Flurbereinigungsgericht München, Beschluss vom 06.06.2008 - 13 AS 08.688 = RdL 2008, 355-358 (Lieferung 2009)

Aktenzeichen 13 AS 08.688 Entscheidung Beschluss Datum 06.06.2008
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL 2008, 355-358  Lieferung 2009

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Anordnung einer Unternehmensflurbereinigung zur Umsetzung eines (isolierten) Straßenbebauungsplans hat die Flurbereinigungsbehörde das Vorliegen der Enteignungsvoraussetzungen nach den Vorgaben des für das Unternehmen geltenden Fachgesetzes zu prüfen. Diese Überprüfung unterliegt der Kontrolle durch das Flurbereinigungsgericht, wenn sie nicht - wie etwa bei der Anfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses - in einem anderen Verfahren erfolgt. § 88 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs.1 FlurbG, die in geeigneter Weise die Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer über das geplante Unternehmensflurbereinigungsverfahren und dessen besonderen Zweck einschließlich der voraussichtlich entstehenden Kosten vorsehen, verlangen weder die Nichtöffentlichkeit der Aufklärungsversammlung noch die Möglichkeit der Diskussion von individuellen grundstücksbezogenen Detailfragen zum Verfahrensablauf.

Aus den Gründen

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Die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des vom Antragsteller am 18. August 2007 erhobenen Widerspruchs ergibt nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage, dass dieser voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, weil der angegriffene Flurbereinigungsbeschluss rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO analog).


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Der Flurbereinigungsbeschluss des ALE vom 8. August 2007 beruht auf § 87 Abs. 1 Satz 1, § 4 FlurbG. Die im öffentlichen Interesse erfolgte behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit dieses Verwaltungsakts ist ausreichend begründet. Die angeführten Belange der Verkehrssicherheit und die Notwendigkeit der Durchführung der Vorstandswahl genügen den aus § 80 Abs. 3 VwGO abzuleitenden gesetzlichen Anforderungen. Keine Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen nach wie vor auch in Bezug auf den von § 87 Abs. 1 Satz 1 FlurbG vorausgesetzten größeren Flächenbedarf, die notwendige Antragstellung der Enteignungsbehörde sowie das fehlende Einvernehmen der landwirtschaftlichen Berufsvertretung nach § 87 Abs. 1 Satz 2 FlurbG (siehe hierzu bereits BayVGH vom 18.9.2006 RdL 2006, 334 = BayVBl 2007, 180 und vom 28.1.2008 Az. 13 AS 07.2262).


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Im Gegensatz zu der Sachlage, die der Entscheidung im Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vom 28. Januar 2008 zugrunde lag, ist nunmehr davon auszugehen, dass eine ausreichende Aufklärung der voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer vorliegt. Diese sind vor der Anordnung der Flurbereinigung in geeigneter Weise eingehend über das geplante Flurbereinigungsverfahren und dessen besonderen Zweck sowie über die voraussichtlich entstehenden Kosten aufzuklären (§ 88 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 FlurbG). Die Form der Aufklärung steht im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde und hängt weitgehend von den örtlichen Verhältnissen und den jeweiligen Umständen des geplanten Flurbereinigungsverfahrens ab (BVerwG vom 28.12.1959 RdL 1960, 166; vom 15.12.1983 RdL 1984, 67; vom 9.12.1992 RdL 1993, 96; Wingerter in Schwantag/Wingerter, FlurbG, 8. Aufl. 2008, RdNr. 2 zu § 5). Die am 13. März 2008 vom ALE durchgeführte Aufklärungsversammlung genügt den gesetzlichen Anforderungen (zur Zulässigkeit der Nachholung der Aufklärungsversammlung und zur Möglichkeit der Heilung eines Anhörungsmangels s. BVerwG vom 9.12.1992 a.a.O.; HessVGH vom 22.1.2004 RdL 2004, 123; Wingerter, a.a.O., RdNr. 7 zu § 5). Dass sie als öffentliche Informationsveranstaltung konzipiert worden war, stellt dies nicht in Frage, da § 88 Nr. 1 Satz 1, § 5 Abs. 1 FlurbG weder die Nichtöffentlichkeit der Versammlung noch die Möglichkeit der Diskussion von individuellen grundstücksbezogenen Detailfragen zum Verfahrensablauf verlangen. Nach dem Inhalt der Niederschrift zur Aufklärungsversammlung vom 13. März 2008 wurde jedenfalls dem Zweck des Gesetzes, die voraussichtlich beteiligten Grundstückseigentümer in geeigneter Weise aufzuklären, hinreichend Rechnung getragen.


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Es bestehen auch keine durchgreifenden Bedenken bezüglich des Vorliegens der Enteignungsvoraussetzungen. Im Unterschied zur Planfeststellung entfaltet ein Bebauungsplan jedoch keine enteignungsrechtlichen Vorwirkungen, d.h. die Zulässigkeit der Enteignung folgt nicht unmittelbar aus dem Bauleitplan (BVerwG vom 11.3.1998 NVwZ 1998, 845; BayVGH vom 24.5.2004 VGH n.F. 58, 155). Deswegen bedarf es bei Einleitung der Enteignung zusätzlich zum Vorliegen einer allgemeinen gesetzlichen Enteignungsermächtigung der Prüfung der konkreten einzelfallbezogenen Enteignungszulässigkeit (zum Eingriffscharakter der Unternehmensflurbereinigung vgl. BVerfG vom 22.5.2001 BVerfGE 104, 1, 10; vom 24.3.1987 BVerfGE 74, 264, 279; BayVGH vom 18.9.2006 a.a.O.).


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Die allgemeine Zulässigkeit der Enteignung für das geplante Vorhaben richtet sich nach den Vorgaben des für das jeweilige Unternehmen geltenden Fachgesetzes. Nur der Vollzug der Enteignung erfolgt im Rahmen eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens nach §§ 87 ff. FlurbG statt nach den sonst geltenden Vorschriften über das Enteignungsverfahren (Wingerter, a.a.O., RdNr. 4 zu § 87).


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Im vorliegenden Fall soll die Enteignung zur Umsetzung des vom Beigeladenen zu 2 erlassenen (Straßen-)Bebauungsplans "Nordumfahrung A." auf der Grundlage fachgesetzlicher Ermächtigung erfolgen. Dahinstehen kann dabei, ob das mittels eines die Planfeststellung ersetzenden Bebauungsplans gemäß Art. 38 Abs. 3 Satz 1 BayStrWG geregelte Straßenbauvorhaben als ausschließlich städtebauliche Maßnahme zu betrachten ist, für die sich die allgemeine Zulässigkeit der planakzessorischen Enteignung aus § 85 Abs. 1 Nr. 1 BauGB ergibt (s. hierzu BVerwG vom 6.3.1987 DÖV 1987, 967; BGH vom 1.6.1978 NJW 1978, 2093; BayVGH vom 26.11.2007 KommP 2008, 68), oder ob die Bauleitplanung der Erfüllung der Aufgaben aus der dem Beigeladenen zu 1 bei Kreisstraßen obliegenden Straßenbaulast dient (Art. 41 Satz 1 Nr. 2, Art. 3 Abs. 1 Nr. 2, Art. 9 Abs. 1 BayStrWG), wofür die vorgenommenen planerischen Festsetzungen und die überörtliche Bedeutung einer Kreisstraße sprechen mit der Folge, dass Art. 40 Satz 1 BayStrWG i.V.m. den Bestimmungen des BayEG die Rechtsgrundlage für die Enteignung bilden würde (BVerwG vom 6.3.1987 NJW 1987, 3146; BayVGH vom 23.5.1977 BayVBl 1977, 670; Battis in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 9. Aufl. 2005, RdNr. 8 zu § 85; Molodovsky/ Bernstorff, BayEG, Anm. 2.2.2.2 zu Art. 1). Enteignungsmaßnahmen lassen sich jedenfalls auf eine dieser – inhaltlich nahezu deckungsgleichen – gesetzlichen Ermächtigungen stützen.


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Danach setzt die Zulässigkeit der Enteignung voraus, dass das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann. Des Weiteren ist notwendig, dass sich der Enteignungsbegünstigte ernsthaft um den freihändigen Erwerb der benötigten Grundstücke zu angemessenen Bedingungen bemüht hat. Zudem hat er glaubhaft zu machen, dass die Flächen innerhalb angemessener Frist zu dem vorgesehenen Zweck verwendet werden (§ 87 Abs. 1 und 2 BauGB bzw. Art. 3 Abs. 1 und 2 BayEG).


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Da die Einleitung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens den Beginn der Enteignung markiert (BVerfG vom 24.3.1987 a.a.O.), hat das ALE als für die Durchführung dieses Verfahrens und damit für den Vollzug der Enteignung zuständige Behörde deren Zulässigkeit zu prüfen (BVerwG vom 14.3.1985 NVwZ 1985, 739; BayVGH vom 18.9.2006 a.a.O.). Die Beachtung dieser Voraussetzung für die Anordnung des Flurbereinigungsverfahrens unterliegt der Kontrolle durch das Flurbereinigungsgericht, wenn sie nicht – wie etwa bei der Anfechtung eines Planfeststellungsbeschlusses – in einem anderen Verfahren erfolgt (BVerwG vom 14.3.1985 a.a.O.; vgl. auch Wingerter, a.a.O., RdNr. 15 zu § 87).


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Den vorliegenden Unterlagen kann bei der gebotenen summarischen Prüfung hinreichend eindeutig entnommen werden, dass die Voraussetzungen für eine Enteignung vorliegen. Bei dem Unternehmen, dessen Umsetzung die Durchführung der angeordneten Unternehmensflurbereinigung dient, handelt es sich nach den Ausführungen des Landratsamts L. im Schreiben vom 14. Juni 2007 um ein Straßenbauvorhaben zur Verbesserung der Verkehrsverhältnisse im Bereich der Ortsdurchfahrt von A. und zur Verbesserung der Abwicklung des überörtlichen Verkehrs zwischen dem Auffahrtast zur A 92 und dem weiteren Verlauf der Kreisstraße bis zum Nordfriedhof. Eine Enteignung für dieses Vorhaben ist erforderlich, wenn es vernünftigerweise geboten ist (BVerwG vom 7.7.1978 BVerwGE 56, 110; BayVGH vom 10.4.1984 BayVBl 1984, 627; Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, RdNr. 22 zu § 87). Dabei ist eine spezifisch enteignungsrechtliche Abwägung vorzunehmen, die verlangt, den Eigentümerinteressen an uneingeschränktem Erhalt und Nutzung des Eigentums das Gemeinwohlinteresse an dessen Entzug im Wege der Enteignung gegenüber zu stellen und beide Positionen zu gewichten (Runkel, a.a.O., RdNrn. 23 ff. zu § 87). Dies kann nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen,aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bejaht werden, da die nach den Darlegungen des Beigeladenen zu 1 im Schreiben vom 14. Juni 2007 mit dem Unternehmen verfolgte Verbesserung der Verkehrssituation und insbesondere der Verkehrssicherheit im vorliegenden Fall den Eingriff in das Eigentum an den größtenteils landwirtschaftlich genutzten Flächen rechtfertigt (zur städtebaulichen Erforderlichkeit des Bebauungsplans "Nordumfahrung A." s. BayVGH vom 24.5.2005 BayVBl 2007, 565). Der Eigentumsentzug verstößt nicht gegen das Übermaßverbot. Dies wird vor allem durch die Durchführung der Unternehmensflurbereinigung gewährleistet, die es hier voraussichtlich ermöglicht, den betroffenen Eigentümern wertgleiche Ersatzflächen zur Verfügung zu stellen. Im Übrigen sind Eigentümerinteressen, die die Enteignung unzumutbar erscheinen lassen könnten, weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Die Enteignung ist wegen der dargelegten konkreten Bauabsichten des Beigeladenen zu 1, die durch die Ausweisung der erforderlichen Finanzmittel im Haushalt weiter belegt werden, auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt notwendig. Die vom Landratsamt L. seit 3. März 2008 angeordnete Sperrung der Ortsdurchfahrt von A. für den Schwerlastverkehr steht dem nicht entgegen, da diese Maßnahme nach den bei den Akten befindlichen Artikeln der L. Zeitung vom 21. und 29. Februar 2008 lediglich vorläufigen Charakter hat und auch nur eingeschränkt geeignet ist, das Verkehrsaufkommen und damit das vorhandene Gefahrenpotenzial zu reduzieren.


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Der Beigeladene zu 1 hat sich auch ernsthaft um einen freihändigen Grunderwerb bemüht. Das dem Antragsteller mit Schreiben vom 8. Januar 2007 unterbreitete Erwerbsangebot für die aus dem Flurstück 296/1 abzutretende Fläche von 650 m2 war als angemessen anzusehen.


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Das gesetzliche Verhandlungsgebot bezieht sich bei der Anordnung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens – obgleich dieses insgesamt enteignenden Charakter aufweist – nicht auf die gesamte Fläche des Verfahrensgebiets, da dies weder erforderlich noch praktikabel erscheint (vgl. hierzu OVG Bbg vom 17.9.2003 AUR 2005, 167 = NuR 2004, 183). Es ist hier vielmehr als ausreichend zu erachten, wenn sich die Erwerbsbemühungen auf die Bedarfsflächen, d.h. die in der Straßentrasse liegenden Grundstücke bzw. Grundstücksteile, beschränken. Nur bei diesen steht (fach-)planungsrechtlich fest, dass eine unveränderte (Wieder-)Zuteilung an den Eigentümer ausscheidet, weshalb hier von der intensivsten Eigentumsbetroffenheit auszugehen ist (zur besonderen Betroffenheit der Trassenflächen s. auch BVerwG vom 6.7.1989 RdL 1989, 264). Die konkrete Lage der Trassenflächen ist im vorliegenden Fall aufgrund der Rechtskraft der Normenkontrollentscheidung zur Wirksamkeit des Bebauungsplans "Nordumfahrung A." bereits verbindlich vorgegeben. Das Flurstück 296/1 des Antragstellers liegt im nördlichen Bereich mit einer Teilfläche von 650 m2 in der geplanten Straßentrasse. Das Verhandlungsgebot verlangt nach dem vorstehend Ausgeführten (nur), dass vom Beigeladenen zu 1 für diese Fläche ein akzeptables Kaufgebot abgegeben wurde. Das ist der Fall.


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Das Erwerbsangebot des Beigeladenen zu 1 vom 8. Januar 2008 <Anm. d. Schriftleitung: wohl 2007> ist nicht bereits deshalb unangemessen, weil es nach Auffassung des Antragstellers keine ausreichende Entschädigung für sonstige Vermögensnachteile vorsieht (s. hierzu BGH vom 27.6.1966 NJW 1966, 2012). Zum einen umfasst das Kaufangebot eine gesondert berechnete Entschädigung für An- und Durchschneideschäden. Zum anderen zielt die Unternehmensflurbereinigung gerade darauf ab, die typischerweise auftretenden unternehmensbedingten Nachteile für die allgemeine Landeskultur, wie Durchschneidungsschäden usw., auszugleichen. Damit kann hier grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass dem Betroffenen kein auszugleichender sonstiger Vermögensnachteil verbleiben wird. Das hat zur Folge, dass das Erwerbsangebot selbst dann als ausreichend betrachtet werden könnte, wenn es sich lediglich auf einen Ausgleichsbetrag für den eintretenden Verlust des Eigentumsrechts beschränken würde (so bereits BayVGH vom 18.9.2006 a.a.O.).


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Die Prüfung der Angemessenheit des Angebots vom 8. Januar 2007 hat sich – da im Unternehmensflurbereinigungsverfahren sonstige Vermögensschäden regelmäßig ausgeschlossen werden sollen – am Wert des Verlusts des (reinen) Eigentumsrechts zu orientieren. Maßgeblich ist hierbei der Verkehrswert (§ 194 BauGB bzw. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BayEG). Dieser wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre. Einen Anhalt hierfür kann die Kaufpreissammlung (§ 195 BauGB) bilden (Breuer in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., RdNr. 31 zu § 87). Da es bei Grundstücksflächen, die in einem Bebauungsplan als Flächen für den Gemeinbedarf, d.h. als Straßenverkehrsflächen, ausgewiesen sind, keinen "freien Markt", wie dies für einen gewöhnlichen Geschäftsverkehr im Sinn von § 194 BauGB bzw. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BayEG eigentlich Voraussetzung ist, gibt – diese Flächen werden nur von der öffentlichen Hand erworben –, muss der Wert unter Berücksichtigung aller Umstände nach § 287 ZPO geschätzt werden (vgl. z.B. BGH vom 2.2.1978 NJW 1978, 941; vom 6.4.1995 NJW-RR 1995, 911). Entscheidend ist dabei die Qualität, die das betreffende Grundstück zu dem Zeitpunkt hatte, als es endgültig von jeder konjunkturellen Weiterentwicklung ausgeschlossen wurde, also bevor es durch Bebauungsplan als Straßenverkehrsfläche ausgewiesen wurde. Gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 BauGB bzw. Art. 10 Abs. 3 Nr. 1 BayEG bleiben Änderungen des Werts dieser Gemeinbedarfsflächen, die infolge der bevorstehenden Enteignung eintreten, unberücksichtigt. Ihnen kommt kein über den bisherigen Nutzungswert hinausgehender Verkehrswert zu (vgl. z.B. BGH vom 22.5.1967 NJW 1967, 2306; VGH BW vom 31.1.1996 RdL 1996, 320).


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Der Verkehrswert sowie entstehende An- und Durchschneideschäden wurden im Auftrag des Beigeladenen zu 1 durch den Gutachter Dr. F. im Gutachten vom 14. Dezember 2006 ermittelt (S. 30 bis S. 34 des Gutachtens). Das auf diesen Werten beruhende Angebot des Beigeladenen zu 1 ist zwar deutlich niedriger als die Kaufpreise, die der Beigeladene zu 2 bei Ankäufen von (größtenteils) landwirtschaftlichen Flächen zur Ermöglichung des von ihm im Bebauungs- und Grünordnungsplan "Nordumfahrung A." projektierten Straßenbauvorhabens in den Vorjahren zu zahlen bereit war. Nach den gutachterlichen Feststellungen, die auf Auskünften aus der beim Gutachterausschuss des Landratsamts L. geführten Kaufpreissammlung basieren, lag der Schwerpunkt der Kaufpreise im Bereich zwischen 20 und 25 Euro/m2. Diese Kaufpreise sind hier aber – entgegen der Auffassung des Antragstellers – für die Festlegung des Verkehrswerts nicht maßgeblich, da die Preisbildung nicht im normalen Geschäftsverkehr zu Stande gekommen ist (§ 194 BauGB bzw. Art. 10 Abs. 1 Satz 2 BayEG, § 3 Abs. 3, § 6 WertV, Nrn. 1.5.3 und 1.5.4 WertR). Dem kann nicht entgegen gehalten werden, es habe sich insoweit ein sog. Teilmarkt entwickelt, der ein höheres Verkehrswertniveau abbilde (s. hierzu die Schreiben des Sachverständigen T. vom 30.1. und 10.4.2007). Dies ergibt sich, wie auf S. 37 des allgemeinen Teils im Gutachten des Sachverständigen Dr. F. nachvollziehbar dargelegt wird, daraus, dass mit Ausnahme von drei Käufen alle sonstigen durch die öffentliche Hand erfolgten, große Abweichungen zu den Bodenrichtwerten zu konstatieren sind und innerorts Flächen zu einem geringeren Preis erworben wurden, obwohl dort in der Regel ein weit höherer Preis erzielbar wäre. Diese außergewöhnlichen Umstände lassen den Schluss zu, dass bei der der Kaufpreisfindung zugrundeliegenden Ermittlung von Grundstücksqualität und -wert Elemente einbezogen wurden, die außerhalb der als Eigentum geschützten Rechtsposition liegen und erhöhte Preise nur wegen des Interesses der öffentlichen Hand an einem schnellen und reibungslosen Eigentumserwerb gezahlt worden sind. Damit kann von der Existenz eines Teilmarkts, der den gewöhnlichen Geschäftsverkehr abbildet, nicht ausgegangen werden (s. hierzu BVerwG vom 6.3.2006 BayVBl 2007, 472 = RdL 2006, 139; BGH vom 19.12.2002 AUR 2003, 188 = RdL 2003, 122; Dieterich in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, a.a.O., RdNrn. 150 f. zu § 194; Stemmler in Berliner Kommentar, BauGB, RdNr. 8a zu § 194; Aust in Aust/Jacobs/Pasternak, Die Enteignungsentschädigung, 6. Aufl. 2007, RdNrn. 717 und 718). Hinsichtlich der Angemessenheit des Erwerbsangebots des Beigeladenen zu 1 bestehen daher keine durchgreifenden Bedenken.


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Der Beigeladene zu 1 hat auch hinreichend glaubhaft gemacht, dass das Grundstück innerhalb angemessener Frist zum vorgesehenen Zweck verwendet wird (§ 87 Abs. 2 Satz 2 BauGB bzw. Art. 3 Abs. 2 Nr. 2 BayEG). Konkrete Anhaltspunkte hierfür sind das Vorliegen des Bebauungsplans "Nordumfahrung A.", die Tatsache, dass Mittel zur Verwirklichung des Vorhabens im Haushalt bereitgestellt sind sowie die Darlegungen im Schreiben vom 14. Juni 2007. Schließlich wurden auch die Vorgaben des § 92 BauGB bzw. Art. 6 BayEG beachtet.


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Der Flurbereinigungsbeschluss vom 8. August 2007 erweist sich damit als voraussichtlich rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten mit der Folge, dass der erhobene Widerspruch nach gegenwärtiger Sach- und Rechtslage als voraussichtlich erfolglos anzusehen ist und das Aussetzungsinteresse des Antragstellers hinter dem Vollzugsinteresse zurückzutreten hat. Der Beschluss vom 28. Januar 2008 war daher abzuändern und der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs vom 18. August 2007 abzulehnen.