RzF - 21 - zu § 144 FlurbG

Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.05.2007 - 10 B 71.06 = RdL 2007, S. 221= BzAR-NL 2007, 417 (BzAR= Briefe zum Agrarrecht) (Lieferung 2008)

Aktenzeichen 10 B 71.06 Entscheidung Beschluss Datum 10.05.2007
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen RdL 2007, S. 221 = BzAR-NL 2007, 417 (BzAR = Briefe zum Agrarrecht)  Lieferung 2008

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Das Beschleunigungsgebot gebietet es dem Flurbereinigungsgericht, wenn eben möglich, den Rechtsstreit zu einem sachlichen Ende zu bringen.
2. Das Beschleunigungsgebot ist auch dann zu beachten, wenn das Flurbereinigungsgericht auf die Klage des Bodeneigentümers gegen Entscheidungen, die in einem auf Antrag eines vorgeblichen Gebäudeeigentümers durchgeführten Bodenordnungsverfahren ergangen sind, den Anordnungsbeschluss mit der Begründung für rechtswidrig erachtet, es habe einen anderen Gebäudeeigentümer ermittelt.

Aus den Gründen

I

Das Flurbereinigungsgericht hat in seinem Urteil, das die Beklagte mit der auf Verfahrensrügen gestützten Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision angreift, unter Aufhebung des angefochtenen Widerspruchsbescheids und Zurückverweisung in das Widerspruchsverfahren die streitgegenständliche Anordnung des Bodenordnungsverfahrens mit der Begründung für rechtswidrig erklärt, es fehle an der erforderlichen Antragstellung. Der Antrag der Agrargesellschaft "G. G." K. mbH, deren allein vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beigeladene zu 1 sei, könne nicht den Antrag des Gebäudeeigentümers ersetzen; dies sei mangels eines Gebäudegrundbuchblatts weiterhin die LPG (P) "F. R." Bresegard i.L. Der von der LPG i.L. während des Klageverfahrens gestellte Antrag sei unwirksam, weil die erforderliche Zustimmung des vierten Liquidators fehle. Dem Flurbereinigungsgericht war vor der mündlichen Verhandlung bekannt geworden, dass dieser schwer erkrankt im Krankenhaus lag.


Die Beklagte legt mit ihrer Beschwerde den nunmehr von allen vier Liquidatoren unterschriebenen Antrag vor und rügt als Verfahrensfehler, dass seitens des Flurbereinigungsgerichts in der mündlichen Verhandlung ein rechtlicher Hinweis auf seine Rechtsauffassung unterblieben sei und dass die Zurückverweisung das Gebot der Verfahrensbeschleunigung verletze, weil das Flurbereinigungsgericht die Beiladung des Gebäudeeigentümers hätte anordnen und die beiden in der mündlichen Verhandlung anwesenden Liquidatoren unter Fristsetzung einstweilen nach § 124 FlurbG hätte zulassen müssen.


II

Die Beschwerde ist begründet. Das Urteil des Flurbereinigungsgerichts leidet an einem von der Beschwerde geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, § 60 LwAnpG). Wegen dieses Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruht, weist der Senat die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO im Interesse der Verfahrensbeschleunigung unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an das Flurbereinigungsgericht zurück.


Die Beschwerde beanstandet hinreichend substantiiert im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO und im Ergebnis zu Recht, dass das Flurbereinigungsgericht mit der Zurückverweisung an die Widerspruchsbehörde das flurbereinigungsrechtliche Gebot der Verfahrensbeschleunigung verletzt hat. Dieses Gebot hat u.a. in der Regelung des § 144 Satz 1 FlurbG Ausdruck gefunden. Die genannte Vorschrift verleiht dem Flurbereinigungsgericht, wenn es die Klage für begründet hält, eine erweiterte Änderungs- und Gestaltungsbefugnis. Das ihm dabei eröffnete Ermessen, ob es den angefochtenen Verwaltungsakt durch Urteil ändert oder die Sache unter Aufhebung der behördlichen Bescheide zurückverweist, ist unter Beachtung des Beschleunigungsgebots auszuüben. Steht eine Planänderung in Rede, setzen seine besonderen Befugnisse (§ 143 FlurbG) und seine fachkundige Besetzung (§ 139 FlurbG) das Flurbereinigungsgericht regelmäßig in den Stand, die erforderlichen und zweckmäßigen Änderungen selbst auszusprechen. Nur dort, wo es ihm im Hinblick auf Umfang und Schwierigkeit des zu Veranlassenden unzumutbar erscheint, selbst eine Planänderung vorzunehmen, ist eine Zurückverweisung gerechtfertigt (vgl. Urteil vom 17. April 1975 BVerwG 5 C 38.74 BVerwGE 48, 160 <166>). Dies folgt aus dem Beschleunigungsgebot und der daraus abzuleitenden Pflicht des Flurbereinigungsgerichts, wenn eben möglich, den Rechtsstreit zu einem sachlichen Ende zu bringen (vgl. Beschluss vom 26. Februar 1988 BVerwG 5 B 143.86 Buchholz 424.01 § 2 FlurbG Nr. 4 S. 3 <= RzF - 10 - zu § 27 FlurbG>).


Hier hat sich das Flurbereinigungsgericht unter Berufung auf § 144 Satz 1 FlurbG für eine Zurückverweisung der Sache an die Widerspruchsbehörde entschieden. Grund hierfür war, dass aus seiner Sicht der angefochtene Anordnungsbeschluss mangels wirksamer Antragstellung zwar rechtswidrig ergangen war, dieser Mangel aber noch dadurch geheilt werden konnte, dass der bereits von drei Liquidatoren gestellte Zusammenführungsantrag nachträglich die Zustimmung des vierten Liquidators fand. Bei dieser Verfahrenskonstellation hat das Flurbereinigungsgericht die Klage zwar wie es § 144 Satz 1 FlurbG voraussetzt als begründet angesehen, dennoch aber keine Spruchreife für eine Aufhebung des Anordnungsbeschlusses und der daran anknüpfenden Verwaltungsakte angenommen. Nicht in Erwägung gezogen hat das Flurbereinigungsgericht die Möglichkeit, sich selbst um die Einholung der Zustimmung des vierten Liquidators zu bemühen und die Sache auf diesem Wege spruchreif zu machen. Dies wertet der Senat als einen Verfahrensfehler, den der Beklagte unter dem Aspekt mit Erfolg rügen kann, dass das Beschleunigungsgebot verletzt ist.


Revisionsrechtlich begegnet es keinen Bedenken, wenn das Flurbereinigungsgericht davon ausgeht, dass der Antrag von der LPG i.L. auch im Widerspruchsverfahren mit heilender Wirkung gestellt werden kann. Nicht zu folgen wäre dem Flurbereinigungsgericht darin, falls es angenommen hat, die Vorschrift des § 144 Satz 1 FlurbG komme unmittelbar zur Anwendung. Dem steht nämlich entgegen, dass hier für das Flurbereinigungsgericht nicht die Möglichkeit zur Wahl stand, "den angefochtenen Verwaltungsakt durch Urteil [zu] ändern". Aus diesem Grunde war die genannte Vorschrift auf die vorliegende Verfahrenskonstellation nur entsprechend oder aber ihrem Rechtsgedanken nach anwendbar. Die sich daraus ergebenden Handlungsalternativen hat das Flurbereinigungsgericht nicht umfassend in den Blick genommen, wenn es sich für die Zurückverweisung entschieden hat, ohne erkennbar in Erwägung zu ziehen, dass es in Beachtung des Beschleunigungsgebots seine Pflicht gewesen wäre, der von ihm als Gebäudeeigentümer ermittelten LPG i.L. noch im Klageverfahren Gelegenheit zu geben, die Antragstellung nachzuholen. Diese Handlungsalternative hätte sich dem Flurbereinigungsgericht aufdrängen müssen, wenn es berücksichtigt hätte, dass aus dem Beschleunigungsgebot seine Verpflichtung folgt, alles Zumutbare zu tun, um das Verfahren selbst einer Sachentscheidung zuzuführen. Es unterliegt keinem Zweifel, dass das Flurbereinigungsgericht nicht auf irgendeine Hilfestellung seitens der Widerspruchsbehörde angewiesen war, um kurzfristig eine Klärung der Frage herbeizuführen, ob auch der vierte Liquidator dem bereits namens der LPG i.L. gestellten Zusammenführungsantrag zustimmt. Nachdem das Flurbereinigungsgericht Kenntnis davon erlangt hatte, dass der vierte Liquidator schwer erkrankt im Krankenhaus lag, war nämlich die Vermutung naheliegend, dass einer nachträglichen Zustimmung keine unüberwindbaren Hindernisse entgegenstehen würden. So hat offenkundig auch das Flurbereinigungsgericht die Lage eingeschätzt; denn anderenfalls ist sein an die Widerspruchsbehörde gerichteter Hinweis, die Zustimmung könne mit heilender Wirkung nachträglich eingeholt werden, nicht verständlich. Es fehlt dann aber auch ein rechtfertigender Grund dafür, warum sich das Flurbereinigungsgericht nicht selbst um die Einholung dieser Zustimmung bemüht hat. Hierin erblickt der Senat angesichts des Beschleunigungsgebots einen Ermessensfehlgebrauch.


Dem kann auch nicht entgegen gehalten werden, die LPG i.L. habe bisher nicht zu den Beteiligten des Rechtsstreits gehört. Dieser Umstand hätte das Flurbereinigungsgericht nämlich dazu veranlassen müssen, eine Beiladung der LPG i.L. auszusprechen, um ihr auf diese Weise die Möglichkeit zu verschaffen, ihr Antragsrecht auszuüben. Dabei mag dahinstehen, ob hier ein Anwendungsfall von § 65 Abs. 2 VwGO anzunehmen ist. Zumindest reduziert sich ein Ermessen, das nach § 65 Abs. 1 VwGO gegeben wäre, im vorliegenden Fall auf Null, solange die LPG i.L. nicht verbindlich erklärt hat, auf ihr Antragsrecht verzichten zu wollen.


Für die weitere Sachbehandlung weist der Senat darauf hin, dass es auch zu beanstanden sein dürfte, wenn das Flurbereinigungsgericht nicht die Agrargesellschaft "G. G." K. mbH beigeladen hat, obwohl dieser durch das angefochtene Urteil die von ihr beanspruchte Antragsbefugnis als Gebäudeeigentümer abgesprochen wird.