Flurbereinigungsgericht Weimar, Urteil vom 07.05.2007 - 7 F 1319/0 (Lieferung 2008)
Aktenzeichen | 7 F 1319/0 | Entscheidung | Urteil | Datum | 07.05.2007 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Weimar | Veröffentlichungen | Lieferung | 2008 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zu wertbildenden Faktoren, denen im Rahmen der Prüfung des Gebots wertgleicher Abfindung ein besonderes Gewicht zukommt, zählt die Baulandqualität eines Einlageflurstücks. Hier wird eine wertgleiche Abfindung grundsätzlich nur dann erreicht, wenn der Betroffene mit Bauland gleicher Qualität abgefunden wird. Ein Weniger an Qualität kann nicht durch ein entsprechendes Mehr an Fläche ausgeglichen werden. |
Aus den Gründen
Die Klage hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache nach § 144 FlurbG unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 23.11.2005 zur erneuten Verhandlung und Bescheidung an das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt zurückverwiesen wird. Der Flurbereinigungsplan K. vom 24.05.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Thüringer Ministeriums für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt vom 23.11.2005 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
...
b) Die Klägerin ist auch dann nicht wertfrei abgefunden worden, wenn man zugunsten des Beklagten von einer zutreffenden Wertermittlung und einer rechnerischen Gleichheit der Einlage mit der Abfindung ausgeht oder sich bei einer erneuten Wertermittlung für die Grundstücke der Klägerin der gleiche Wert der Einlage ergeben sollte. Der Beklagte hat bei der Abfindung der Klägerin die Baulandqualität ihrer Einlageflurstücke nicht hinreichend berücksichtigt.
Zur Frage der Gleichwertigkeit der Landabfindung hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Grundsatzurteil vom 10.05.1990 - 5 C 1.87 - (BVerwGE 85, 129 = NVwZ-RR 1991, 161 und juris) ausgeführt: " (
) Entsprechendes gilt, wenn (
) in das Flurbereinigungs-verfahren Flächen eingelegt werden, die, weil ihre Erschließung in ortsüblicher Weise ausreichend gesichert oder gar schon fertig gestellt ist (
), ohne weiteres Zutun Dritter baulich genutzt werden können. Solche Flächen stehen nicht unbeschränkt zur Verfügung. Sie haben deshalb für den, dem sie gehören, einen besonderen Wert, und zwar nicht nur unter dem wirtschaftlichen Aspekt der Verwertung im Wege der Grundstücksveräußerung, sondern auch und zuvörderst unter dem Gesichtspunkt, die Bebaubarkeit als Nutzungs-möglichkeit für sich selbst in Anspruch zu nehmen. Diesem Selbstnutzungsinteresse wird eine Landabfindung, die, was den erreichten Stand baulicher Entwicklung angeht, hinter dem Zustand erschlossenen, sofort bebaubaren Landes zurückbleibt, auch dann nicht gerecht, wenn für das Weniger an Qualität ein entsprechendes Mehr an Fläche gegeben wird. Denn dieses Mehr gleicht den Verlust der Möglichkeit, die Abfindung wie die Einlage ohne weiteres der baulichen Nutzung zuzuführen, nicht aus. Der Teilnehmer kann Bauland einer niedrigeren Entwicklungsstufe nicht ohne Mitwirkung anderer derart verändern, dass es aktuell bebaut werden kann. Auch die Möglichkeit, die zugewiesene, im Umfang größere Abfindungsfläche zu veräußern, sichert schon deshalb keinen adäquaten Ersatz, weil nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Teilnehmer mit dem Veräußerungserlös stets ein Grundstück erwerben kann, das hinsichtlich seiner Bebaubarkeit dem in das Verfahren eingebrachten Altbesitz entspricht. Der einzelne Teilnehmer hat deshalb einen Anspruch darauf, dass im Rahmen der ihm zu gewährenden Gesamtabfindung Einlagegrundstücke, deren Erschließung im Sinne der §§ 30 ff. früher des Baugesetzbuches - BBauG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 18. August 1976 (BGBl. I S. 2256), heute des Baugesetzbuches - BauGB - in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Dezember 1986 (BGBl. I S. 2253) gesichert ist und die mit Rücksicht darauf die Voraussetzungen für eine bauliche Nutzung erfüllen, mit Bauflächen gleicher Qualität abgefunden werden (
)."
An dieser Auffassung, der der Senat folgt, hat das Bundesverwaltungsgericht auch in seinem Urteil vom 23.08.2006 - 10 C 4.05 - (BVerwGE 126, 303 = NVwZ-RR 2007, 85 = RdL 2007, 14 und juris) festgehalten. Das Bundesverwaltungsgericht sieht zwar grundsätzlich keinen Raum mehr für eine gesonderte gerichtliche Kontrolle des Abwägungsvorgangs neben der Gleichwertigkeitsprüfung, weil eine wertgleiche Abfindung gerade wesentlichstes Ziel der Abwägung ist. Davon unberührt bleibt aber die Überprüfung des Ergebnisses der auf eine wertgleiche Abfindung zielenden Abwägung der Flurneuordnungsbehörde. Berücksichtigt sie bestimmte wertbildende Faktoren nur unzureichend und verfehlt hierdurch das Ziel einer wertgleichen Abfindung, führt dies zur Rechtswidrigkeit des Flurbereinigungsplans. Zu den wertbildenden Faktoren, denen im Rahmen der Prüfung des Gebots wertgleicher Abfindung ein besonderes Gewicht zukommt, zählt die Baulandqualität eines Einlageflurstücks (vgl. BVerwG, a. a. O.; in juris Rdn. 28). Hier wird eine wertgleiche Abfindung grundsätzlich nur dann erreicht, wenn der Betroffene mit Bauland gleicher Qualität abgefunden wird.
Der insoweit bestehende Anspruch auf Abfindung in Land der gleichen Entwicklungsstufe ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch im vorliegenden Flurbereinigungsverfahren zu beachten. Zwar sind die Flurbereinigungsverfahren im Gebiet der ehemaligen DDR vielfach dadurch gekennzeichnet, dass bei den Einlageflurstücken Boden- und Gebäudeeigentum getrennt ist; dies ändert aber nichts daran, dass für diese Verfahren die gleichen Regelungen gelten wie für die in den "alten" Bundesländern durchgeführten Flurbereinigungsverfahren. Wenn die Flurbereinigungsbehörde sich - wie hier - dafür entscheidet, die Zusammenführung von Boden- und Gebäudeeigentum in einem "regulären" (hier vereinfachten) Flurbereinigungsverfahren durchzuführen, hat sie auch die dafür geltenden Regelungen zu beachten. Im Übrigen gilt auch für das Bodenordnungsverfahren nach den § 56, § 64 LwAnpG, dass derjenige, der voll erschlossenes Bauland in das Verfahren einbringt, grundsätzlich einen Anspruch darauf hat, mit Bauflächen gleicher Qualität abgefunden zu werden (vgl. dazu etwa OVG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 30.03.1999 - 9 K 8/96 -, LKV 1999, 515 = AgrarR 2000, 102 = RdL 2001, 47).
Diesen Anforderungen trägt der Flurbereinigungsplan des Beklagten hier nicht hinreichend Rechnung. Bei der Einlage der Klägerin handelt es sich auch nach Auffassung des Beklagten um voll erschlossenes, also baureifes Land, das somit grundsätzlich die Voraussetzungen für eine bauliche Nutzung erfüllt. Einer baulichen Nutzung der Einlageflurstücke der Klägerin steht auch nicht entgegen, dass sie bereits bebaut sind und an den vorhandenen baulichen Anlagen überwiegend selbständiges Gebäudeeigentum besteht. Die Belastung der Einlageflurstücke mit fremden Gebäudeeigentum ist bereits bei der Bewertung der Einlage durch die Anwendung des sog. Halbteilungsgrundsatzes berücksichtigt worden und ändert grundsätzlich nichts daran, dass die Grundstücke Baulandqualität besitzen und voll erschlossen sind. Sie hat hier auch nicht zur Folge, dass eine (weitere) Bebauung der Einlageflurstücke ohne Zutun Dritter (insb. einen Verzicht der Gebäudeeigentümerin auf eines oder mehrere Gebäude) nicht möglich ist. Auf den Einlageflurstücken sind noch genügend Freiflächen vorhanden, die eine weitere Bebauung zulassen.
Ist die Einlage der Klägerin somit als erschlossenes und sofort bebaubares Land zu bewerten, hat sie mit dem Abfindungsflurstück 2916 Bauland einer niedrigeren Entwicklungsstufe erhalten. Das Grundstück liegt zwar im Geltungsbereich eines qualifizierten Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB und damit entgegen der Ansicht der Klägerin im Innenbereich. Seine Erschließung ist aber zurzeit nicht gesichert, da die Gemeinde mit der Erschließung des Bauabschnitts II ihres ökologischen Gewerbegebiets erst dann beginnen will, wenn mindestens 70 % der Fläche des Bauabschnitts I vermarktet worden sind. Zurzeit sind nach Angaben des Beklagten erst 43 % der Fläche des Bauabschnitts I veräußert worden, so dass nicht erkennbar ist, dass in absehbarer Zeit mit einer Erschließung der Flächen im Bauabschnitt II des Gewerbegebiets zu rechnen ist.