Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 19.10.2011 - 9 K 10/10 = ZWE 2012, 146= RdL 2012, 167-168= AUR 2012, 362-364 (Lieferung 2013)

Aktenzeichen 9 K 10/10 Entscheidung Urteil Datum 19.10.2011
Gericht Flurbereinigungsgericht Greifswald Veröffentlichungen = ZWE 2012, 146 = RdL 2012, 167-168 = AUR 2012, 362-364  Lieferung 2013

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens ist die Wohnungseigentümergemeinschaft und sind nicht die einzelnen Wohnungseigentümer.
2. Es bleibt offen, ob Wohnungseigentümer Nebenbeteiligte sind.
3. Auch tatsächlich nicht am Verfahren beteiligte Teilnehmer müssen im Anhörungstermin Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan zur Vermeidung des Ausschlusses einlegen.
4. Eine öffentliche Bekanntmachung wirkt objektiv auch gegen bislang nicht am Verfahren beteiligte Teilnehmer.

Aus den Gründen

I. Die Klage der Klägerin zu 1 ist unzulässig.


1. Die Klägerin zu 1 ist Mitglied der Wohnungseigentümergemeinschaft "Hauptstraße 35" in G.. Sie klagt in eigenem Namen gegen Entscheidungen im Bodenordnungsverfahren "G.". Ihr steht als einzelnes Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft die Klagebefugnis gem. § 42 Abs. 2 VwGO gegenüber einem Flurbereinigungsplan nicht zu, da die Entscheidungen im Flurbereinigungsverfahren das Gemeinschaftseigentum betreffen.


Durch den angefochtenen Flurbereinigungsplan wird allein das Grundstück betroffen. Nach § 1 FlurbG wird der Grundbesitz neu geordnet. Das Grundstück zählt gem. § 1 Abs. 5 des Wohnungseigentumsgesetz - WEG - in der im Bundesgesetzblatt Teil III Gliederungsnummer 403-1, veröffentlichten bereinigten Fassung, zuletzt geändert durch Artikel 4 Abs. 36 des Gesetzes vom 05.05.2004 (BGBI. I S. 718), zul. geändert durch Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts (ZuGewAusglÄndG) v. 06.07.2009 (BGBI. I S. 1696) nicht zum Sonder-, sondern zum gemeinschaftlichen Eigentum. Zwar können auch andere Rechte neu gestaltet werden, dies ist aber hier bzgl. der Einlagen der Klägerinnen nicht der Fall.


Bei der Geltendmachung von Rechten wegen einer Verletzung von öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die dem Schutz des gemeinschaftlichen Eigentums dienen, handelt es sich um eine Maßnahme der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums (§ 20 Abs. 1 WEG). Diese steht gemäß § 21 Abs. 1 WEG grundsätzlich den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich zu. Anders als bei einer Bruchteilsgemeinschaft (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 WEG, § 744 Abs. 2, § 1011 BGB) ist der einzelne Wohnungseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, § 21 Abs. 1 WEG nicht berechtigt, aufgrund seines ideellen Anteils am gemeinschaftlichen Eigentum wegen Beeinträchtigungen dieses Eigentums Abwehrrechte geltend zu machen (vgl. BGH, U. v. 11 .12.1992 - V ZR 118/91 - BGHZ 121, 22 = NJW 1993, 727). Soweit die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer das gemeinschaftliche Eigentum verwaltet und dabei am Rechtsverkehr teilnimmt, ist sie nämlich rechtsfähig (§ 10 Abs. 6. S 5 WEG; BGH, U. v. 02.06 .2005 - V ZB 32/05 – BGHZ 163, 154 = NJW 2005, 2061). Als teilrechtsfähige Vereinigung ist sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beteiligtenfähig (vgl. VGH München, U. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 - BauR 2006, 501 = NVwZ-RR 2006, 430).


2. a) Die Klagebefugnis der Klägerin zu 1 kann sich auch nicht daraus ergeben, wenn einem einzelnen Mitglied einer Wohnungseigentümergemeinschaft in dieser Eigenschaft ein dingliches Recht an dem Grundstück zustehen sollte, so dass er als Nebenbeteiligter gem. § 10 Nr. 2 d) FlurbG angesehen werden könnte (so wohl Schwantag/Wingerter, Flurbereinigungsgesetz, 8. Aufl. 2008 § 10 Rn. 7, die die Wohnungseigentümer als Beteiligte ansehen). Zwar können Nebenbeteiligte ihre Rechte auch im Klageverfahren verfolgen. Der Umfang ihrer Klagebefugnis ergibt sich jedoch aus dem Umfang und Wesen des ihnen zustehenden Rechts (vgl. Flurbereinigungsgericht Lüneburg, U. v. 23.01.1975 - F OVG A 3/74 -, RzF 4 zu § 10 Nr. 2 d <Anm. d. Redaktion: jetzt = RzF - 4 - zu § 10 Nr. 2 d FlurbG>). Ein Nebenbeteiligter ist somit nur klagebefugt, wenn in sein Recht eingegriffen wird. Dies ist hier nicht der Fall. Das Wohnungseigentum ist durch die Entscheidungen im Bodenordnungsplan nicht betroffen. Zudem wendet sich die Klägerin zu 1 ausschließlich gegen den Zuschnitt ihres Abfindungsgrundstückes.


b) Die Klägerin zu 1 ist im Übrigen nach der Umschreibung des Grundbuchs am 18. Februar 2005 als Rechtsnachfolgerin nach Frau M., die im Verfahren als Teilnehmerin angesehen worden ist, kraft Gesetzes mit allen Rechten und Pflichten an deren Stelle in das Flurbereinigungsverfahren eingetreten. Sie muss das bis dahin durchgeführte Verfahren und dessen Ergebnisse einschränkungslos für und gegen sich gelten lassen (§ 15 Satz 1 FlurbG). Das gilt auch, wenn man die Rechtsposition der Klägerin zu 1 als Nebenbeteiligte aus einem Recht am Grundstück versteht. Denn § 15 FlurbG gilt auch für den Erwerber von Rechten an dem Einlagegrundstück. Auch er muss danach den Eintritt des neuen Rechtszustandes und damit den Wegfall der Rechtsinhaberschaft der Veräußerer gegen sich gelten lassen. Eine Berufung auf gutgläubigen Erwerb ist auch hier ausgeschlossen (LG Memmingen, B. v. 13.06.1966 - 3 T 73/ - 66 - RzF Nr. 1 zu § 15 FlurbG <Anm. d. Redaktion: jetzt = RzF - 1 - zu § 15 FlurbG>). Wer - wie die Klägerin zu 1 - während des Verfahrens im Flurbereinigungsgebiet liegende Grundstückrechte erwirbt, muss das bis zu seiner Eintragung im Grundbuch oder bis zur Anmeldung des Erwerbs durchgeführte Verfahren gegen sich gelten lassen. Der Rechtsnachfolger wird Teilnehmer des Verfahrens; ebenso wie er die Rechtsmittel des Rechtsvorgängers weiterverfolgen kann, muss er die hinsichtlich des Rechtsvorgängers bestandskräftig gewordenen Teile des Flurbereinigungsplans und der Nachträge gegen sich gelten lassen (BVerwG, B. v. 01 .11 .1976 - V B 82.74 -, Buchholz 424.01 § 15 FlurbG Nr. 3, zit. nach juris).


II. Die Klägerin zu 1 erklärt, sie wolle auch im Namen der Wohnungseigentümer-gemeinschaft klagen. Damit ist auch die Wohnungseigentümergemeinschaft als Klägerin zu 2 benannt.


Die Klage der Klägerin zu 2 ist zwar grundsätzlich im Falle der Betroffenheit einer Wohnungseigentümergemeinschaft durch eine Entscheidung im Flurbereinigungsverfahren statthaft, sie ist aber unzulässig, weil sie verfristet ist.


1. Nach der gesetzlichen Regelung in § 27 Abs. 2 Ziffer 5 WEG ist der Verwalter nur berechtigt, Ansprüche der Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich geltend zu machen, wenn er hierzu durch Beschluss der Wohnungseigentümer ermächtigt ist. Ein solcher Beschluss liegt nicht vor. Die Klage der Klägerin zu 2 ist somit nicht wirksam erhoben worden.


Allerdings kann eine Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums in den engen Grenzen einer Notgeschäftsführung im Sinne des § 21 Abs. 2 WEG abgewehrt werden. In einem solchen Fall wird der Notgeschäftsführer – wie der Verwalter, wenn er als Organ der Gemeinschaft handelt – Namens der Gemeinschaft tätig (VGH München, B. v. 12.09.2005 - 1 ZB 05.42 - NVwZ-RR 2006, 430). Ob diese Voraussetzungen angesichts der Fristgebundenheit des Rechtsbehelfs der Klage gegeben sind und ob dies hier angesichts der besonderen prozessualen Lage auch gelten würde, kann offen bleiben. Denn die Klage bleibt jedenfalls unzulässig, weil sie, auch wenn durch die Klägerin zu 2 erhoben, verfristet ist.


2. Die Klägerin zu 2 hätte auf die ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung der Ladung zur Bekanntmachung des Bodenordnungsplans vom 03.12.2003 hiergegen Widerspruch in dem Anhörungs- und Widerspruchstermin einlegen müssen. Diese Bekanntmachung betraf auch sie als objektiv gem. § 10 Nr. 1 FlurbG am Verfahren Beteiligte. Sie hätte in dem Widerspruch geltend machen können, dass sie nicht als Teilnehmerin an dem Verfahren geführt werde, und Einwendungen gegen den Bodenordnungsplan erheben können. Dies ist nicht geschehen.


Für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder die Gewährung von Nachsicht gem. § 134 Abs. 2 FlurbG besteht kein Anlass. Für ein fehlendes Verschulden der Rechtsvorgängerin der Klägerin zu 1, deren Verhalten auch in ihrer Eigenschaft als Verwalterin der Klägerin zu 2 sie sich zurechnen lassen muss (vgl. § 15 FlurbG), fehlt jeder Anhaltspunkt.


Dass Nachsicht nicht gewährt werden kann, folgt bereits daraus, dass nach Bestandskraft des Bodenordnungsplans in der ursprünglichen Fassung, dessen Inhalt die Klägerinnen angreifen, weit länger als zwei Jahre eingetreten waren, ehe die Klägerin zu 1 – wohl auch namens der Klägerin zu 2 - Widerspruch erhoben hat (vgl. Schwantag/Wingerter, Flurbereinigungsgesetz, 8. Auflage 2008 § 134 Rn. 7). Frau M. als (Mehrheits)Wohnungseigentümerin hat zudem ausdrücklich im Rahmen der Bekanntgabe und Anhörung zu der 1. Änderung des Bodenordnungsplans vom 19.03.2008 erklärt, dass sie keinen Widerspruch gegen diese Planänderung einlegen wolle. Allein dadurch, dass die Beklagte aus der Sicht der Klägerinnen eine missverständliche Belehrung in der Ladung zur Bekanntgabe der 1. Änderung des Bodenneuordnungsplans aufgenommen haben soll, liegt keine Beseitigung der Bestandskraft des Bodenordnungsplans in der Fassung aus 2003.


Schließlich ist auch nichts dafür ersichtlich, dass der Bodenordnungsplan an schwerwiegenden Fehlern leidet oder gar nichtig und damit unwirksam sein könnte, so dass es das Festhalten an dem Planergebnis für die Klägerin zu 2 eine offenbare Härte darstellen würde.


Das gilt zunächst für den Verfahrensfehler, die Klägerin zu 2 nicht als Teilnehmerin zu behandeln. Mit der Annahme, dass nicht die Wohnungseigentümergemeinschaft, sondern deren Mitglieder als Teilnehmer anzusehen sind, hat sich der Beklagte nicht außerhalb der Rechtsordnung gesetzt. Diese Auffassung wird nämlich auch vertreten (so etwa durch Schwantag/Wingerter, Flurbereinigungsgesetz, a.a.O. § 10 Rn. 7). Dass die Verletzung von Beteiligungsrechten einen derartigen schwerwiegenden Fehler grundsätzlich nicht darstellt, wird auch aus § 45 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG M-V deutlich, der hier anwendbar ist (vgl. BVerwG, B. v. 03.03.1988 - 5 B 125/86 - Buchholz 424.01 § 57 FlurbG Nr. 2 ), wonach eine erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt werden kann (vgl. Hk-VerwR/Schwarz, 2. Aufl. 2010, § 44 VwVfG Rn. 8). Hinzu kommt, dass die Rechtsposition der Klägerin zu 2 als Wohnungseigentümergemeinschaft als Teilnehmerin durch deren Mitglied Frau M. hinreichend vertreten worden war.


Die weiteren verfahrensrechtlichen Einwendungen der Klägerinnen sind nicht substantiiert.


Inhaltlich wenden sich die Klägerinnen allein gegen die Bestimmung der Grenze zum Nachbargrundstück Flurstück 233.


Die Gestaltung des Abfindungsgrundstücks unterliegt grundsätzlich nicht der Kontrolle durch das Flurbereinigungsgericht. Es prüft grundsätzlich nur, ob eine wertgleiche Abfindung vorliegt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts lässt die spezifische Verknüpfung der planerischen Abwägung nach § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG mit dem Gebot wertgleicher Abfindung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG für eine gesonderte Abwägungskontrolle neben der Prüfung, ob ein Teilnehmer mit Land von gleichem Wert abgefunden worden ist, nur ausnahmsweise Raum, soweit es um Faktoren geht, denen ein über den Anspruch auf wertgleiche Abfindung hinausgehender Eigenwert zukommt und deren ordnungsgemäße Berücksichtigung deshalb durch eine wertgleiche Abfindung noch nicht gewährleistet ist (BVerwG, U. v. 17.01.2007 - 10 C 1.06 - BVerwGE 128, 87 Rn. 37). Hier kommt allenfalls § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FlurbG in Betracht. Danach können im Wege der Flurbereinigung Hof- und Gebäudeflächen verändert werden, wenn der Zweck der Flurbereinigung es erfordert. Dies setzt eine Prüfung im Einzelfall voraus, ob dem mit der Änderung der betreffenden Fläche angestrebten Zweck der Vorrang gegenüber dem besonderen Interesse des Eigentümers an der Wiederzuteilung der Fläche in den alten Grenzen zukommt (vgl. BVerwG, U. v. 24.11.1977 - 5 C 80.74 - BVerwGE 55, 48 <50 f.>). Wie die berührten Zwecke und Interessen im Verhältnis zueinander zu gewichten sind, lässt sich nur auf Grund der gebotenen Einzelfallprüfung beantworten. Indes können Flächen, die nicht bebaut sind, nur dann als Gebäudeflächen angesehen oder einer solchen gleichgestellt werden, wenn ihnen für das Wohngebäude eine unentbehrliche Funktion zukommt (BVerwG, U. v. 04.02.1987 - 5 B 39/85 - RdL 1988, 42). Dafür ist nichts ersichtlich. Der in der mündlichen Verhandlung angesprochene Wunsch der Klägerinnen, Platz für die Errichtung einer Kläranlage zu haben, begründet nicht den besonderen Schutz des § 45 Abs. 1 FlurbG. Denn er kommt nur solchen Flächen zugute, die zu dem nach § 44 Abs. 1 Sätze 3 und 4 FlurbG maßgebenden Zeitpunkt in der in der einschlägigen Schutznorm bezeichneten Weise genutzt werden oder die dort angeführten Anlagen aufweisen (BVerwG, U. v. 04.06.1997 - 11 B 17/97 - juris). Schließlich würde eine etwaige Fehleinschätzung nicht besonders schwerwiegend sein. Gleiches gilt für die von den Klägerinnen in der mündlichen Verhandlung erwähnte Erschwerung der Nutzung der Garage.