Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 18.05.1992 - 1 BvR 247/91

Aktenzeichen 1 BvR 247/91 Entscheidung Kammerbeschluss Datum 18.05.1992
Gericht Bundesverfassungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Flurbereinigung ist trotz der Erweiterung ihrer Aufgabenstellung immer noch zu einem wesentlichen Teil Instrument der landwirtschaftlichen Bodenordnung.
2. Die Bestimmung ehrenamtlicher Richter gemäß § 139 Abs. 3 FlurbG hält sich im Rahmen des vom Grundgesetz eingeräumten Gestaltungsraums.
3. Trotz des Funktionswandels der Flurbereinigung wird die Zugehörigkeit zweier Landwirte zum Flurbereinigungsgericht der Eigenart des zu regelnden Rechtsgebiets gerecht.

Aus den Gründen

Die ehrenamtlichen Richter des Flurbereinigungsgerichts sind mit sachlicher und persönlicher Unabhängigkeit ausgestattet. Es gibt keinen Anhalt dafür, daß den gemäß § 139 Abs. 3 FlurbG mitwirkenden Inhabern landwirtschaftlicher Betriebe generell die Gewähr der Unparteilichkeit fehlt und ihnen daher von vornherein die erforderliche Neutralität und Distanz abzusprechen ist (vgl. BVerfGE 42, 206 <210 f.> für Landwirte als ehrenamtliche Richter bei den Gerichten für Landwirtschaftssachen). Bedenken, die insofern im Einzelfall bestehen sollten, wird durch die Befangenheitsvorschriften (§ 138 Abs. 1 FlurbG i. V. m. § 54 Abs. 1 VwGO und §§ 42 ff. ZPO) Rechnung getragen. Diese Feststellungen gelten auch angesichts des Funktionswandels der Flurbereinigung. Es trifft zu, daß die Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft nicht mehr alleiniger Zweck der Flurbereinigung ist. Gemäß § 1 FlurbG i. d. F. der Bekanntmachung vom 16.03.1976 (BGBl. I S. 546) kann eine Flurbereinigung auch zur Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landesentwicklung erfolgen. Gemäß § 37 Abs. 2 FlurbG hat die Flurbereinigungsbehörde bei der Durchführung der Neugestaltungsmaßnahmen vielfältige öffentliche Interessen zu wahren. Dennoch ist nicht ersichtlich, daß die in § 139 Abs. 3 FlurbG angeordnete Zugehörigkeit zweier Landwirte zum Flurbereinigungsgericht der Eigenart des zu regelnden Rechtsgebiets nicht gerecht würde (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BVerfGE 9, 223 <227>). Die Flurbereinigung ist trotz der Erweiterung ihrer Aufgabenstellung immer noch zu einem wesentlichen Teil Instrument der landwirtschaftlichen Bodenordnung. Die Beteiligung von zwei Inhabern eines landwirtschaftlichen Betriebes an den Entscheidungen des fünfköpfigen Spruchkörpers des Flurbereinigungsgerichts trägt dieser Funktion der Flurbereinigung Rechnung. Diese Bestimmung der ehrenamtlichen Richter gemäß § 139 Abs. 3 FlurbG hält sich im Rahmen des dem Gesetzgeber vom Grundgesetz eingeräumten Gestaltungsraums. Aus den vorgenannten Gründen scheidet ebenfalls ein Verstoß des § 139 Abs. 3 FlurbG gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Gewaltenteilungsprinzip, Art. 3 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 4 GG aus.

Anmerkung

Der Beschluß erging auf Verfassungsbeschwerde gegen BVerwG 18.12.1990 - 5 C 36.90.