Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 01.04.1968 - III F 236/67 = ESVGH 19, 72= RdL 1968, 272= Gemeindetag 1969/87
1.
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Die Förderung der landwirtschaftlichen und forstwirtschaftlichen Erzeugung ist nicht nur das Ziel, sondern auch insoweit die Voraussetzung für die Flurbereinigung, als die Einleitung ermessensfehlerhaft wäre, wenn das Ziel im Einzelfall nicht erreicht werden kann.
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2.
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Auch mit Rücksicht auf den in Gang befindlichen Prozeß eines Strukturwandels der Landwirtschaft in der Bundesrepublik ist die Flurbereinigung ein geeignetes Mittel zur Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung.
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Aus den Gründen
Das Vorbringen der Kläger ist aber nach der Überzeugung des Senats nicht geeignet, den Erfolg der Flurbereinigung in Zweifel zu ziehen. Wenn den Klägern auch insoweit zuzustimmen ist, daß sich die Landwirtschaft im Bundesgebiet zur Zeit in einem Prozeß der Umwandlung befindet, daß die Besitzer landwirtschaftlicher Kleinbetriebe mehr und mehr dazu übergehen, die Bewirtschaftung ihres Landes aufzugeben, und daß andererseits die Besitzer sog. Vollerwerbsstellen dieses freiwerdende Land in Bewirtschaftung nehmen, um ihren Betrieben im Rahmen einer Vergrößerung des landwirtschaftlichen Areals eine bessere Rentabilität zu verschaffen, so ist doch der von den Klägern darauf gezogene Schluß unrichtig. Die Flurbereinigung schafft vielmehr auch unter Berücksichtigung dieser Umwandlungsvorgänge die Voraussetzungen für eine Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung. Die Beseitigung des Zustandes der Zersplitterung hat, wie die Erfahrung gelehrt hat, eine Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung zur Folge, insbesondere deshalb, weil durch die Zusammenlegung eine Verminderung des Arbeitsaufwandes eintritt und damit die Grundlagen jedes - auch kleinen - Betriebes verbessert werden. Dies gilt nicht nur für die hauptberuflich wirtschaftenden Bauern, sondern auch für die Kleinlandwirte. Sicherlich werden die hauptberuflich wirtschaftenden Landwirte unmittelbar einen größeren Vorteil von der Flurbereinigung haben, da sich die Neuordnung der Gemarkung unter Wegfall einer Anzahl von Gewann- und Wendewegen und Rainen und insbesondere durch die Ausweisung möglichst großer, für die Bearbeitung mit landwirtschaftlichen Maschinen geeigneter Grundstücke für die Rentabilität ihrer Betriebe vorteilhaft auswirken wird. Mit der Senkung der Produktionskosten, wozu insbesondere auch die Kosten der dann freiwerdenden Arbeitskräfte gehören, erhöht sich die heute mehr denn je erforderliche Wettbewerbsfähigkeit der landwirtschaftlichen Betriebe. Auch die Zuerwerbs- und die Nebenerwerbsbetriebe werden auf das mit der Einsparung der Produktionskosten verbundene ökonomische Prinzip nicht verzichten können. Die Vorteile der Flurbereinigung kommen aber auch den nicht mehr selbst wirtschaftenden Kleinlandwirten und den Inhabern landwirtschaftlicher Nebenerwerbsstellen zugute. Wie die Erfahrung lehrt, lassen sich ihre meist kleinen und unwirtschaftlich geformten Parzellen heute nicht mehr oder nur noch zu ungünstigen Bedingungen verpachten. Die Bewirtschaftung kleiner Landstücke ist auch vom Pächter aus betrachtet nicht mehr lohnend. Nach der Zusammenlegung haben diese, die Landwirtschaft nicht mehr selbst betreibenden Kleinlandwirte nunmehr die Möglichkeit, ihren Besitz günstiger als bisher durch Verpachtung an hauptberuflich tätige Landwirte zu nutzen und ihren Besitz auf diese Weise zu erhalten, wenn sie nicht einen Verkauf vorziehen. Durch die Möglichkeit der Hinzupachtung wirtschaftlich gut geformter Grundstücke wird andererseits wieder die Rentabilität der größeren landwirtschaftlichen Betriebe gehoben. Die übrigen werden die mit der Neuordnung der dörflichen Verhältnisse verbundenen allgemeinen Vorteile sämtlichen Beteiligten und somit auch den nicht mehr selbst wirtschaftenden Kleinbesitzern zufallen. Die Behauptung der Kläger, die Durchführung der Flurbereinigung sei dem bereits eingetretenen Prozeß einer Strukturwandlung der Landwirtschaft hinderlich, ist somit unzutreffend.