Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 30.09.1992 - 11 C 1.92 = NVwZ - RR 1993, 274= RdL 1993 S. 11

Aktenzeichen 11 C 1.92 Entscheidung Urteil Datum 30.09.1992
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen NVwZ - RR 1993, 274 = RdL 1993 S. 11  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Ländlicher Grundbesitz kann mit dem Ziel einer Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung (§ 1 FlurbG F. 1953) bzw. Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft (§ 1 FlurbG F. 1976) auch dann im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 2 FlurbG nach Lage und Form zweckmäßig gestaltet werden, wenn der betroffene Teilnehmer keinen landwirtschaftlichen Betrieb hat.
2. Auch Personen, die keinen (Land-) Wirtschaftsbetrieb führen, können als Eigentümer eines Hausgrundstücks eine den Schutz des § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FlurbG genießende Hoffläche haben.
3. Der besondere Schutz des § 45 Abs. 1 FlurbG kommt nur solchen Flächen zugute, die zu dem nach § 44 Satz 3 und 4 FlurbG maßgebenden Zeitpunkt in der einschlägigen Schutznorm bezeichneten Weise genutzt werden oder die dort angeführten Anlagen aufweisen (im Anschluß an die bisherige Rspr.).

Aus den Gründen

Mit Recht ist das Flurbereinigungsgericht davon ausgegangen, daß sich der "Handlungsrahmen" (BVerwGE 79, 9 <11>RzF - 18 - zu § 1 FlurbG = NVwZ 1989, 458 L = NVwZ - RR 1989, 165) für die der Bekl. gestatteten Neugestaltungsmaßnahmen nach § 37 FlurbG i. d. F. der Bekanntmachung vom 16.03.1976 (BGBl. I, S. 546) bestimmt. Die dieser Bekanntmachung zugrunde liegende, oben schon näher bezeichnete Novelle des Flurbereinigungsgesetzes vom 15.03.1976 sieht in Art. 3 für Flurbereinigungsverfahren, die vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes - wie hier - schon "anhängig" waren, eine Übergangsregelung nur für die Grundstücksbewertung in den Fällen vor, in denen im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes bereits eine vorläufige Besitzeinweisung erfolgt ist. Im übrigen sollte demzufolge für schon laufende Verfahren das Flurbereinigungsgesetz in seiner neuen Fassung Anwendung finden. Die Neufassung aber sieht in § 37 I/2 FlurbG ausdrücklich vor, daß im Flurbereinigungsgebiet gelegener unwirtschaftlich geformter Grundbesitz von der Flurbereinigungsbehörde unter anderem nach Lage und Form zweckmäßig zu gestalten ist. Dies hat die Bekl. im Fall der Kl. auch tatsächlich getan.

Wie nach den mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und deshalb den erkennenden Senat gem. § 137 II VwGO bindenden Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts feststeht, bringen die Veränderungen der Flurstücke 94/2 und 98 im Bereich des Wohnhauses der Kl. für diese durch die bessere funktionale Zuordnung der neu geordneten Flächen zum Hausgrundstück wesentliche Vorteile. Im einzelnen gewinnt die Kl. dabei eine vergrößerte Gartenfläche vor ihrem Wohnhaus, günstigere Abstände ihres Grundbesitzes zu Nachbargrundstücken, einen eigentumsrechtlich gesicherten Zugang zu ihrem Gartengrundstück 94/2 und einen insgesamt günstigeren Zuschnitt dieses Grundstücks. Es begegnet aus revisionsgerichtlicher Sicht keinen Bedenken, daß die Vorinstanz unter diesen Umständen mit Bezug auf die Grundstücke der Kl. die Voraussetzungen des § 37 I/2 FlurbG bejaht hat.

Das allein reicht allerdings für die Annahme einer Regelungsbefugnis der Bekl. nicht aus. Denn nach der Rechtsprechung des BVerwG sind Maßnahmen der Flurbereinigungsbehörden durch § 37 I FlurbG nur insoweit gedeckt, als sie in unmittelbarem Zusammenhang mit den in § 1 FlurbG beschriebenen Flurbereinigungsaufgaben stehen (BVerwGE 79, 9 <12 f.> = NVwZ 1989, 458 L = NVwZ - RR 1989, 165; BVerwG, Buchholz 424.01 § 37 FlurbG Nr. 21). Zutreffend ist das Flurbereinigungsgericht davon ausgegangen, daß hinsichtlich der den Grundbesitz der Kl. betreffenden Regelungen des Flurbereinigungsplans ein derartiger Zusammenhang besteht. Dabei kann offenbleiben, ob § 1 FlurbG mit dem Flurbereinigungsgericht hier in der seit 1976 geltenden Fassung oder, weil der 1972 ergangene Flurbereinigungsbeschluß zwar 1982 geändert, aber offenbar nicht an die Zielsetzungen des 1976 erweiterten § 1 FlurbG angepaßt worden ist, noch in seiner ursprünglichen Fassung vom 14.07.1953 (BGBl. I, 591) zu berücksichtigen ist. Denn die Neugestaltung der von der Kl. in das Verfahren eingebrachten Grundstücke kann als eine Maßnahme angesehen werden, die dem Grundbesitz der Kl. im Hinblick auf die damit verbundenen, oben schon angeführten Vorteile im Sinne sowohl einer Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung (§ 1 FlurbG 1953) als auch einer Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft (§ 1 FlurbG 1976) zugute kommt. Daß die Kl. derzeit, wie sie im flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren geltend gemacht hat, keinen landwirtschaftlichen Betrieb führt, steht dem nicht entgegen.

Die der Kl. gehörenden Flurstücke 94/2, 98 und 968 sind als ländlicher Grundbesitz i. S. d. § 1 FlurbG (dazu vgl. BVerwG, Buchholz 424.01 § 1 FlurbG Nr. 3 und Buchholz 424.01 § 87 FlurbG Nr. 7 S. 13) in das Verfahren einbezogen worden. Von ihnen werden nach den Feststellungen der Vorinstanz das Flurstück 94/2 als Gemüsegarten gärtnerisch, die Flurstücke 98 und 968 als Wiese genutzt. Mit Rücksicht auf diesen Befund hat das Flurbereinigungsgericht mit Recht angenommen, daß der kl. Besitzstand von seiner Nutzung her - insgesamt - zum landwirtschaftlichen Grundbesitz rechne. Auch wenn die Kl. selbst zur Zeit keinen landwirtschaftlichen Betrieb hat, wird dieser Grundbesitz im Sinne der agrarstrukturellen Zielsetzung des § 1 FlurbG neu geordnet. Denn für die Annahme einer durch Maßnahmen nach § 37 I FlurbG begünstigten Förderung der landwirtschaftlichen Erzeugung bzw. Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft reicht es aus, daß die betreffenden Flächen - wie hier - jederzeit in einen landwirtschaftlichen Betrieb - sei es des derzeitigen Grundstückseigentümers, sei es eines künftigen Erwerbers dieser Flächen - eingegliedert werden können mit der Folge, daß dann (auch) dieser Betrieb ohne weiteres an dem mit den genannten Maßnahmen erreichten Neugestaltungserfolg teilhat.

Ist nach allem der von der Kl. beanstandete Eingriff in ihr Grundstück 94/2 als Teil der Neugestaltung ihres Grundbesitzes insgesamt durch die Regelung des § 37 I/2 i. V. m. § 1 FlurbG gedeckt, kann der dieses Grundstück betreffenden Regelung des Flurbereinigungsplans schließlich auch nicht die Schutzvorschrift des § 45 FlurbG entgegengehalten werden. Wie das Flurbereinigungsgericht jedenfalls im Ergebnis richtig ausgeführt hat, kommt diese Ausnahmeregelung hier nicht zum Tragen. Denn das vorgenannte Grundstück erfüllt nicht die Voraussetzungen einer Hoffläche im Sinne des als Schutznorm allein in Betracht zu ziehenden § 45 I/1 Nr. 1 FlurbG. Dies folgt allerdings nicht schon daraus, daß die Kl. nach ihrem Vorbringen, wie oben erwähnt, derzeit keinen landwirtschaftlichen Betrieb hat und deshalb die Merkmale, die eine Hoffläche nach der Rechtsprechung des BVerwG im räumlichen und funktionalen Zusammenhang mit einem Wirtschaftshof kennzeichnen (vgl. näher dazu BVerwGE 80, 193 <194 f.> RzF - 13 - zu § 86 Abs. 1 FlurbG (a.F.) = NVwZ 1989, 872 L = NVwZ - RR 1989, 322 sowie BVerwG, Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 19, S. 8), hier nicht vorliegen können. Denn auch Personen, die keinen (Land-)Wirtschaftsbetrieb führen, können als Eigentümer eines Hausgrundstücks eine den Schutz des § 45 I/1 Nr. 1 FlurbG genießende Hoffläche haben (ebenso OVG Koblenz, RdL 1963, S. 165; VGH München, RdL 1989, S. 15 <16>). Ihnen will die Vorschrift die Nutzung ihres Grundstücks zu Wohnzwecken sichern und im Interesse dieser Nutzung vor allem den ungehinderten Zugang zum Wohngebäude erhalten.

Einer genaueren Bestimmung des Begriffs der Hoffläche bedarf es hier nicht. Denn unabhängig davon kann der Teil des als Gemüsegarten genutzten Flurstücks 94/2, den die Kl. nach dem Flurbereinigungsplan abgeben soll, nicht als Hoffläche i. S. d. § 45 I/1 Nr. 1 FlurbG anerkannt werden. Abgesehen davon, daß in dieser Vorschrift - anders als in § 49 I Nr. 1 der Reichsumlegungsordnung vom 16.06.1937 (RGBl. I 629) - Hausgärten als Schutzobjekte neben den Hof- und Gebäudeflächen nicht mehr gesondert aufgeführt sind (zur Einordnung von Gartenland beim Vorhandensein eines Wirtschaftshofes s. BVerwG, Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 3, S. 5 und BVerwG, RzF - 10 - zu § 45 Abs. 1 FlurbG) scheitert die Annahme, daß der genannte Flächenteil des Grundstücks 94/2 Hoffläche oder Bestandteil einer solchen sein könnte, jedenfalls daran, daß er ausweislich der vom Flurbereinigungsgericht beigezogenen Behördenunterlagen auf der vom Eingangsbereich des kl. Wohnhauses abgewandten Seite gelegen ist und außerdem, wie bereits angeführt, vor der im Flurbereinigungsplan festgelegten Neuregelung über keinen eigentumsrechtlich gesicherten Zugang zum Hausgrundstück verfügte. Von daher fehlt jeder Anknüpfungspunkt dafür, daß der nach dem Flurbereinigungsplan von der Veränderung betroffene Teil des Flurstücks 94/2 eine Wohnzwecken dienende Funktion haben und infolgedessen den Schutz des § 45 I/1 Nr. 1 FlurbG genießen könnte.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht der von der Kl. geltend gemachte Umstand, daß sie die aus dem Flurstück 94/2 abzugebende Fläche künftig für einen nach § 45 FlurbG geschützten Zweck verwenden wolle. Wie das Flurbereinigungsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann diese Absicht allein im Flurbereinigungsverfahren keine Berücksichtigung finden. Denn der besondere Schutz des § 45 I FlurbG kommt nur solchen Flächen zugute, die zu dem nach § 44 I/3 und 4 FlurbG maßgebenden Zeitpunkt in der in der einschlägigen Schutznorm bezeichneten Weise genutzt werden oder die dort angeführten Anlagen aufweisen (BVerwG, Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 8 S. 2 = RdL 1977, S. 45 und BVerwG, Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 19, S. 8; Schwantag, in: Seehusen-Schwede, FlurbG, 6. Aufl. <1992>, § 45 RdNr. 3). Von einer derartigen Fläche aber kann hier nicht ausgegangen werden.