Flurbereinigungsgesetz). Auch dies spricht nicht Auffassung des Senats dafür, sämtliche im Flurbereinigungsgesetz geregelten Verfahren aus ertragsteuerrechtlicher Sicht gleich zu behandeln, und zwar nach der Rechtsprechung des BFH zum Regelflurbereinigungsverfahren.
Hiervon ist der BFH jedenfalls im Urteil vom 6. Juli 1989 - IV R 27/87 -, BStBl II 1990, 126 zur Behandlung des Flächenbeitrags nach § 58 Bundesbaugesetz als nachträgliche Anschaffungskosten des Grund und Bodens ausgegangen. Er hat hierbei keinen Unterschied gemacht, ob das förmliche Umlegungsverfahren durchgeführt wurde oder ob dieses durch privatrechtliche Vereinbarungen vermieden wurde. Der BFH nahm dabei Bezug auf das Urteil des BGH vom 2. April 1981 - III ZR 131/79 -, NJW 1981, 2124 und führte ergänzend dazu aus, dass ein privates Umlegungsverfahren ein förmliches Umlegungsverfahren nur zu vermeiden vermag, wenn es der Zwecksetzung dieses förmlichen Verfahrens voll Rechnung trägt. Der Senat sieht dies als weiteren Anhaltspunkt dafür an, dass der BFH auch den freiwilligen Landtausch nach dem Flurbereinigungsgesetz entsprechend seiner Rechtsprechung zum Regelflurbereinigungsverfahren in ertragsteuerrechtlicher Hinsicht behandeln würde.
Nach Auffassung des Senats steht die Rechtsprechung des BFH zum Grunderwerbsteuergesetz (§ 1 Abs. 1 Nr. 3; BFH-Urteil vom 1. August 1990 - II R 6/88 -, BStBl II 1990, 1034; BFH-Beschlüsse vom 24. Februar 1988 - II 160/87 -, und vom 6. September 1988 - II B 98/88 -, BStBl II 1988, 457 bzw. 1008) dem nicht entgegen, denn sie betrifft ein anderes Rechtsgebiet und versucht die Zahl der Ausnahmen von der Grunderwerbsteuer möglichst klein zu halten.
Da bei entsprechender Anwendung der BFH-Rechtsprechung zum Regelflurbereinigungsverfahren das erhaltene Grundstück an die Stelle des hingegebenen Grundstücks tritt und dadurch keine Gewinnrealisierung eintritt, ist die vom Finanzamt, das dem Prüfer gefolgt ist, vorgenommene Erhöhung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft für das Streitjahr rückgängig zu machen.