Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 23.03.2010 - 8 R 12/09 = NVwZ-RR 2010, 620-621 (Leitsatz und Gründe) (Lieferung 2013)

Aktenzeichen 8 R 12/09 Entscheidung Beschluss Datum 23.03.2010
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen NVwZ-RR 2010, 620-621 (Leitsatz und Gründe)  Lieferung 2013

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die ordnungsgemäße Durchführung der öffentlichen Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung dieses Verwaltungsakts - wie etwa die der Verkündung einer Rechtsnorm -.
2. Erlangt der Betroffene auf andere Weise sichere Kenntnis vom Ergehen eines Flurbereinigungsbeschlusses und seines Betroffenseins hiervon, muss er sich so behandeln lassen, als sei der Beschluss wirksam öffentlich bekannt gemacht worden.
3. Ein Anhörungsmangel wird mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens und der damit verbundenen Nachholung der Anhörung entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt.
4. § 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG verlangt nicht zwingend die Einstellung des Flurbereinigungsverfahrens, sondern ermöglicht im Ausnahmefall (hier bejaht) eine Fortführung des Verfahrens.

Aus den Gründen

2. Im Rahmen der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotenen Überprüfung der Sach- und Rechtslage erweist sich der Änderungsbeschluss Nr. 2 des Antragsgegners vom 13. August 2009 auch als voraussichtlich rechtmäßig, mit der Folge, dass das Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs als nachrangig gegenüber dem Interesse nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO anzusehen ist.


2.1. Zwar weisen die Beteiligten zu Recht übereinstimmend darauf hin, dass der Änderungsbeschluss Nr. 2 nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 87 Abs. 4 Halbs. 2 FlurbG i. V. m. den §§ 6 Abs. 2, § 110 FlurbG öffentlich bekannt gemacht worden ist. Nach § 6 Abs. 2 FlurbG ist der entscheidende Teil des Flurbereinigungsbeschlusses öffentlich bekanntzumachen. Die öffentliche Bekanntmachung hat nach § 110 Satz 1 FlurbG in den Flurbereinigungsgemeinden und in den angrenzenden Gemeinden, wenn dort Beteiligte, Vertreter, Bevollmächtigte oder Empfangsbevollmächtigte wohnen, nach den für die öffentliche Bekanntmachung von Verfügungen der jeweiligen Gemeinde bestehenden Rechtsvorschriften zu erfolgen. Danach war hier die Hauptsatzung der Stadt A-Stadt - als Wohnsitzgemeinde des Antragstellers - vom 29. September 2005 in der Fassung der 3. Änderungssatzung vom 2. Juli 2009 zu beachten, die in § 17 Abs. 1 bestimmt, dass die gesetzlich erforderlichen Bekanntmachungen mit Ausnahme öffentlicher Zustellungen nach § 1 Absatz 1 i. V. m. § 15 Verwaltungszustellungsgesetz des Landes Sachsen-Anhalt (VwZG LSA) im Amtsblatt für den Landkreis Börde in der Zeitung "Landkreis Börde - Generalanzeiger", Ausgabe H., A-Stadt und der Ausgabe O., W., erfolgen, soweit nicht Rechtsvorschriften besondere Regelungen treffen. Diese Form der öffentlichen Bekanntmachung hat das zuständige Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten allerdings auch nach den Angaben des Antragsgegners nicht gewählt, sondern entgegen § 17 Abs. 1 der Hauptsatzung - und damit fehlerhaft - den Änderungsbeschluss durch Aushang veröffentlicht.


Indes ist die ordnungsgemäße Durchführung der öffentlichen Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses keine Wirksamkeitsvoraussetzung dieses Verwaltungsakts - wie etwa die der Verkündung einer Rechtsnorm -. Während die Verlautbarung von Rechtsnormen eine den Betroffenen zugängliche und erkennbare Verkündung erfordert, die dem Bürger gestattet, sich Kenntnis vom Inhalt des Gesetzes zu verschaffen (BVerfG, Entscheidung vom 02.04.1963 - 2 BvL 22/60 -, BVerfGE 16, 6 <17>; BVerwG, Urt. v. 28.11.1963 - BVerwG I C 74.61 -, BVerwGE 17, 192 <193>), hat die unvollständige oder nicht ordnungsgemäße öffentliche Bekanntmachung des Flurbereinigungsbeschlusses in einer Flurbereinigungsgemeinde nur zur Folge, dass der Flurbereinigungsbeschluss den (potentiellen) Teilnehmern dieser Gemeinde, in denen beteiligte Grundstücke liegen, nicht wirksam bekannt gegeben ist (BVerwG, Urt. v. 28.10.1982 - BVerwG 5 C 46.81 -, zit. nach juris). Wird ein Verwaltungsakt aber einem (potentiell) davon Betroffenen nicht ordnungsgemäß bekanntgegeben, dann wird er diesem gegenüber nicht wirksam (vgl. § 43 Abs. 1 VwVfG).


Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus, dass wegen der nicht ordnungsgemäßen öffentlichen Bekanntmachung des Änderungsbeschlusses Nr. 2 dieser dem Antragsteller gegenüber zwar nicht wirksam bekanntgegeben ist. Allerdings kann sich der Antragsteller auf die fehlerhafte Bekanntgabe nicht berufen, weil er - wie er selbst vorträgt - am 1. Dezember 2009 anlässlich eines Gesprächs im Justiziariat des Antragsgegners auf andere Weise sichere Kenntnis vom Ergehen des Änderungsbeschlusses und seines Betroffenseins hiervon erlangt hat, d. h. er muss sich so behandeln lassen, als sei der Änderungsbeschluss Nr. 2 wirksam öffentlich bekannt gemacht worden (BVerwG, Urt. v. 28.10.1982, a. a. O.).


2.2. Auch soweit der Antragsteller auf seine unstreitig unterbliebene Anhörung gemäß § 5 Abs. 1 FlurbG hinweist, hat sein vorläufiger Rechtsschutzantrag keinen Erfolg, weil der Anhörungsmangel mit der Durchführung des Widerspruchsverfahrens (vgl. Widerspruchsbescheid vom 12.03.2010) und der damit verbundenen Nachholung der Anhörung entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG geheilt worden ist (BVerwG, Beschl. v. 03.03.1988 - BVerwG 5 B 125/86 -, zit. nach juris).


2.3. Der Änderungsbeschluss Nr. 2 des Antragsgegners vom 13. August 2009 weist bei summarischer Prüfung auch nicht die von dem Antragsteller aufgezeigten materiell-rechtlichen Fehler auf.


Der Beschluss regelt inhaltlich, dass das mit Beschluss vom 29. Dezember 2006 eingeleitete Unternehmensflurbereinigungsverfahren fortgeführt wird, allerdings auf der Grundlage des am 10. Februar 2009 neu eingeleiteten Planfeststellungsverfahrens (Az. 308.2.2-31027-F3.09). Dies ist rechtlich nicht zu beanstanden; denn die Voraussetzungen für die Anordnung einer Flurbereinigung nach §§ 87 bis § 89 FlurbG im Hinblick auf die beabsichtigte Errichtung der Neubaustrecke der BAB A 14 liegen weiterhin vor; insbesondere war der Antragsgegner entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht verpflichtet, das Verfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG einzustellen und ein völlig neues Flurbereinigungsverfahren auf der Basis eines neu zu erlassenden Flurbereinigungsbeschlusses durchzuführen.


Nach § 87 Abs. 3 Satz 1 FlurbG soll das Flurbereinigungsverfahren eingestellt werden, wenn das dem Unternehmen zugrunde liegende Planfeststellungsverfahren oder das entsprechende Verfahren eingestellt wird. Hiernach ist die Flurbereinigungsbehörde zwar im Regelfall gehalten, das Flurbereinigungsverfahren einzustellen. Zugleich ist hieraus aber zu folgern, dass im Ausnahmefall eine Fortführung des Verfahrens möglich bleiben soll. Ein solcher Ausnahmefall liegt vor, wenn das dem Unternehmensflurbereinigungsverfahren zugrunde liegende Vorhaben - wie hier die Errichtung der Neubaustrecke nach dem Bundesfernstraßengesetz - auf eine andere rechtliche Grundlage gestellt und damit fortgeführt wird, wobei die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens - gegebenenfalls auf anderer rechtlicher Grundlage - jedenfalls im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nicht in Frage gestellt wird. Für die Annahme eines solchen Ausnahmefalles sprechen auch die Regelungen in § 87 Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 FlurbG. Nach § 87 Abs. 3 Satz 2 FlurbG kann die obere Flurbereinigungsbehörde anordnen, dass ein laufendes Unternehmensflurbereinigungsverfahren als ein Verfahren nach Maßgabe der §§ 1 und § 37 oder des § 86 FlurbG durchzuführen ist. Nach § 87 Abs. 4 FlurbG kann die obere Flurbereinigungsbehörde anordnen, dass ein Flurbereinigungsverfahren als ein Verfahren nach §§ 87 bis § 89 FlurbG durchgeführt wird. In beiden Fällen entspricht es einem praktischen Bedürfnis und insbesondere den Grundsätzen über eine sparsame Verwendung öffentlicher Mittel, ein begonnenes Verfahren auf anderer rechtlicher Grundlage fortzuführen, wenn die Voraussetzungen für die Durchführung eines solchen Verfahrens gegeben sind. Es wäre nicht zu vertreten, ein laufendes Flurbereinigungsverfahren auf Grund nachträglich eingetretener Umständen einzustellen, um unmittelbar danach erneut ein Flurbereinigungsverfahren auf der anderen rechtlichen Grundlage einzuleiten (vgl. amtl. Begründung zu § 87 Abs. 3 und 4 FlurbG <BT-Drs. 7/3020 zu Nr. 51c>; Wingerter, in: Schwantag/Wingerter, Kommentar zum FlurbG, 8. Aufl., § 87 Rdnr. 25).

Anmerkung


Zu Leitsatz 1 und Leitsatz 3 vgl. Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 14.03.2012 – 8 K 2/10 - = RzF - 31 - zu § 5 Abs. 1 FlurbG.