Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 06.09.1999 - 9 K 9/98
Aktenzeichen | 9 K 9/98 | Entscheidung | Urteil | Datum | 06.09.1999 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Greifswald | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | An dem aufstehenden Gebäude ist auf der Grundlage des Nutzungsrechts getrenntes Eigentum in der Hand der LPG auch dann entstanden, wenn der einbringende Landwirt nicht Eigentümer, sondern nur Pächter der später überbauten Fläche war. |
2. | Jeder der LPG beitretende werktätige Bauer hatte sein Ackerland einschließlich Pachtland in die Genossenschaft einzubringen; hierzu war die Zustimmung des Verpächters auch dann nicht erforderlich, wenn der Pächter nach dem Pachtvertrag nicht zur Unterpacht berechtigt war. |
Aus den Gründen
An dem auf dem Flurstück 28/2 der Flur 2 Gemarkung Ho. aufstehenden Gebäude ist auf der Grundlage eines Nutzungsrechts getrenntes Eigentum in der Hand der LPG Ho. entstanden, deren Rechtsnachfolgerin das Gebäudeeigentum an die Beigeladenen veräußert hat. Der Beklagte hat diese Rechtsfolge zu Recht aus §§ 8 i.V.m. 13 Abs. 2 LPGG 1959 hergeleitet.
Zunächst steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der seinerzeitige Pächter dieser Fläche, Herr Ra., Mitglied der LPG Ho. war. Dies ergibt sich aus der Übersicht über die Bodenanteile 1963, die die LPG Freiheit Ho. am 31.12.1963 aufgestellt hatte, und aus der Auszahlungsliste zur Jahresendabrechnung 1963. Im Bodenbuch der LPG waren die Rechtsvorgänger der Klägerin unter der laufenden Nummer 38 mit einer Fläche von 3,72 ha verzeichnet, für die in der Spalte "Kulturart" "Acker" und der Spalte "Bemerkungen" "Pächter Ra." eingetragen war.
Weiterhin hat Herr Ra. die hier betroffene Fläche wirksam in die LPG eingebracht. Die Zweifel, die die Klägerin hieran äußert, bestehen nicht. Sie macht geltend, nach dem am 01.10.1955 geschlossenen Pachtvertrag habe der Pächter Ra. an Eigenland 16 Morgen (= 40 ha) und mitverpachtetem Pachtland 14 Morgen (= 35 ha) übernommen. In § 3 Abs. 3 des Vertrags heiße es, dass davon als landwirtschaftliche Nutzfläche Eigenland von 13 Morgen (= 32,5 ha) und mitübernommene Pachtländereien von 14 Morgen (= 35 ha), insgesamt 27 Morgen (= 67,5 ha) landwirtschaftliche Nutzfläche sei. Die Differenz von 3 Morgen entspreche etwa 7.500 qm. Nach dem Bestandsverzeichnis des Grundbuchs von Ho. Blatt 57 betrage die Fläche der Flurstücke 28/1 und 28/2 7.600 qm, so dass die hier betroffene Fläche die dargelegte Differenz von 3 Morgen darstelle. Für diese Fläche sei weder erwiesen, dass sie auch landwirtschaftliche Nutzfläche sei, noch dass sie als Ackerland genutzt worden sei.
Die Klägerin beruft sich auf Abschnitt III Ziff. 2 Abs. 1 des Musterstatuts für Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften Typ I vom 09.04.1959 (GBl. DDR I S. 333). Danach brachte jeder werktätige Bauer, der der Genossenschaft beitrat, sein Ackerland einschließlich Pachtland in die Genossenschaft ein. Die Mitgliederversammlung konnte beschließen, dass auch Grünland, Dauerkulturen (Obstanlagen, Hopfen usw.) oder Wald einzubringen sind. Nach Absatz 2 brachten demgegenüber Großbauern neben ihrem Ackerland und dem Wald auch alle übrigen von ihnen bewirtschafteten Flächen ein.
Der Senat ist anhand der Unterlagen, die sich in den Verwaltungsvorgängen befinden, und der Anschauung, die er vor Ort gewonnen hat, überzeugt, dass die Flächen, auf denen die beiden Gebäude durch die LPG errichtet worden sind, eingebrachtes Ackerland waren und die festgestellte Differenzfläche den Bereich des Hofgebäudes (Wohnhaus mit Schmiede und Scheune) nebst der Hoffläche in diesem Bereich darstellen.
In dem Bodenbuch wie den Auszahlungslisten 1963 und 1967 war jeweils der Pächter Ra. mit 3,72 ha verzeichnet. Nach dem Bestandsverzeichnis der LPG umfasste das gesamte im Eigentum der Rechtsvorgänger der Klägerin stehende Flurstück 28 eine Fläche von 7.695 qm. Davon waren 1.000 qm als Hoffläche bezeichnet und eine weitere Fläche von 2.000 qm als Gartenland. Diese Fläche stellt sich auch noch nach den heutigen Verhältnissen als Bereich des Wohnhauses mit Schmiede und Stall dar. Von dem auch im Eigentum von Frau Ku. und Herrn Kr. stehenden Flurstück 44/1, das ebenfalls Gegenstand des Pachtvertrages von 1955 als Teil der Altbauernstelle Nr. 60 war, wurde eine Fläche von 4.739 qm als Unland bezeichnet. Die insgesamt nicht landwirtschaftlich genutzte Fläche auf dem ehemaligen Flurstück 28 und den Flurstücken 63, 41/1 und 44/2 betrug daher 7.739 qm, das sind etwa 3 Morgen. Aus dem genannten Bestandsverzeichnis ergibt sich weiter, dass 4.695 qm des früheren Flurstücks 28, aus dem die Flurstücke 28/1 und 28/2 hervorgegangen sind, als Ackerfläche ausgewiesen waren. Auf der Restfläche stand bereits zu diesem Zeitpunkt das Hofgebäude, Wohnhaus mit Schmiede und Scheune, dessen Fläche von 3.000 qm Herr Ra. nicht in die LPG eingebracht hatte. Diese Baulichkeiten sind auch in dem Pachtvertrag vom 01.10.1955 in dessen § 4 erwähnt. Es ist daher davon auszugehen, dass diese Fläche als Hoffläche und Gartenland die ermittelte Differenz von Pacht- und landwirtschaftlicher Nutzfläche darstellte und die übrigen Flächen zunächst Ackerland waren und erst nach Errichtung der hier streitigen Gebäude im Jahre 1962 Bauland für die beiden Hallen und somit als Hoffläche wirtschaftliche Nutzfläche wurden. Hierfür spricht auch das seinerzeit nach dem Pachtvertrag übergebene Inventar, das zur Bewirtschaftung von Ackerflächen diente.
Dafür, dass die LPG das Nutzungsrecht an dem Flurstück 28/2 hatte, spricht auch die Erklärung der Gemeinde Ho. vom 21.11.1996, dass die Flurstücke 16/7 und 28/2 von der LPG Ho. seit 1962 wie von einem Eigentümer besessen worden waren. Diese Erklärung beruft sich ausdrücklich auf § 12 FlurbG.
Schließlich ist aus den gesamten Vorgängen, die zu Zeiten der DDR entstanden sind, nichts dafür ersichtlich, dass die LPG die zwei Gebäude auf Flächen errichtet hat, über die sie kein Nutzungsrecht innehatte. Da die Voraussetzungen für die Entstehung von Gebäudeeigentum eher großzügig als formalistisch eng anzusetzen sind, weil der Zweck des § 13 Abs. 2 LPGG 1959 war, im Interesse der wirtschaftlichen Entwicklung der Genossenschaft deren Aufwand für Baumaßnahmen in gewissem Umfang dinglich abzusichern (BGH, Urteil vom 05.02.1999 - V ZR 196/98 - VIZ 1999, 350/351), würden selbst verbleibende geringe Unsicherheiten an dem vom Senat gefundenen Ergebnis zu Gunsten der Klägerin nichts ändern.
Die Einbringung dieser Fläche war auch nicht deswegen unwirksam, weil der Pächter Ra. nicht Eigentümer der Fläche und überdies nach § 14 des Pachtvertrags zur Unterpacht nicht berechtigt war. Nach Abschnitt II Nr. 2 (1) des Musterstatuts brachte jeder werktätige Bauer, der der Genossenschaft beitrat, sein Ackerland "einschließlich Pachtland" in die Genossenschaft ein. Nach dem seinerzeitigen Verständnis dieser Regelungen war die Zustimmung des Verpächters zur Einbringung des Pachtlandes in die Genossenschaft nicht erforderlich, da die genossenschaftliche Nutzung des Pachtlandes die dem Sozialismus entsprechende Form der eigenen Nutzung darstellte (Arlt: Rechte und Pflichten der Genossenschaftsbauern 1965, S. 42). Dem steht auch nicht § 7 Abs. 1 LPGG 1959 entgegen, wonach der in die Genossenschaft zur allgemeinen Nutzung eingebrachte Boden Eigentum der Mitglieder bleibt. Denn durch die genannte Regelung des Musterstatuts wurde nicht das Eigentumsrecht generell beseitigt, sondern lediglich die Pflicht der Einbringung des Pachtlandes in die LPG begründet. Dementsprechend sind auch die Rechtsvorgänger der Klägerin nie aus dem Grundbuch gelöscht worden.