Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 31.03.2010 - 9 C 10906/09. OVG (Lieferung 2011)

Aktenzeichen 9 C 10906/09. OVG Entscheidung Urteil Datum 31.03.2010
Gericht Flurbereinigungsgericht Koblenz Veröffentlichungen Lieferung 2011

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Wege entfalten eine Sperrwirkung, so dass ihnen gegenüber beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln kein Abstand einzuhalten ist. Jedoch genügt die bloße Ausweisung einer Fläche mit der Zweckbestimmung "Weg" nicht, um diese Sperrwirkung zu begründen; käme es nur auf die formelle Zweckbestimmung an, wäre die Umgehung der Abstandsvorschriften leicht möglich.
2. Bei der Verweisung auf § 49 Abs. 1 Satz 1 in § 73 FlurbG handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung. Die in § 73 Satz 1 FlurbG bezeichneten Besitz- und Nutzungsrechte können auch aufgehoben werden, wenn es der Zweck der Flurbereinigung nicht erfordert. Beim Verzicht auf Landabfindung erfordert der Zweck der Flurbereinigung die Aufhebung der Rechte aus einem Pachtverhältnis, denn die Verwertung der durch Verzicht auf Landabfindung erworbenen Flächen in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise ist nicht möglich, wenn bei dieser Verwertung die Rechte des Berechtigten berücksichtigt werden müssen.
3. Berechtigte aus einem Pachtvertrag sind nach Aufhebung ihrer Rechte in Geld abzufinden. Eine Abfindung in Land für Rechte aus einem Pachtvertrag mit unbestimmter Laufzeit ist nicht möglich, denn der Wert der Rechte aus einem solchen Pachtverhältnis lässt sich nicht angemessen durch die Ausweisung einer Eigentumsfläche entschädigen. Auch die Abfindung mit gleichartigen Rechten ist nicht möglich, weil die Flurbereinigungsbehörde über solche Rechte nicht verfügt und sie auch nicht neu begründen kann.

Aus den Gründen

1. Auch die Gestaltung der Landabfindung nach § 44 Abs. 2 ff. FlurbG ist nicht zu beanstanden. Sie genügt dem Entsprechungsgebot nach § 44 Abs. 4 FlurbG. Insoweit hat der Kläger auch keine Beanstandung vorgebracht. Darüber hinaus sind nunmehr auch alle Umstände berücksichtigt, die auf den Ertrag und die Verwendung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben (§ 44 Abs. 2 FlurbG). Allerdings hat der Kläger zu Recht geltend gemacht, dass der Beklagte die Nachteile durch die beanstandete Landespflegeanlage nicht ausreichend berücksichtigt hatte. Mit der Festsetzung eines zusätzlichen Geldausgleiches von 280,00 € ist dieser Mangel aber behoben.


Das Abfindungsflurstück Gemarkung M. Flur 23 Nr. 54 des Klägers, das mit seiner Längsseite über eine Strecke von 220 m an das 2 m breite, als Weg ausgewiesene Abfindungsflurstück Flur 23 Nr. 53/1 angrenzt, an welches wiederum das als Landespflegefläche ausgewiesene Abfindungsflurstück Flur 23 Nr. 53/2 grenzt, ist durch diese benachbarten Grundstücke in seiner Benutzung beeinträchtigt. Das gilt einmal für die Behandlung mit Pflanzenschutzmitteln. Soweit der Beklagte auf die Sperrwirkung der Wegefläche verweist, kann der Senat ihm nicht folgen. Zwar trifft es zu, dass Wege eine solche Sperrwirkung entfalten und ihnen gegenüber beim Ausbringen von Pflanzenschutzmitteln kein Abstand einzuhalten ist. Dies wird durch das vom Beklagten vorgelegte Schreiben der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) vom 20. Mai 2009 (Widerspruchseinzelheft, Bl. 65) bestätigt. Andererseits genügt die bloße Ausweisung einer Fläche mit der Zweckbestimmung "Weg" nicht, um diese Sperrwirkung zu begründen. Dies ergibt sich aus dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Schreiben (E-Mail) der ADD vom 30. März 2010, in dem auf das Erscheinungsbild und die tatsächliche Nutzung einer Fläche als Weg abgestellt wird. Diese Beurteilung ist auch allein sachgerecht. Käme es nur auf die formelle Zweckbestimmung an, wäre die Umgehung der Abstandsvorschriften leicht möglich. Auch im vorliegenden Fall spricht vieles dafür, dass das Wegeflurstück nur ausgewiesen wurde, um die Abstandsvorschriften zu umgehen, denn sie erfolgte erst, als der Kläger sich auf die einzuhaltenden Abstände berief. Eine Erschließungsfunktion hat dieser Weg offensichtlich nicht, wie durch die in seiner Fläche eingerammten Pfosten bestätigt wird, die auf einem von dem Kläger vorgelegten Foto (Bl. 73 der Gerichtsakte) zu erkennen sind. Abgesehen davon grenzt das als Landespflegefläche zu nutzende Abfindungsflurstück Flur 23 Nr. 53/2 mit seiner anderen, nördlichen Längsseite an einen dort von Anfang an ausgewiesenen Wirtschaftsweg an. Für seine wegen seiner Zweckbestimmung nur eingeschränkt mögliche Bewirtschaftung ist die Ausweisung eines weiteren Weges auch auf der Südseite nicht erforderlich. Selbst wenn die nunmehr als Weg ausgewiesene Fläche zur Bewirtschaftung des Grundstückes selbst erforderlich wäre, folgt daraus noch nicht, dass sie als Weg ausgewiesen werden muss. Alle landwirtschaftlichen Grundstücke dienen auch ihrer eigenen inneren Erschließung. Die Ausweisung von Wegen ist deshalb nicht geboten, vielmehr sollen Wege in der Regel mehreren Anliegern dienen (vgl. Schwantag, in: Schwantag/Wingerter, FlurbG-Kommentar, 8. Aufl. 2008, § 44 Rn. 67). Darüber hinaus ist auch die Ansicht des Klägers nicht von der Hand zu weisen, dass angesichts der fehlenden Verkehrsbedeutung des Weges für Dritte seine Aufhebung gemäß § 58 Abs. 4 FlurbG ohne große Schwierigkeiten möglich wäre.


Eine Beeinträchtigung des Abfindungsflurstückes Flur 23 Nr. 54 des Klägers ist auch nicht deshalb ausgeschlossen, weil die Gemarkung M. im Verzeichnis der regionalisierten Kleinstrukturanteile (vgl. www.jki.bund.de) als Agrarlandschaft mit einem ausreichenden Anteil an Kleinstrukturen ausgewiesen ist. Zwar trifft es zu, dass deshalb geringere Anforderungen an die Einhaltung von Abständen zu stellen sind und bei abtriftmindernden Maßnahmen (dem Einsatz entsprechender Spritzdüsen) keine nennenswerten Abstände mehr erforderlich sind. Wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung glaubhaft dargelegt hat, würde die Ausstattung des Spritzgerätes seines Sohnes und Pächters mit entsprechenden Düsen jedoch erhebliche Kosten verursachen, so dass ihm jedenfalls ein Nachteil verbleibt. Soweit der Kläger weitere nachteilige Auswirkungen von der Landespflegeanlage befürchtet, sind diese nicht ganz auszuschließen, jedoch allenfalls geringfügig. ...


2. Dem Kläger steht außerdem noch ein Anspruch auf eine gesonderte Abfindung für den Verlust des von ihm gepachteten Einlageflurstückes Gemarkung M. Flur 6 Nr. 13 mit 1,7482 ha in Höhe von 1.320,00 € zu. Deshalb ist ein entsprechender Geldausgleich zu seinen Gunsten festzusetzen, so dass sich insgesamt ein Geldausgleich von 1.600,00 € ergibt.


Dieser Anspruch entfällt nicht deshalb, weil die Flurbereinigungsbehörde das Recht des Klägers aus dem Pachtverhältnis unberücksichtigt lassen kann. Nach § 14 Abs. 1 und 2 FlurbG sind Beteiligte durch öffentliche Bekanntmachung aufzufordern, innerhalb von drei Monaten Rechte, die aus dem Grundbuch nicht ersichtlich sind, aber zur Beteiligung am Flurbereinigungsverfahren berechtigen, bei der Flurbereinigungsbehörde anzumelden und auf Verlangen innerhalb einer von der Behörde zu setzenden Frist nachzuweisen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist ist der Anmeldende nicht mehr zu beteiligen. Wenn erst nach Ablauf dieser Fristen Rechte angemeldet oder nachgewiesen werden, kann die Flurbereinigungsbehörde die bisherigen Verhandlungen und Festsetzungen gelten lassen. Hier enthielt der Flurbereinigungsbeschluss vom 31. Mai 1999, der öffentlich bekannt gemacht wurde, unter Ziffer VI die Aufforderung, Rechte, die aus dem Grundbuch nicht ersichtlich sind, aber zur Beteiligung am Flurbereinigungsverfahren berechtigen, innerhalb von drei Monaten nach der öffentlichen Bekanntmachung dieses Beschlusses bei der Flurbereinigungsbehörde anzumelden sowie den Hinweis, dass die Flurbereinigungsbehörde die bisherigen Verhandlungen und Festsetzungen gelten lassen kann, wenn Rechte erst nach Ablauf der Frist angemeldet werden.


Der Kläger hat sein Recht aus dem Pachtverhältnis an dem Einlageflurstück Gemarkung M. Flur 6 Nr. 13 nicht fristgerecht angemeldet, sondern erst in einer Verhandlung mit der Flurbereinigungsbehörde am 22. Februar 2005 erwähnt. Der Beklagte hat sich jedoch nicht darauf berufen, dass er die bisherigen Festsetzungen und Verhandlungen gelten lassen kann. Dies wäre auch ermessensfehlerhaft gewesen. Es hatten zu diesem Zeitpunkt lediglich Verhandlungen zwischen dem Verpächter des Klägers und der Flurbereinigungsbehörde über den Verzicht auf Landabfindung gegen Geldausgleich stattgefunden. Die Entscheidung der Behörde, dem Verzicht des Verpächters auf Landabfindung zuzustimmen, beruhte auf der falschen Angabe des Verpächters über das (Nicht-)Bestehen eines Pachtverhältnisses. Angesichts dieses Fehlverhaltens des Verpächters, das wesentlich schwerer wiegt als das Unterlassen der Anmeldung eines Pachtverhältnisses, wäre es nicht verhältnismäßig gewesen, zu Lasten des Klägers und zum Vorteil des Verpächters an dieser Verhandlung festzuhalten. Festsetzungen, die eine gesonderte Abfindung ausgeschlossen hätten, waren noch nicht erfolgt. Zwar war dem Kläger durch die am 16. Februar 2005 wirksam gewordene vorläufige Besitzeinweisung vom 30. Dezember 2004 kein Grundstück zur Ausübung des Pachtrechtes zugewiesen worden. Eine Festsetzung über eine sonstige Abfindung war jedoch noch nicht getroffen und hätte noch in den Flurbereinigungsplan aufgenommen werden können, der erst am 12. und 13. September 2005 bekannt gegeben wurde. Die Voraussetzungen für eine gesonderte Abfindung für das danach zu berücksichtigende Nutzungsrecht des Klägers aus dem Pachtverhältnis liegen vor. Nach § 73 FlurbG sind persönliche Rechte, die zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken berechtigen, für die ein Teilnehmer nur in Geld abgefunden wird, gesondert abzufinden. Um solche Rechte handelt es sich bei den Rechten des Klägers aus dem Pachtverhältnis. Für die gesonderte Abfindung gelten die Vorschriften des § 49 Abs. 1 und 3 FlurbG entsprechend. Bei der Verweisung auf § 49 Abs. 1 Satz 1 FlurbG handelt es sich um eine Rechtsfolgenverweisung. Das bedeutet, dass die in § 73 Satz 1 FlurbG bezeichneten Rechte aufgehoben werden können, auch wenn es der Zweck der Flurbereinigung nicht erfordert. Dies ergibt sich daraus, dass § 73 FlurbG eine Sonderregelung für den Fall einer Geldabfindung trifft. Unabhängig davon erfordert aber auch der Zweck der Flurbereinigung die Aufhebung, denn die Verwertung der durch Verzicht auf Landabfindung erworbenen Flächen in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise (vgl. § 54 Abs. 2 FlurbG) ist nicht möglich, wenn bei dieser Verwertung die Rechte des Berechtigten berücksichtigt werden müssen. Die somit mögliche Aufhebung der Rechte des Klägers ist erfolgt, denn der Beklagte hat die Rechte spätestens mit Schreiben vom 5. Dezember 2005 (S. 18 des Widerspruchseinzelheftes) aufgehoben. Bereits vorher hat er diese Rechte im Rahmen der vorläufigen Besitzeinweisung nicht berücksichtigt und sie auch im Flurbereinigungsplan nicht aufgeführt.


Nach § 49 Abs. 1 Satz 3 FlurbG, auf den weiter verwiesen wird, sind die Berechtigten nach Aufhebung ihrer Rechte in Land, durch gleichartige Rechte oder – mit ihrer Zustimmung – in Geld abzufinden. Diese Regelung wird durch § 49 Abs. 1 Satz 5 FlurbG ergänzt, wonach die Berechtigten in Geld abzufinden sind, soweit eine Abfindung in Land oder durch gleichartige Rechte unmöglich oder mit dem Zweck der Flurbereinigung nicht vereinbar ist. Die Voraussetzungen für eine Geldabfindung liegen entgegen der Meinung des Klägers vor. Eine Abfindung in Land für Rechte aus einem Pachtvertrag mit unbestimmter Laufzeit ist nicht möglich, denn der Wert der Rechte aus einem solchen Pachtverhältnis lässt sich nicht angemessen durch die Ausweisung einer Eigentumsfläche entschädigen. Die zeitliche Beschränkung des Pachtverhältnisses würde zu einer erheblichen Verkleinerung der als Entschädigung zu übertragenden Eigentumsfläche führen. Auch die Abfindung mit gleichartigen Rechten ist nicht möglich, weil die Flurbereinigungsbehörde über solche Rechte nicht verfügt und sie auch nicht neu begründen kann. Deshalb kommt allein eine Geldabfindung in Betracht.