Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 12.05.1966 - VI 749/65
Aktenzeichen | VI 749/65 | Entscheidung | Urteil | Datum | 12.05.1966 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
2. | Die Flurbereinigungsbehörde verfolgt nicht sachfremde Ziele, wenn sie beim Ordnen des landwirtschaftlich genutzten Besitzes des zum Flurbereinigungsgebiet beigezogenen Gemarkungsteils einer Stadtgemeinde auch auf Probleme der Auflockerung des Stadtgebiets sowie der Aussiedlung noch in der Stadt ansässiger landwirtschaftlicher Betriebe Rücksicht nimmt. |
3. | Das Interesse der Beteiligten ist nicht für jeden Gemarkungsteil einer Gemeinde besonders festzustellen, es muß nur für das für das angeordnete Verfahren festgestellte Flurbereinigungsgebiet insgesamt gegeben sein. |
Aus den Gründen
Der erwähnten Forderung, daß die Flurbereinigung auch zur Förderung der allgemeinen Landeskultur dienen soll, liegt die Erwägung zugrunde, daß der Zweck des Flurbereinigungsverfahrens nicht allein in einer Zusammenlegung von zersplittertem Grundbesitz und in der Verbesserung der Arbeitsgrundlage der einzelnen Betriebe zu sehen ist; er zielt vielmehr auf eine Verbesserung der gesamten Agrarstruktur des Bereinigungsgebietes, also auf eine Förderung der landeskulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines bestimmten Raumes. Das kann nicht allein durch Schaffung großer Flächen oder Förderung einzelner Betriebe erreicht werden, sondern erfordert darüber hinaus Maßnahmen der verschiedensten Art (vgl. BVerwG in RdL 1960, 166 und RdL 1961, 190 sowie Urteil d. erk. Senats vom 9.1.1962 - V 908/60).
Aus dieser Zielsetzung ergibt sich, daß mit der Ordnung des landwirtschaftlich genutzten Besitzes auch gemeindlichen und städtebaulichen Planungen Rechnung getragen werden kann. Die Flurbereinigungsbehörde verfolgt somit nicht sachfremde Ziele, wenn sie bei Ordnung des landwirtschaftlich genutzten Besitzes des zum Flurbereinigungsgebiet beigezogenen Gemarkungsteils der Stadt M. auch auf Probleme der Auflockerung und Neuordnung des Stadtgebiets der Stadt M. sowie der Aussiedlung noch in der Stadt ansässiger landwirtschaftlicher Betriebe Rücksicht nimmt. Die Beiziehung des Gemarkungsteils M. zum Verfahren ist zur Entflechtung der besonders stark ausgeprägten Besitzverzahnung zwischen den Gemarkungen D. und M., wie es die Besitzstandskarte für den Besitz der Kläger sehr augenscheinlich macht, und zur ordnungsgemäßen Zusammenlegung des entflochtenen Besitzes ohne Zweifel aus rein flurbereinigungstechnischen Gründen notwendig. Zu dieser Entflechtung gehört auch das Auseinanderlegen verzahnten Grundbesitzes verschiedener Zweckbestimmungen, um die Trennung der landwirtschaftlichen Betriebe von der Stadt mit ihren besonderen Aufgaben durchführen und damit eine Verbesserung der Betriebsstruktur dieser Betriebe erreichen zu können. Bei der Durchführung dieser Aufgabe muß die Flurbereinigungsbehörde sogar nach § 37 Abs. 1 und 2 FlurbG auf sonderrechtliche Planungen und Aufbaumaßnahmen Rücksicht nehmen, soweit das ohne Gefährdung landwirtschaftlicher Interessen möglich ist. Diese Maßnahmen sind Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörde i.S. des § 1 FlurbG, denn der in § 1 FlurbG der Flurbereinigungsbehörde erteilte gesetzliche Auftrag ist durch § 37 FlurbG nur näher umschrieben (vgl. BVerwG, Beschl. vom 28.12.1959 - I CB 170.59 = RdL 1960, 166). Daß die Ermöglichung von Aussiedlungen aus dem Ortsetter auch bei einer Stadt wie M. zum Aufgabenkreis einer Flurbereinigung gehört, ergibt sich ohne weiteres aus § 37 Abs. 1 FlurbG.
Die Auffassung der Kläger, daß das Interesse der Beteiligten für jeden Gemarkungsteil gesondert festzustellen sei, findet im Gesetz keine Stütze. Die Anordnung des Verfahrens und die Festsetzung des Flurbereinigungsgebiets sind eine sich gegenseitig bedingende und ergänzende Einheit, für die die Voraussetzungen im ganzen vorliegen müssen. Es geht daher nicht an, bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen das Interesse der Beteiligten jeweils für Teile des Flurbereinigungsgebiets gesondert festzustellen. Nach § 4 FlurbG muß das Interesse der Beteiligten für das angeordnete Verfahren mit dem festgestellten Flurbereinigungsgebiet gegeben sein. Für die Gesamtheit der Beteiligten muß daher das Interesse überwiegend bejaht werden. Darauf, ob das Interesse damit auch für die einzelnen Beteiligten gegeben ist, kommt es nicht an. Ob und in welchem Umfang eine Förderung des Betriebes der einzelnen Teilnehmer tatsächlich erreicht wird, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab und läßt sich bei der Einleitung des Verfahrens regelmäßig nicht überschauen (vgl. BVerwG in RdL 1961, 190 und Beschluß vom 4.7.1961 - I B 56.61). Das überwiegende Interesse der Mehrheit der Beteiligten ist auch aus sachlichen Erwägungen heraus zu bejahen. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn bei objektiver Abwägung aller für und gegen das Flurbereinigungsverfahren sprechenden sachlichen Gesichtspunkte im Hinblick auf die Gesamtheit der Beteiligten der betriebswirtschaftliche Erfolg der Flurbereinigung in Frage gestellt ist oder die durch die Flurbereinigung entstehenden Belastungen im Verhältnis zu dem betriebswirtschaftlichen Erfolg nicht oder im Hinblick auf besondere Umstände mindestens z.Zt. nicht zu rechtfertigen sind.Anmerkung
Vgl. Schmitt, die Flurbereinigungsbehörde als Amt für Raumordnung und Städtebauförderung, DVBl.1973 S. 429